Die Sache mit der Einsicht, die meist zu spät kommt.

09.08.2012 Allgemein, Leben

Mit dem Gesicht in die Matratze gedrückt liegst du auf dem Bett, die Arme und Beine weit ausgestreckt. Fünf Minuten lang, zehn, dann 15. Nichts passiert. Kein wirkliches Gefühl, nur dieser beschissene Druck auf der Brust, der dich bald zum Platzen bringt. Und Lethargie. Dir dämmert, wie sie sich fühlen müssen, die Irren. Jetzt schweben können und abheben, damit alles ganz leicht wird. Aussichtslos, denn dein Hirn ist tausend Tonnen schwer. Wie eine Bleiente kriechst du ins Bad, um der Realität ins zerknautschte Gesicht zu blicken. Hallo, du. Alles wird gut, irgendwann.

Seit ein paar Tagen fühlst du dich wie dein eigener Geist, der irgendwo an der Decke hängt, um dreckig lachend mit dem Finger auf dich zu zeigen. Jeder deiner Fehler brennt sich langsam ins Bewusstsein, vertreibt den Nebel, der so lange jedes Gefühl betäubt und dir die Sicht auf das versperrt hat, was man Wirklichkeit nennt. Aufwachen aus dem Schockzustand, begreifen, was passiert ist. Die Einsicht kommt immer, aber meistens zu spät.

Mach kaputt, was dich kaputt macht, heißt es. Und daran hast du dich gehalten. Aber Regeln sind zum Brechen da, weißt du noch? Statt zu kämpfen, bist du fort gerannt, statt zu Lieben hast du kapituliert. Vor der Herausforderung und der Versuchung. Der einfache Weg ist nie der bessere, bloß der schnellste. Und du schaust nach vorne statt zurück. Die Zukunft beschwören, nicht in Erinnerungen ertrinken – Vorsätze, die an kläglichen Versuchen scheitern, immer, wenn das Denken einsetzt. Denn jede Mauer stürzt irgendwann ein unter zu viel Last. Das was übrig bleibt, ist das rohe Fundament, das Fangbecken, in dem Gefühle wie tote Fische an der Oberfläche schwimmen. Reanimation. Und plötzlich regnet es Heftzwecken aus verdrängten Gefühlen, die sich kribbelnd in deinen Körper bohren und dich zusammen zucken lassen, bei jedem Schritt.

Es muss anders werden, damit es besser wird, haben sie damals gesagt. Aber wie, das wusste niemand. Schlaue Worte noch schlauerer Menschen hallen in der Leere deines Schädels bloß noch nach wie leise Echos. Wie kleine Fliegen setzen sie sich in dein Ohr und schlagen mit kleinen, fiesen Flügeln im Stundentakt auf dich ein. Verdrängen ist leichter als Ertragen. Aber mit Sicherheit nicht gesünder für den Kopf, der ab sofort durchdreht und überhaupt nichts mehr schafft.

Es ist die Sucht nach Mehr, nach dem Ultimativen, der Drang bis an deine Grenzen zu gehen, der dich immer wieder in die entgegengesetzte Richtung stößt, dieselben Fehler hervor beschwört, dich in die falschen Arme treibt. Weil die richtigen begriffen haben, dass du nicht reif warst für etwas Großes. Und so sehr wussten, dass du dich im Irrgarten der Möglichkeiten verrennen und dabei nicht nur euch verlieren würdest, sondern auch dich selbst. Erinnerungen löschen, das Jetzt genießen. Schnell vergessen, langsam erholen, nicht nachdenken, nicht trauern. Neue Arme, die dir vorgaukeln, dich zu fangen, wenn du fällst. Aber nichts von dem ist real, bei keinem von euch beiden. Verlorene Kinder im Strudel der Erwartungen, aber keine Rettung in Sicht. Wenn du dich dem Abgrund näherst, ballt er Fäuste, statt nach dir zu greifen, wenn er taumelt, wendest du dich ab. Nur dann, wenn das Wasser keine Wellen schlägt, dann träumt ihr euch auf eure Insel und vergesst für einen Augenblick, dass ihr eigentlich nicht hierher gehört. Dass ihr ihr lieber woanders wärt. Da, wo euer Herz ist, wenn die Musik irgendwann leiser wird euch nichts bleibt als die Dunkelheit und und die Zweifel und die Erkenntnis, dass ihr euch selbst betrügt.

Manchmal gibt es kein Zurück, weil die Vergangenheit die Gegenwart mit Fäusten schlägt, immer wieder, weil Vergeben schwer ist und Vergessen unmöglich. Weil Wunden nur ganz langsam heilen. Und alles, was du tun kannst, ist nichts.

