„Also ich persönlich finde die Ironie entzückend, dass gerade ihr „Dinge“-Menschen („wie seh ich aus? was zieh ich an? was hat der andere an?“) Erich Fromm zitiert. Just sayin´.“
Im Prinzip war es dieser nette Kommentar auf unserer Facebookseite, der mein persönliches Fass voller Skepsis gegenüber dem, was wir hier tun, zum Überlaufen gebracht hat. Und jetzt frage ich mich ernsthaft: Fühle ich mich gerade bloß so sehr zwischen den Stühlen gefangen, weil mein Inneres nach einem Wandel verlangt, oder bin ich vielleicht fremd bestimmt? Denn gäbe es all dieses Schubladendenken bezüglich jener Menschen, die „irgendwas mit Mode“ machen, nicht, würde ich das Privileg, dass mich während der Arbeit bloß schöne Dinge umgeben, eventuell sogar genießen können. L’enfer c’est les autres, sage ich mir in solchen Momenten immer und immer wieder (und entschuldige mich zeitgleich bei der gewitzen Verfasserin des Kommentars dort oben für die gnadenlose Dreistigkeit, als hohle Modefrucht Sartre zu zitieren).
Ich könnte jetzt natürlich weinerliche Hassparolen auf die verkorkste Modewelt verfassen, denn natürlich krallen sich auch in meiner Kehle nicht selten Kotzbröckchen in der Größe von Tennisbällen fest. Manchmal finde ich das alles rundum scheiße. Ich rufe dann meine Freunde an, die wider erwarten nicht allesamt der Bloggerfraktion zuzuordnen sind und fluche die komplette Bude zusammen. Ein bisschen neidisch bin ich währenddessen auch, auf von der Gesellschaft akzeptierte und angesehene Berufe und ein Leben ohne Acne, Wood Wood und Stilfindungsprobleme. Und dann weigere ich mich wieder dagegen, mir die Wahl meines Berufes von Zweiten, Dritten, aber vor allem Fremden, versauen zu lassen. Wer denkt, wir Modemädchen läsen bloß Modemagazine und hätten auch sonst nichts anderes im Sinn, der ist vielleicht selbst ein klein wenig auf den Kopf gefallen, um es gelinde auszudrücken.
Gerade in schlaflosen Phasen (denn nein, wir machen hier als Nicht-Nur-Blogger das Gegenteil von Halli Galli, wir arbeiten wirklich), bin natürlich auch ich geneigt auf mein Leben vor genau einem Jahr zurück zu blicken, ich nehme mir nämlich natürlich zu Herzen, was die Leute über mich reden, jedenfalls manchmal. War ich ohne das hier ein glücklicherer Mensch? Hin und wieder beantworte ich die Frage mit „Ja“ (vor allem dann, wenn ich selbst auf Modemenschen treffe, dich ich als ziemlich zum Davonlaufen und gruselig blöd empfinde). Manchmal vergesse ich dann, mich an die schönen Dinge zu erinnern, die mir auf meinem Weg als Modemädchen bisher begegnet sind. Manchmal wünschte ich sogar, ich hätte das mit dem Medizinstudium durchgezogen, statt gegen meine Familie zu rebellieren und bunter Hund zu spielen, manchmal bin ich kurz davor, mich selbst zu verfluchen. Heute wünsche ich mir zwar keinen Arztkittel herbei, aber Kindergärtnerin sein, das könnte ich mir zum Beispiel gut vorstellen. Was ich wirklich will, das weiß ich nicht. Wahrscheinlich bin ich mit meinen 24 Jahren auch einfach zu jung, das beurteilen zu können. „Einfach genießen“ lautete die richtige Antwort auf all die Verwirrung. Und „treiben lassen“. (Achja, und auf Vorurteile konsequent mit „total ignore“ reagieren) Denn die Dinge kommen so oder so immer anders als man denkt. Das hier habe ich mir selbst ausgesucht, also werde ich auch selbst herausfinden müssen, ob es das Richtige für mich ist. Wer nie zweifelt, der ist wahrscheinlich auch schon längst versteinert. Auch keine schöne Vorstellung.
Abgesehen davon, dass ich mir wünsche, Menschen, vor allem Kommentartoren, würden mir ab und an mit ein klein wenig mehr Respekt gegenüber treten, statt mir Hirnlosigkeit zu unterstellen, um am Ende doch wieder heimlich meine Texte zu durchforsten, gibt es doch ein paar Kleinigkeiten, die sich bis zum Erlangen der Weisheit dringend ändern müssen. Der Konsumwahn muss besiegt werden, ganz ehrlich. Sonst verliere ich vielleicht schon morgen die Freude an der Mode, die ich doch eigentlich so sehr liebe.
Rückblick. Zwei Jahre zuvor, genau um diese Zeit, da teilte ich mir mit meiner größten Liebe, einem Jungen nämlich, ein einziges WG Zimmer, in einer Wohnung mit tollsten Freunden. Mitten auf der Sonnenallee in Neukölln. Ich hatte weder Geld, noch Probleme. Alles was zählte war nämlich, dass wir einander hatten und gleichzeitig hielt ich an meinem Traum fest, irgendwann so richtig Fuß fassen zu können mit dem, was ich mache.
