Ich mag Bands und ich mag Shirts. Aber wie sieht’s mit der allgegenwärtigen Kombination aus beidem aus? Bandshirts sind Segen und Fluch zugleich. Sie lösen Begeisterung und Hassparolen aus, sind Ausdruck von Zugehörigkeit und vermögen es, dem Träger mit dem Kauf eines solchen die erhoffte Portion Anerkennung mitzuliefern – sofern der bekennende Musik-Fan zum richtgen Logo greift und dann auch noch in die vermeintliche Subkulturen-Schublade passt. Andernfalls kann das Ganze ziemlich bitter ausgehen. Für alle Beteiligten.
Denn wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille, viele Sichtweisen und einen gigantischen Streitpunkt: Wer darf Bandshirts eigentlich guten Gewissens tragen? Hinsichtlich dieses Themas klafft zum Beispiel eine riesige Wunde im Herzen des passionierten Konzertgängers. In der Seele des eingefleischten Fans, der diesen überteuerten Merchandise-Artikel im todesmütigen After-Concert-Geschubse am Stand neben der Jackenausgabe ergattert hat. Der seit Jahren auf dieses eine Konzert seiner Lieblingsband gewartet hat, um anschließend die glorreiche Trophäe in Stoffform in den Händen halten zu können. Dann der Schock: Eine Woche später im Supermarkt. Eine vierzehnjährige Tussi streicht sich eine Peroxid-Strähne aus dem Haar, während sie mit ihren Leoparden-Pfennigabsätzen auf dem Diätjoghurt ausrutscht, der ihr gerade aus ihren widerlichen mit Strassteinen verzierten Fingernägeln gerutscht ist. Auf ihrer Brust: ein SLAYER-Schriftzug. „Warst du auch auf dem Konzert am Freitag?“ – „Häh??“. What The Fuck.
Dolce & Gabbana 2008
Es gab Zeiten – und hier stimme ich missmonster zu – da wusste man noch, wo man dran ist, wenn einer „Bikini Kill“, „Motörhead“ oder „David Bowie“ auf sein Oberteil gebügelt hatte. Einvernehmen, sekundenschnelle Sympathie, kurzweilige Verknalltheistanflüge oder auch insgeheime Fragezeichen im Kopf, die sich angesichts des offensichtlich unterirdischen Musikgeschmack des Gegenübers bildeten. Ob man das, was der andere da mit sich umher trug nun selbst vergötterte oder genial daneben fand, war einerlei, aber zumindest hatte das alles noch was mit der Musik an sich zu tun, statt mit einem seltsam ausgeprägten Ego.
Wo wir wieder beim Thema wären: Mann kann und sollte niemandem verbieten, Nirvana, BOY, Beatles und Co freien Geistes auf seiner Kleidung spazieren zu führen. Darüber empört sein darf man aber sehr wohl. Denn wenn man tatsächlich einen persönlichen Helden hat, der von großen Modeketten à la H&M urplötzlich zum Hype-König empor gehoben wird, um darauf hin von unwissenden Modegeiern in den Dreck gezogen zu werden, dann tut mir das tatsächlich in der Seele weh. Neulich sah ich ein hübsches Mädchen mit tollem Geschmack und David Bowie-Jutebeutel. Automatisch dachte ich „Klasse, von Ziggy Stardust hat sie sicher noch nie was gehört und trotzdem meint sie, sie sei mit Bowie im Gepäck die personifizierte Hipness.“
Die sind jedenfalls noch true.
Es ist wahrscheinlich, dass besagte junge Dame nicht mehr als Bowies Hit „Heroes“ kennt, sicher kann man aber nie sein. Und hier zeigt sich das Problem: Das Tragen von Bandshirts lässt uns inzwischen alles andere als authentisch wirken. Egal, ob wir für eine Auferstehung Kurt Cobains töten würden oder Slayer den Soundtrack zu unserer Jugend geliefert hat – abnehmen würden uns das auf den ersten Blick sicher keiner mehr. Danke H&M dafür, dass ihr John Lennon und Yoko Ono ihre Würde genommen habt. Danke Dolce&Gabbana, dass ihr David so toll findet. Danke intoleranters Hirn, dafür, dass du mich gerade mit so vielen Aufreger-Hormonen versorgst. Nun denn. Anscheinend ist nur noch auf die Turbo-Jugend Verlass. Turbonegro, liebes glitzernägeliges Mädchen von damals an der Supermarkt-Kasse – kennste?
Ich werde trotzdem irgendwann ein Bikini Kill Shit besitzen. Basta. Und welches tragt ihr trotzdem?