Mode ist Geschmackssache. Farben können gefallen oder eben nicht, Schnitte das Auge ansprechen oder Kotzbröckchen den Rachen hochtreiben. Qualtität darf beim Blick auf das Oberflächliche nicht vernachlässigt werden, aber auch Preiswertes kann hübsch aussehen. Das geschulte Auge erhebt für sich dennoch den Anspruch, Gutes von Schlechtem unterscheiden zu können.
Trotz der Tatsache, dass ich aufgrund meines Studiums eigentlich Ahnung haben müsste, liegt der Fokus meiner Kritik diesmal eher auf den Nebensächlickeiten der neuen Ressort-Kollektion des schwedischen Brands Acne, als auf dem Gezeigten an sich. Denn nein, mit meinen 23 Jahren bin ich sicher kein Profi in der Beurteilung neuer Entwürfe und großer Designer. Auch ich habe bloß zwei Augen. Und einen Bauch, der mir sagt, dass da irgendwas falsch läuft.
Was Chefdesigner Johnny Johansson seinem New Yorker Publikum am gestrigen Abend für die Zwischenkollektion des kommenden Frühjahrs aufgetischt hat, schmeichelt dem Sehnerv, keine Frage. Pastelltöne wie Minze und Himmelblau treffen auf die Trendfarbe der Saison: Orange. Senfgelb liebäugelt mit 70er-Jahre Aqua, Denim wird zerrissen und Lagen munter übereinander gestapelt. Kleid über Jeans, Weste über Bubi-Bluse, usw. „Downtown Young Jeans Girls“, nennt Johansson diesen Look, der Unschuld mit Urbanität vereint, Volumen groß schreibt und einen Hauch Taschenrechner-Mädchen-Attitüde mit einbringt.
Was wir sehen, gefällt. Vielleicht sogar sehr. Aber ich werde das Gefühl nicht los, das viele das Denken hinsichtlich des Brands Acne einfach sein lassen. Denn ja, das Label hat durchaus schon Entwürfe gezeigt, die sich jenseits von Avantgarde, Geschick mit Nadel und Faden oder platter Schönheit bewegen. „Dieses Teil von Acne da ist furchtbar hässlich“, würde sich dennoch kaum einer wagen auszusprechen. Es gehört in Bloggerkreisen inzwischen dazu, Marken wie Stine Goya und Acne atemberaubend zu finden. Eigentlich könnte sich man sich eine Augenbinde aufsetzten und einfach schreiben „Erste Sahne, diese Kollektion“, denn was wirklich dahinter steckt, betrachtet ob der rosafarbenen Imagewolke kaum mehr jemand. Was Acne macht ist gut. „We make it, you buy it.“
Aber woher kommt das? Vielleicht liegt’s daran, dass Acne mit seinem skandinavisch-schlichten Stil nicht viel falsch machen kann, stimmt ja auch. Aber vor allem liegt es daran, dass Meinungsbilder nunmal Meinungen und eine gewisse Macht haben. Das ist auch gut so und meist bereichernd, aber verpulvert anscheinend auch fremde Gehirnmasse. Ein Kleid, 20 Blogger. Ankle Boots an jedem Fuß.
Ja, auch ich mag Acne sehr und schätze Schnitte und Stoffe. Aber ich stelle selbige nicht auf einen Podest oder imaginären Altar. Das, was die Herrschaften da machen, ist toll, hat Lieblingsmarken-Potential. Aber irgendwann kann man all das Schöne beinahe nicht mehr ernst nehmen und schon gar nicht wertschätzen. Ich fürchte, wenn das Brand graue Säcke mit strickwarmen Armen auf den Laufsteg geschickt hätte, und das im Frühling, dann hätte auch kaum wer gemeckert. So ein Sack ist schließlich geradlinig und schnörkellos, total krass tragbar eben. Acne, ich mag dich. Aber ich habe Angst um deinen Charakter.
Bilder via Les Mads!