Jetzt, 24 Monate später, lebe ich von dem, was ich mache, der Junge ist futsch und ich wohne in einer schönen Altbauwohnung irgendwo im Bergmannkiez, Kreuzberg. Da stehen Eames Stühle, da hängt ein Bild von Superblast, in meinem Kleiderschrank flirten Stine Goya, Wood Wood und Kenzo miteinander. Manchmal bin ich natürlich ganz verzückt von alldem, aber meist ist es schon dunkel, wenn ich Heim komme und dann bringt mir der hübsche Anblick auch nur noch recht wenig. Im Prinzip hat dieser Lebenswandel nur einen guten Nebeneffekt: Wenn man alleine wohnt, dann klingeln ständig Freunde an der Tür, weil quasi immer Sturmfrei ist. Und dann kommt aber wieder die eigene Erklärung für diese Wahl bezüglich des eigenen Lebensstils: Wenn man sich auf dem Zahnfleisch durch’s Studium gerobbt und dann für lange Zeit am unteren Budget-Limit gelebt hat, dann freut man sich natürlich doppelt über hart erkämpfte Erfolge und genießt es, nicht mehr jeden Pfennig hundertfach umdrehen zu müssen, sondern nur noch zehnfach. Man tendiert zur Erfüllung materieller Wünsche, und das mehr denn je. Und dann geschieht irgendwann das, was jetzt gerade mit mir geschieht: Man erkennt, dass es darum nicht gehen kann. Natürlich schon ein klein wenig, aber eben nicht ausschließlich. Brenzlig wird es jedenfalls dann, wenn man sich im Monat drei neue Pullis kauft und im nächsten schon wieder meint, man würde ja kein einziges hübsches Exemplar besitzen. Dabei weiß ich, dass ich auch in einem Baumhaus ohne fließend Wasser sehr glücklich sein könnte.
Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber in diesem Moment schiebe ich kurz die harte Schale beiseite und rede tacheles: Statt Altes immer wieder neu zu kombinieren, mache ich mir selbst den Druck, unseren Lesern ständig etwas Neues präsentieren zu können. Dabei orientiere ich mich natürlich auch an dem, was modisch so geschieht, aber Trends kommen und gehen und deshalb macht das eigentlich überhaupt keinen Sinn. Man muss sich selbst finden. Und wenn man sich gefunden hat, dann braucht man auch gar nicht mehr eine Trillionen Neuzugänge im Schrank. Dann stellt sich irgendwann so etwas wie Zufriedenheit ein. Was nicht bedeutet, dass man dann dem Shopping komplett abdankt, aber Käufe werden durchaus bewusster getätigt. Es gilt also, an diesen Punkt zu gelangen – und das geht nur mit ein bisschen mehr Gelassenheit.
Mir ist es nämlich egal, wie ich am Montagmorgen aus der Haustüre raus schlurfe. Ich gehe schließlich, wie sicher viele von euch, einfach nur zur Arbeit. Nur, weil diese sich um Mode dreht, muss ich selbst doch aber nicht immer aussehen wie frisch vom Laufsteg gehüpft (jedenfalls nicht, solange ich noch mein eigener Boss bin). Was nicht heißt, dass ich zwingend aussehe möchte wie ein Penner. Nein, aber einfach nur wie ich selbst. Es kotzt mich an, dass ich dieses „Haben-Wollen-Gefühl“ empfinde, wenn ich den neuesten Parka mit pinker Kapuze von Acne bestaune, echt wahr, das erzeugt beinahe Selbsthass – ein „Herrje wie schön-Jauchzen“ wäre doch durchaus ausreichend. Alles andere macht doof im Kopf. Ich teile meine Freude an den schönen Dingen des Lebens gern mit euch, ich schreibe gerne über diese Dinge, aber ich bin heilfroh, dass mein Gehirn trotzdem noch am richtigen Fleck sitzt. Was Kritiker und fesche Hater gern vergessen: Wer sich wirklich mit Mode auseinander setzen will, der ist auf den Rundumblick angewiesen. Der muss sich mindestens genau so für die Gesellschaft, in der wir uns bewegen, interessieren, wie für die kommenden Laufstegtrends, der muss lesen, lesen, lesen, Kunst anschauen, Politik diskutieren, Musik hören, undundund. Ein Frontrowplatz bei der Fashion Week Berlin reicht da nicht aus. Was ich übrigens noch mehr hasse: Das ich das immer und immer wieder erklären muss (und hier wären wir wieder beim Ursprungsproblem angelangt).
Und was mache ich jetzt mit meiner kleinen Sinnkrise? Durchstehen (und von der Seele schreiben). Denn wenn diese Welt eins ist, dann ziemlich rasant. Nächste Woche passiert vielleicht wieder irgendetwas, dass mich denken lässt „Ich liebe Mode, dieses kleine garstige Ding“. Und sollte dem nicht der Fall sein, auch nicht schlimm. Ich bin schließlich erst 24.