Foto © Nike van Dinther
Ein paar ehrliche Worte sind das hier. Ein bisschen zu faktisch, zu platt. Aber ihr sollt informiert sein. Bis wir gestern diese eigentlich sehr erfreuliche Diskussion bei les mads entdeckten, war uns nämlich gar nicht wirklich bewusst, dass sich in euren Köpfen natürlich dann und wann auch Fragen festsetzen, die auch uns betreffen:
„Wieso können sich viele Blogger so derart teure Labels leisten, werden Prioritäten falsch gesetzt, haben diese Mädchen reiche Papis oder ticken sie ganz einfach nicht mehr sauber? Geht es ausschließlich darum, sich in Prestige-Objekten zu kleiden, um das Etikett „teuer“? Kauft man hochpreisig der Qualität wegen oder einzig und allein aufgrund des dahinter stehenden Namens?“ Es wäre geradezu vermessen anzunehmen, auf all das eine allgemein gültige Antworten liefern zu können. Ganz gewiss kann ich hier nur für uns sprechen, für Sarah und mich. Und bei uns sieht es so aus:
Auch wir sind Modebloggerinnen. Zwei Mädchen also, die Mode sehr lieben und das geschriebene Wort. Deshalb gestehen wir uns an dieser Stelle auch zu allererst ein: Ganz bestimmt sprechen wir der Kleidung an sich eine größere Bedeutung zu als manch anderer, als jene, für die Mode bloß ein funktionales Mittel ist. Natürlich drehen sich unsere Gedanken sehr intensiv um Stoffe und Farben und Materialien – aber nicht ausschließlich, weil wir eben selbst so vernarrt sind, sondern durchaus auch, wiel genau das unser Beruf ist. Mode ist der Mittelpunkt unseres Lebens, tagsüber, während der Arbeit. Glücklicherweise bleibt aber auch noch viel Platz für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens, für andere Künste und Musik und Liebe und gutes Essen. Also: Nein, Modeblogger haben nicht nur Mode im Kopf. Das wäre bestimmt auch ein ganz fürchterlich langweiliges Leben, so ein reines Modekopfleben.
Wieso aber tendieren wir dazu, irgendwann einmal von preiswert auf teuer umzusatteln? Von H&M auf Stine Goya zum Beispiel oder auf des Kritikers liebstes Beispiel: Acne? Und hier müssen wir ein wenig zurückrudern in der Zeit. Denn natürlich war das nicht immer so und meinte man es böse, könnte man ganz einfach sagen: Wir fangen irgendwann damit an, weil wir Opfer sind. Opfer der Konsumgesellschaft, Nachmacher. Weil wir infiltriert wurden, beeinflusst von den Medien und anderen Bloggern, oder einfach weil wir furchtbar hip sein wollen. Die Warheit ist: Schuld ist ein ganz menschlich-natürlicher Mix aus verschiedensten Faktoren, auch den obigen.
Ketten wie H&M und Zara wurden während des Studiums zu meinen besten Freunden. Und Omis Kleiderschrank, Secondhand-Läden. Ich arbeitete nebenher als Bartante auf Festivals, für Jägermeister und schreib hie und da Texte. Hatte ich am Ende des Sommers mein Sparschwein gefüllt, kaufte ich vom Ersparten massenhaft Teile von H&M, weil ich dachte, ich würde das brauchen. Weil ich Mode studierte und mir Mode am Herzen lag. So wie Platten. Wie andere eben Modelleisenbahnen sammeln oder Tupper-Ware, so war es bei mir eben lustige Kleidung. Dann erkannte ich, dass das nicht vernünftig sein kann: 30 T-Shirts im Schrank liegen zu haben, sich aber an keinem einzigen länger als 3 Wochen erfreuen zu können. Ich fing an, auf Lieblingsstücke zu sparen. Kaufte mir nicht drei Mal im Monat irgendetwas von der Stange, sondern nur noch einmal und dafür alle drei Monate etwas, das eigentlich außer Reichweite schien. Etwas, auf das gespart werden musste. Kein einziges Mal habe ich es bereut, denn als ich nach Berlin gezogen bin, ließ ich etliche Müllsäcke voll mit Kleidung zurück – Alles, was verwaschen war, eingelaufen, verfusselt oder einfach nicht mehr meinem Geschmack entsprach. Die „Lieblingsstücke“ wohnen noch heute bei mir. So falsch kann diese Rechnung also gar nicht sein.
