„The Future of Fashion?“ fragte sich heute Morgen der Fashion Telegraph UK und mit ihm wohl eine ganze Modejournalisten-Generation. See by Chloé hatte in dieser Saison nämlich auf die obligatorische Front-Row-Besetzung verzichtet. Keine einzige Einladung sollte diesmal an die Journalisten-, Blogger- und Promimeute verschickt werden, niemand sollte das Laufsteg-Spektakel live und in Farbe miterleben können – bloß auf dem virtuellen Wege eben, denn ein Live-Stream war dann doch für jeden zugänglich, der beim Start der Schau über eine intakte Internetverbindung verfügte. Läutet See by Chloé damit den Untergang des allgemeinen Fashion Week Trubels ein? Oder handelt es sich hier vielleicht sogar um die konsequenteste Demokratisierung der Mode?
Normalerweise sollte man doch davon ausgehen, dass die Betrachtung einer Kollektion durch die flimmernden Kathodenstrahlröhren eines Bildschirms hindurch niemals an das ungefilterte Live-Seherlebnis heranreichen könnte. Das Schwingen der Stoffe, die Haptik der Materialien, all das bleibt uns doch durch den Filter der virtuellen Welt verborgen. Vielleicht ist es an dieser Stelle Zeit, sich einzugestehen: Fashion Show ist nicht gleich Fashion Show. Manche sollte man ganz gewiss mit Haut und Haar und Herz erleben – anderen hingegen tut es keinen Abbruch, sie bloß aus der Ferne miterleben zu können. Und zu letzteren zählt wohl auch jene von See by Chloé: „The clothes are designed to be off-the-peg wearable – this is not couture – and the styling, hair and make-up reflected that. This line is not intended to change the face of fashion, but that shouldn’t invalidate it – there are many shows cramming the schedules of all four major fashion weeks in the same vein,“ schreibt Belinda White.
Es gibt sie, die Modehäuser, die von der großen Show leben. Wenn Chanel in einen Kerzen-geflutete Halle lädt, Alexander McQueen, Dior oder Jil Sander Couture zeigen, dann fließen Emotionen, dann vibriert die Luft. Dann passieren Dinge, die nicht auf Speicherkarten konserviert werden können, dann werden Geschichten erzählt und Modegeschichte geschrieben. Die Entwürfe von Labels wie See by Chloé eines ist, dienen jedoch ausschließlich der Befriedigung des Konsums. Sie sollen getragen werden – nicht mehr und nicht weniger. Ist das Ausschließen der Öffentlichkeit, das Verzichten auf eingekaufte Superstar-Gäste und die totale Fokussierung auf ein Medium, das eben uns allen zugänglich ist, und nicht bloß der ausgewählten, elitären Masse, also vielleicht schlichtweg die ehrlichste aller Arten der Verbreitung der eigenen Mode? Oder ist dieser Schritt bloß ein weiterer Meilenstein in der Beschleunigung unserer Zeit?
Es dauerte nämlich nicht lange, da lagen auf der offiziellen See by Chloé Website bereits ein Backstage Video, sämtliche Close-Ups und alle Bilder der einsamen Fashion Schau zum Abruf bereit. Schön für uns, schlecht für den Erhalt der Mode-Etikette? Normalerweise bin ich gegen das Aufheben jeglicher Regeln, sogar an manchen Traditionen hänge ich. Aber diesmal bin ich der Meinung, dass alles richtig gemacht wurde. Der große Zirkus gebührt all jenen, die ihn wirklich wirklich verdienen. Der beachtliche Rest täte durchaus nicht schlecht daran, sich ein Beispiel an See by Chloé zu nehmen und schlicht und ergreifend auf den künstlich erzeugten Promiauflauf zu verzichten. Der macht eine Kollektion nämlich weder noch schechter noch besser.