Nichts bereuen, denn was geschieht, wird vorangetrieben durch Gründe. Gründe, die heute zum Handeln führen, morgen zum Denken und irgendwann zur Einsicht, zur Veränderung. Denn die braucht es, um wieder nach der Hand greifen zu können, die dich hält, wenn du fällst, bedingungslos. Und die deinen Kopf streichelt, wenn du dein Gesicht feste in die Matratze drückst und alle Viere von dir streckst.

Mehr Texte zum Thema „Leben“ findet ihr hier.

16 Kommentare

  1. maike

    ich versteh die intention. aber ich muss suszie ein bisschen recht geben. das haben aber alle deine texte ein bisschen gemein: sie sind zu schnulzig, als dass man sie als wirklich gut bezeichnen könnte. natürlich kommt jetzt gleich ein aufschrei aller 19: NEIN! DER IST ZAUBERHAFT SCHÖN ALLERLIEBST!BLABLA – weil sie sich selbst darin erkennen. das ist aber nicht schwer – achtung, hier mein versuch:
    „die frische luft einer durch den ersten sommerregen durchtränkten nacht und der klang von tropfen, die auf das zelt fallen während wir uns in den armen liegen, das ist glück.“
    das ist ziemlich kitschig, aber die mehrheit wird schreien: JA!KENN ICH!GENAU SO!

    ich würde an deiner stelle versuchen weniger floskeln zu benutzen. weniger verschnörkelt. wie suszie schreibt: „Manchmal ist ein simples: “ich bin für dich da” wirkungsvoller.“ das denk ich auch – zumindest ist es besser als diese großen, bedeutungsschwangeren sätze.
    ich glaube, da könnte noch viel besseres von dir kommen.

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  2. Renate

    Also ich weiß ja nicht wie alt ihr seid ( maike und suszie) ? ich kann für mich sprechen, dass ich sehr sehr weit aus dem teeniealter raus bin 🙂 und ich kann für meine person sprechen, dass ich den text sehr sehr schön finde. dieses „verpönen“ von solchen texten ist auch eine alterssache und iwann kommt man WIEDER in das alter wo man eben solche texte sehr schön findet.
    also nochmal: ich bin der meinung, dass das ein sehr sehr schöner text ist. 😀

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  3. Gold Marie via Facebook

    „mach kaputt, was dich kaputt macht“: ein trügerischer gedanke, der glück vorgauckelt, wenn man sich an einem cocktail aus liebe, hass, wut und enttäuschung verschluckt hat. doch obgleich rache üben oder wunden lecken – es sind die stigmata gekränkten stolzes. denn eines gilt immer: nur wer die kontrolle über sich selbst hat, kann den zustand völliger kontrolllosigkeit genießen. nur wer seine grenzen kennt, kann sie bis zur grenzenlosigkeit ausloten.

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  4. Katharina Hermann via Facebook

    nike, deine texte müssen raus in die welt. noch weiter. bitte pack sie zusammen, und mach ein buch daraus. vermisse den großen tisch an dem wir sitzen und mit unserem papa linke stundenlang über solche wunderbaren texte sprechen.

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  5. Pauline

    Nike, ich weiß, dass du deine Texte hier selbst immer so „blumig“ findest, wie du sagst. Aber das sind die Texte, die einfach so aus dir rausgesprudelt kommen und über die du nicht ein mal nachdenken musst. Vergiss das nicht. Und genau so berühren sie mich! Sogar so, dass ich immer Pipi in den Augen habe.

    Das beste ist doch, dass du auch anders kannst, aber manchmal einfach nicht willst. Genieß die Freiheit und vor allem – lass sie dir nicht nehmen!

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  6. tessa

    ich finde das Thema sehr spannend und deinen Text auch prinzipiell gut, aber so
    vollkommenes Wohlwollen konnte sich angesichts sehr vieler sehr bekannter Phrasen und Metaphern
    nicht einstellen, da diese auch zu sehr springen und für mich zu wenig Bezüge untereinander haben.
    Aber das ist auch nur der Versuch mit konstruktiver Kritik einen schon tollen Text zu beurteilen.

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  7. Nike Jane Artikelautorin

    Liebe Tessa, liebe Meike, danke für die konstruktive Kritik! Tatsächlich kam das alles einfach rausgeflutscht gestern Abend und nach erneutem Durchlesen gebe ich euch voll und ganz recht!
    Beim nächsten Mal, versuch‘ ich gelöster zu sein. Und vielleicht wirklich mal weniger blumig.
    Danke und tschacka!
    (:

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  8. Lena

    „Verlorene Kinder im Strudel der Erwartungen, aber keine Rettung in Sicht..“..

    ich hab mir den Text jetzt einmal flüchtig durchgelesen, dann einzelne Passagen nochmal intensiver.. folgende Frage ist völlig ernst gemeint und soll 0 gemein sein:

    Ich verstehe 0 worum es bei dem TExt geht. Überhaupt nicht. Nada Niente 😉

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