Nun schimpfen viele: „Die finden alle die gleichen Marken schön, kaufen bloß, weil da der Name drauf steht“. Stimmt nicht. Ich bin durchaus auch gern in Mecker-Stimmung, wenn’s um die Wurst geht. Ich würde beispielsweise niemals einen Isabel Marant Schuh für 500 Euronen an meine Füße lassen. Kein Sneaker kann das wert sein. Wer ihn aber trägt, den verurteile ich nicht. Denn jeder darf mit seinem eigenen Geld anstellen, was auch immer er für richtig hält. Wie viel etwas wert sein darf, auch das ist eine ganz persönliche Meinung, die jeder äußern darf. Grundsätzlich finde ich: Lieber einen Traumschuh besitzen und alles dafür zusammen kratzen, als zehn preiswerte Schuhe, die im Regal verschimmeln und niemals so richtig glücklich machen. Was allerdings glücklich macht, ist auch ganz verschienden: Meine Vans, 50 €-Treter, liebe ich viel mehr als die 400€- Minimarket-Schuhe, die Sarah und ich uns damals in Schweden aussuchen durften.
Warum aber muss es immer Stine Goya, Wood Wood oder was vom Voo Store sein? Muss es gar nicht immer, das ist falsch. Es werden noch immer Basics gekauft und wir achten auch stark auf Preise. Aber wenn ein Stine Goya Kleid aus Seide mit „traumhaften“ Print im Sale nur noch so viel kostet wie ein Kleid von Zara und einfach nicht kopierbar ist, dann schlage ich zu. Und dieses Kleid bekommt dann einen ganz sorgsamen Platz auf der Stange. Vielleicht freuen sich meine Enkelkinder sogar irgendwann darüber. Und dann ist da natürlich auch der Belohnungsfaktor: Ich kann nicht abstreiten, dass es sich anders anfühlt, nach harter Arbeit oder einem geschafften Auftrag loszuziehen und sich selbst zu belohnen. In einem aufgeräumten Store, in dem alles ganz hübsch ausschaut und nicht wie Massenware. Es ist so wie mit hübscher Unterwäsche oder Chanel-Lippenstift: Es kommt auf dein eigenes Gefühl an, nur auf dich. Du weißt, wie viele Arbeitsstunden in diesem einzigen Stück stecken, dass du dir richtig was gegönnt hast. Und das fühlt sich gut an. Scheiß auf’s Ego, ganz egal. Es geht nicht darum, andere neidisch zu machen, sondern darum, dass du dir selbst was Gutes tust. Männer würden sich vielleicht eine Super-Granaten-Stereoanlage kaufen. Ich eben einen Pulli aus Cashmere oder Angora. Weil er sich weich anfühlt. Gehört das vielleicht zum Erwachsen-Werden dazu? Keine Ahnung. Die Qualität steht dabei jedenfalls nicht immer im Vordergrund, das wäre gelogen. Manche Dinge sind einfach hübsch, haben eine bestimmte Form, ein bestimmtes Muster oder die Farbe, nach der wir so lange suchten. Und zum Thema Marken-Wahn: Ja, natürlich sind wir beeinflussbar! Klar, wir sind Modeopfer! Zumindest ein Stück weit. Stine Goya ist schön, so lautet die allgemeine Meinung. Bedeutet das jetzt, dass ich die Sachen nur deshalb schön finde? Nein, ich kann auch vieles hässlich finden. Aber sicher gefallen mir ein paar Stücke noch ein bisschen mehr, weil ich weiß, dass eine dänische Designerin dahinter steckt und kein Riesenkonzern. Ist doch so. Kein Mensch der Welt, dem das alles nicht irgendwie wichtig ist, würde so viel Geld für ein einziges Teil ausgeben.
