Unsere Leserinnen Annemarie und Anne haben ausgesprochen, was viele sich derzeit Fragen: Wozu ist Instagram eigentlich gut und und weshalb um alles in der Welt sollte man sich einem weiteren Netzwerk verpflichten; man hat doch so schon genug um die Ohren. Lange Zeit schwirrten mir selbige Fragezeichen im Kopf herum. Bis ich schließlich beitrat in den Zirkel der „Ständig-Alles-Teilenden“.
Man kann die ganze Thematik erst einmal ganz nüchtern betrachten: Instagram ist, ebenso wie Facebook und Co, zum Marketing-Tool avanciert. Designer, Konzerne und Online-Shops nutzen die Schnappschuss-Maschine, um ihre Anhänger ständig auf dem Laufenden zu halten, um Hypes zu kreieren und uns das Wasser im Munde zusammen laufen zu lassen. Der Aspekt der Imagebildung ist zudem ein weiteres Argument für das pausenlose Füttern des Instagram-Feeds. Man kann hier Stella McCartney als Beispiel anführen: Das Modeunternehmen schickte vermutlich ganz bewusst erste Aufnahmen der Gartenparty inklusive allerlei Eindrücke der kommenden Kollektion via Instagram in die Welt hinaus. Es dauerte keine fünf Minuten, da war bereits alles gebloggt worden. Als Betrachter genießt man hier das Gefühl, mittendrin zu sein. Teil des Spektakels. Clever.
Und auch wir Blogger, da brauchen wir uns nichts vormachen, sind inzwischen auf die Foto-Sharing-App angewiesen. Hat man während der Fashion Week das iPhone nicht im Anschlag, kann man sicher gehen, dass 90 Prozent der Anwesenden schneller sind mit ihrer Berichterstattung. Man kann uns quasi folgen, auf Schritt und Tritt. Entdecken, was wir entdecken, sehen, was andere vielleicht erst ein, zwei Tage später, auf dem Blog nämlich, zu Gesicht bekommen würden. Privatpersonen hingegen teilen ihr Leben mit ihren Freunden. Das funktioniert in bebilderter Form oftmals eben besser oder zumindest visuell ansprechender. Man bekommt mehr Feedback, weil ein Herzchen als Zeichen der Zustimmung innerhalb von Millisekunden angeklickt werden kann. Das ist zu vergleichen mit Magazinen: Der Text wird leider häufiger gelesen, wenn die Bilder ansprechend sind. Ohne Bilder sinkt die entgegengebrachte Aufmerksamkeit deutlich ab. Und hier lauert auch schon die Gefahr, produziert von zwei Stichworten, die uns begleiten, seit Social Networks existieren: Voyeurismus und Selbstdarstellung – zusammen betrachtet der Nährboden alles Üblen. Aber auch des Guten.
Diese beiden gesellschaftlichen Phänomene der Jetztzeit verlangen im Prinzip nach einem gesonderten Text, deshalb halte ich es kurz: Wir, die Generation Internet, neigt dazu, sich ein Konstrukt aus Kommentaren, Bildern und Pinnwand-Einträgen aufzubauen, das am Ende als Spiegel des Charakters funktionieren soll. Jeder will dabei natürlich möglichst gut wegkommen. Gleiches gilt für die eigene Instagram-Fotogalerie. Aber hier lauert auch schon die Gefahr: Das nach Außen suggerierte entspricht eben doch nicht immer der Realität. Die eigene Selbstwahrnehmung läuft Gefahr, ins Utopische abzudriften.
Aber vor allem: Wir tendieren dazu, viel zu viel von uns preiszugeben. Privatsphäre nimmt man heute nicht mehr so wichtig. Ob das schlimm ist oder nicht, die Frage stellt sich quasi nicht. Jedenfalls schaffen die meisten von uns es, sich mit der Tatsache abzufinden, dass das heute eben so ist. Dass man anderen eben zeigt, was man zum Frühstück isst. Oder im fragwürdigsten Fall sogar, welchen Schlüpfer man denn für’s Dinner gewählt hat. Was wirklich schlimm ist: Wir wissen ganz genau, dass das auf Dauer nicht gut sein kann und trotzdem sind wir süchtig. Nach Bestätigung und News aus dem Leben anderer. Oder ist das alles viel harmloser, als manch einer behauptet, ist das die neue Normalität?
Ich selbst finde mich wieder in einem gigantischen Gedankenwust. In einer bunten Wolke aus einer heftigst appelierenden Vernuft, ein bisschen Hedonismus und der fatalen Mir-Doch-Egal-Einstellung. Denn auch ich gehöre zu all jenen, die täglich Bilder posten. Das Problem ist bloß: ich teile sie nicht ausschließlich mit Freunden. Das ist gefährlich und zwar sehr. Weil ich mit einem Bein irgendwie in der „Öffentlichkeit“ stehe, mit dem anderen aber ganz und gar nicht. Und es kommt nicht selten vor, dass ich mich frage: Ist das zu privat? Willst du das mit jedem teilen? Ganz oft landen Schnappschüsse im Bilderordner statt online. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin zum Beispiel, achte ich streng darauf, nur jene abzulichten, die selbst in der medialen Welt unterwegs sind. Und nicht einmal die will man ständig mit dem iphone neven. Es geht also primär um mich. Und die Landschaft. Oder Kleidung. Ein einziger Ego-Trip? Schon. Alle Heuchlerei bringt ja doch nichts. Es gibt keine andere Erklärung. Auch andersrum ist die Wahrheit ernüchternd: Weshalb folgt man gewissen Personen? Weil man wissen will, was sie sonst noch treiben.
Irgendwann ist Instagram tatsächlich wichtig für mich geworden. Erschreckend, durchaus. Zum kleinen Helfer quasi, selbst wenn ich mir das nur einbilden sollte. Es ist nämlich so: Wer diesen Blog liest, der meint natürlich, dich ein wenig zu kennen. Teilweise ist das ja auch so. Bloß dann, dann wird man das Gefühl nicht los, in Schubladen gesteckt zu werden und man sehnt sich danach, der Welt da draußen zeigen zu können, wer man wirklich ist, oder eher: Was noch so im Kopf rumschwirrt, was bewegt oder eben auch nicht. Plötzlich fotografiert man Plattencover um der Welt zu zeigen: Hallo, hier, ich hab nicht nur Mode im Kopf, ich mag auch Musik, wirklich! Das Problem ist nur, dass es kein Ende nimmt. Denn sobald das Bild online ist, denkt man doch wieder, man hätte ja noch so viel zu erzählen. Dass man mal eine Band hatte und nicht nur Platten kauft, weil’s cool ist. Doch das erfährt niemand. Man baut also schon wieder nur an einem unwirklichen Konstrukt, wenn auch nicht bewusst. Und läuft Gefahr, dass sich beim fremden Betrachter ein weiteres falsches Bild zur eigenen Person im Kopf manifestiert. Man muss also ziemlich vorsichtig sein, mit dem was man teilt. Oder eben einfach tun und lassen, wonach das Gemüt gerade verlangt, ganz ungeachtet dessen, was werauchimmer davon halten könnte.
Das klingt jetzt alles äußerst abschreckend, ist es aber nicht. Denn auch hier gilt: Instagram ist, was du selbst draus machst. Im besten Fall ein digitales Poesiealbum oder schlicht und ergreifend eine praktische Alternative zur schweren Kamera.