Bild ohne Hörner: Nicolás Santiñaque
Dieser Text handelt von einem Mädchen, das ohne Rast ist und ohne Ziel, von einem Fabelwesen ohne Grenzen, von einem Geschöpf, das Gutes will und Böses tut. Diese Geschichte ist deine Geschichte. Guten Tag, Frau Unsinn.
Anna Unsinn, das bist du. Du hast zwei Köpfe, viele Herzen, aber bloß ein Leben. Das ist dein Schicksal, das ist deine Last und Freude zugleich. Deine Welt ist bunt, solange du entscheidest ohne zu denken. Dann fängt das Grübeln an und du knallst mit voller Wucht auf den grauen Beton. Zwischen Prinzipien und Irrsinn wandelst du hin und her, bist zufrieden, solange sich die Möglichkeiten verstecken. Und dann, wenn die Gelegenheit günstig ist, dann explodiert dein Gefühl und alles was du tust ist mit sorgenlosen Glitzerpartikeln überhäuft. Du drehst dich und tanzt und schüttelst dich, lässt dich begehren, bis das Gold zu Boden fällt, genau wie du. Der schwarze Sog, das Monster, das Gewissen, ziehen dich ins Loch, in dem keine Luft zum Atmen bleibt. Das ist deine Geschichte. Werde mit ihr fertig.
Gestern noch hast du die Hand gehalten, die dir Sicherheit gibt. Heute spürst du ein fremdes Gesicht zwischen deinen alkoholfeuchten Fingern. Du bist frei und jung und wild. Was jetzt passiert, kann dir keiner nehmen. Raus aus dem Nest, raus aus dem, was dein Leben ist. Zwischen Brotkrümeln und Weinflaschen vom Supermarkt bleibt noch so viel Platz für Neues. Reiß den Mund auf, so weit wie du kannst, verschlucke alles, was noch unerforscht ist. Schmecke, worauf du Hunger hast, aber pass auf, dass sich dir nicht der Magen umdreht. Denn auf jede Nacht folgt auch ein Morgen. Im Tageslicht sieht gestern hässlich aus.
via.
Dir ist langweilig, du bist glücklich, aber Stillstand ist Mord. Du bist gut, aber grausam, der Teufel im Kleid. Wenn du doch nur zwei Leben hättest, eben so viele wie du Köpfe besitzt. Der eine artig und zufrieden, der andere durstig und ohne Skrupel. Man kann nicht alles haben, nicht zur gleichen Zeit. Aber man kann es sich nehmen. Wenn man ein Arschloch ist, oder keine Prinzipien hat oder Freiheit über alles stellt.
Und dann kommt der Moment, in dem du dich entscheiden musst: Freigeist oder Arschloch oder beides? Du bist nichts von beidem, bloß rastlos. Bloß Frau Unsinn mit zwei Köpfen und viel zu vielen Herzen. Du glaubst an die große Liebe und Treue und all das. Bis dein Schatten nach dir greift, bis die Angst davor, allein zu sein, dich packt, bis dein Ego nach einem neuen Anstrich verlangt. Dann ziehst du dir dein Sonntagskleid an und lässt dich jagen. Dich packen von der Lust, vom Verlangen nicht aus dem Spiel zu sein, dich lebendig zu fühlen. Dein zweiter Kopf dreht dem anderen den Hals um, bis er still ist und sich nicht mehr wehrt. Hör auf dich im Kreis zu drehen, denn du weißt was jetzt kommt: Das dumpfe Gefühl im Bauch, die Schuld. Obwohl doch nichts passiert ist. Ein harmloser Flirt, vielleicht ein Kuss. Und trotzdem war es zu viel.
Verdrängen, verzweifeln, verfluchen. Dich und zu viel Gefühl. Hack dir den falschen Kopf ab, reiß dir alle Herzen raus, bis nur noch eins übrig bleibt. Erst dann wirst du wissen, was du willst. Oder zugrunde gehen an der Gewissheit, dass du niemals zufrieden sein wirst mit dem, was du hast.