Und was ist mit der Nachhaltigkeit? Mit der Produktion der Stücke? Darüber haben wir hier schon in etlichen Texten geredet, deshalb folgt nun keine breite Ausführung. Grundsätzlich gilt aber: Als Modeblogger wie wir es sind wäre es geradezu heuchlerisch darauf zu pochen, dass wir Teures, wenn wir es denn kaufen, bloß wegen der fairen Produktionsweise, etc. kaufen würden. Natürlich nicht. Wir versuchen darauf zu achten, in einem Rahmen der uns möglich ist, was bedeutet: In einem Rahmen, in dem wir trotzdem nicht auf alles verzichten müssen, was nicht hundert Prozent „korrekt“ ist. Es ist ein mühseliger Akt, bei jedem Brand nachzuforschen, woher die Stoffe nun wirklich stammen. Teilweise ist das sogar unmöglich. Man könnte es tun, aber dafür fehlt auch uns die Muße, wir sind keine Gutmenschen. Wir unterstützen alles Gute wo wir können, boykottieren aber nicht alles Schlechte, falls damit Billigketten wie Zara und Co gemeint sind.
Wie aber können wir uns all das leisten? Sind Blogger etwa reich? Nein und Ja. Es gibt sicher reiche Blogger, wir sind es aber nicht. Am Hungertuch nagen wir allerdings auch nicht. Natürlich, meine Eltern haben Berufe und sie verdienen auch Geld. Aber das ist nicht mein Geld. Ich verdiene mein eigenes. Und vielleicht habe ich auch ein bisschen Glück: Für meine geliebtes WG-Zimmer zahle ich nämlich nur sehr, sehr wenig, weil ich es mir sogar mit meinem Freund teile. Weil wir uns so gern haben, dass das super funktioniert und unsere Mitbewohner diesen Wahnsinn auch noch erlauben. Da bleibt dann schon mal ein bisschen mehr übrig als bei den meisten. Wie eben aber schon gesagt: Außerdem sind Sarah und ich Sale-Fans. Ein schwarzes Acne-Kleid für 500 Euro? Nein, danke, kein Bedarf. Ein schwarzes Acne Kleid für 50 € im Sale? Klar, so viel hätte ich auch bei COS bezahlt. Was viele aber nicht wissen: Ein Blog ist nicht die einzige Einnahmequelle eines Bloggers. Über dieses Medium ergeben sich im besten Fall auch weitere Aufträge und Kollaborationen: Trend Forecasts für Modemessen, die Planung von Pop Up Store Eröffnungen, usw. Hier agieren wir dann im Hintergrund, ganz heimlich quasi. Und: Wir sind eben auch nicht nur Blogger, sondern auch Redakteurinnen/ Autoren für ein paar andere Online- und Printmedien, kümmern uns um den Online-Auftritt eines deutschen Labels. Das alles passiert, nachdem wir unsere Jane gefüllt haben. Das alles ist kein lustig-verdientes Bloggerleben, sondern harte Arbeit, die uns mindestens sechs Tage die Woche kostet und Arbeitsstunden bis spät in die Nacht. Das ist kein Job, der es ermöglicht, um 17 Uhr Feierabend zu machen. Man ist so sehr eins mit all dem, dass es sogar nur wenige Momente gibt, in denen man nicht arbeitet. Nervenzerrend ist das oft, aber dafür auch unsagbar schön. Jedenfalls wenn man mit so viel Herzblut in die ganze Sache hereingewachsen ist wie wir, wenn aus Träumen Lebensentwürfe werden.Und ja, dann mag man sich auch mal was gönnen.
Und trotzdem kaufen wir uns nicht alles selbst. Natürlich gibt es Brands, die uns gern in ihrer Kleidung sehen. Wir werden nicht mit Outfits überhäuft, aber ab und an dürfen wir uns ein paar Teile aussuchen. Ist das der Fall, haben wir kein Problem damit, euch das auch zu verraten. Wir freuen uns über Geschenke schließlich genau so sehr wie ihr.