Denjenigen, die es verpasst haben, sich die Ausstellung „Marilyn Backstage“, die vom ZEITMagazin im Café Einstein Unter den Linden präsentiert wurde, anzuschauen, kann geholfen werden: ein neuer Bildband und ein nicht ganz so neues Buch, das allerdings zu meinen Lieblingen gehört, versorgen uns mit weiteren wunderbaren Bildern und Gedankenreisen zum Mythos Marilyn.
Stilikone, trauriges Mädchen, unterschätzes Schauspieltalent, Sexobjekt und -symbol, Komikerin – Marilyn Monroe gehört immer noch zu den sagenumwobensten Figuren Hollywoods. Ihr Tod lässt bis heute Anlass zu Spekulationen, ihre Schönheit ist umwerfend und in unendlichen Bildern konserviert.
Im Münchner Schirmer/Mosel Verlag erscheint nun der Bildband „Marilyn Monroe Metamorphosen/Verwandlungen“ von David Wills und Stephen Schmidt, deren Anliegen es ist, die Entwicklung des Mädchen Norma Jeane zum Star Marilyn und schließlich den Absturz in fünf Kapiteln zu zeigen. Im Nachwort ist außerdem Marilyns letztes Interview aus dem Jahre 1962 abgedruckt.
Die Bilder geben Raum für eigene Gedanken und Interpretationen, sie laden einmal mehr zu Spekulationen über den tragischen Abgrund hinter der schönen Oberfläche ein. Erhältlich ist das Buch hier.
Die Schriftstellerin Joyce Carol Oates hat im Jahr 2000 mit „Blonde“ einen Roman geschrieben, der genau dies unternimmt: eine fiktionale Geschichte zu erschaffen, die aber trotz allem ihre Inspiration nicht verleugnen kann und will.
„Blonde“ ist keine Biographie, sondern ein Roman, der sich auch eben dieses fiktionale Potential der Kunstfigur Marylin Monroe zum Thema macht. Das „braunhaarige Mädchen“, das zur „blonden Darstellerin“ wird, und den „jungen Präsidenten“ trifft, den „berühmten Schriftsteller“ heiratet: Fiktion und Realität liegen hauchdünn nebeneinander, aufeinander und durchmischen sich. „Blonde“ ist auch kein Enthüllungsbuch, oder doch: es enthüllt, dass eine Biographie auch immer eine Erzählung ist, eine Anti-Biographie, die auswählt, die Bilder und Geschichten erschafft, erschaffen soll. Die „wahre“ Marilyn, das „wahre“ ich, gibt es das überhaupt? Oder müssen wir zugeben, dass sich Persona und Person vermischen, bedingen, und untrennbar miteinander verwoben sind?
Am Roman „Blonde“ hat mich vorallem der Schreibstil fasziniert: rohe Gedankenprotokolle, unkonventionelle Verschiebungen der Erzählerperspektive, pornographische Ausführungen und unschuldig-naive Träumereien mischen sich zu einem dichten Wort- und Erzählgefüge, dass außerdem mutig zitiert und fernab von Logik montiert. Ich als Leserin bekomme die Möglichkeit, Oates Fiktion als eine Interpretation der Innenwelt von Marilyn zu begreifen. Unter den altbekannten Bildern – Marilyn über dem UBahn-Schacht oder Marilyns Ständchen an den J.F. Kennedy schimmern plötzlich andere durch, die schmutziger, trauriger und auch komischer sind, und die man trotz allem nie ganz erkennen wird.
Dicke 900 Seiten ist das Buch lang: man liest es in einem Rutsch und Oates hat verdienterweise den Pulitzer Preis für diesen tollen Roman gewonnen. Genau das Richtige für die kommenden Herbstabende!
„Blonde“ ist im Fischer Verlag erschienen und u.a. bei Amazon erhältlich.
Infos zu „Marilyn Monroe Metamorphosen/Verwandlungen“ via Vogue. Bilder via Vogue. Bilder Joyce Carol Oates via, Blonde via.