Miu Miu, die kleine Schwester von Prada, zeigte sich für den Herbst noch betont adrett und mädchenhaft, aus Feministinnen-Sicht sogar ein klein wenig frauenverachtend. Breitbeinig lümmelten recht jung aussehende Models auf Barhockern herum und schienen quasi ferngesteuert auf die Erlaubnis zu warten, endlich aufstehen zu dürfen – nachdem sie sich dem Betrachter mit kleinen Handtächschen vor der Scham und Glitzer-Sonnenbrillen auf der Nase ganz unschuldig dreinblickend angebidert hatten.
Zu meiner Erleichterung scheint die Zeit der Koketterie nun endlich vorrüber zu sein. Miuccia Pradas Welt wendet sich nach der Präsentation ihrer mit „Sweeteness“ gespickten Prada-Kollektion für den kommenden Frühling nun endlich wieder der düsteren Seite der Mode zu.
Auf den ersten Blick scheinen die geradlinig und gern bauchfreien Kreationen nicht so recht zum Rest des Defilees passen zu wollen: Fällt unser Blick doch zunächst auf blutrot geränderte Modelaugen, auf schwarze und graue/taubenblaue Entwürfe, wird das zu Beginn Fragen aufwerfende Rästel schließlich mit Patchwork, Cape-Formen und Kirschtönen gelüftet. So langsam fällt der Groschen: Was wir hier sehen, ist eine Hommage an die dunkle Seite der Märchenlandschaft.
Kleine Capes schmücken das Rotkäppchen der Jetztzeit, Blumenprints und Patchwork begleiten das fortan nimmer mehr zerbrechlich wirkende Mädchen mit dem guten Herz und der verkorksten Seele durch den bedrohichen Wald. Verträumtes Samt und Satin, Spitze und körbchenähnliche Taschen stehen im harten Kontrast zu Stiefeln, die aussschauen, als hätte Dornröschen sie bei ihrer Freundin, dem Cowgirl, stibitzt. Das subtile Spiel mit Bondage-Elementen, das Einwickeln des Körpers in Stoffbahnen und vermeindliche Stützen des Rückgrats suggeriert Stärke, die uns in der heutigen Zeit von der Gesellschaft auferlegt wird, ohne dass wir überhaupt sicher wären, sie tatsächlich zu besitzen. Genau das haben wir wohl mit all den Märchenfiguren gemein: Auch wir befinden uns im Zwispalt, im ständigen Hin und Her zwischen heldenhafter Attitüde und dem totalen Schwächeanfall.
Wir merken uns also: Im Frühjahr 2012 trägt man Stiefel, statt Sandalen, Patchwork ist von der Chanel-Tasche nun auch in den Modekosmos zurückgeschwappt, Bauchfrei bleibt und Mini-Capes ersetzten Strickjäckchen. Nicht jedes Outfit finden wir zumutbar, aber fest steht, dass Miuccias Wandelbarkeit tausend Mal besser finden, als schnöden Einheitsbrei.