Ein Gedankengang zum Feminismus mit Titten, oder: Was haltet ihr vom Feminismus?

26.09.2012 Feminismus, Allgemein, Leben

Das hier geht raus an die Girls, na klar. Und mir schwant dabei irgendwie nichts Gutes. Ich sehe bereits beide Seiten verbal auf mich einprügeln, die klar feministische und die, die dagegen ist. Wer sich öffentlich auf diese Thematik einlässt, der muss sich warm anziehen. So scheint es zumindest. Ein typischer Fall von „wie man’s macht, macht man’s falsch.“ Vielleicht ging bis zu diesem Eintrag deshalb so viel Zeit ins Land. Entweder man ist den Feministinnen nicht feministisch genug (in diesem Fall stößt man sich zum Beispiel am nicht-vorhandenen Gender-Gap oder fehlenden, weiblichen Endungen), oder aber man wird von einer Gruppe schubladendenkender Anti-Feministinnen angefeindet, die es sich in einer vermeintlich gerechten Gegenwart gemütlich gemacht haben und lieber auf die Taten ihrer Urgroßmütter verweisen, als sich selbt das Hirn über den heutigen Ist-Zustand zu verknoten.

Der wiederum ist bei genauerem Hinsehen nämlich nicht so knusper wie man stets zu vermuten tendiert. Es ist bloß so: Viele von uns bekommen das noch immer existierende Ungleichgewicht zwischen Männlein und Weiblein gar nicht erst mit, meist, weil der eigene Lebensstil ein geschicktes Vorbeischlängeln an etwaigen Missständen ermöglicht. An dieser Stelle möchte ich mich nicht in Fakten verrennen oder euch mit „Beweisen“ vollballern, um am Ende vom Sinn und Zweck des Feminismus überzeugen zu können – Viel wichtiger erscheint mir zunächst die bloße Erinnerung an eine ziemlich große Sache. An etwas, das im Grunde für jeden von uns von Interesse sein sollte. Nennen wir es meinetwegen GIRL POWER.

Und hier gelangen wir auch schon zum nächsten Punkt, oder eher: Zum abschreckendsten. Denn beim bloßen Aussprechen des Wortes FEMINISMUS explodiert in nicht wenigen Köpfen eine gigantische Bombe – zusammengesetzt aus stereotypen Sichtweisen, Bildern von Achselhaar oder Mademoiselle Peaches, wie sich auf der Musical-Bühne einen Plastikpenis umschnallt, von unattraktiven Politikerinnen, von der grausamen Alice Schwarzer und richtig fiesen Männerhasserinnen. Aber wenn die es nicht tun, das radikale Aufmerksammachen, wer dann?

Mir ist nun wichtig zu verdeutlichen, dass ich beim allem, was ich hier rede, noch eine Menge lernen muss. Soll bedeuten: Meine Meinung ist keinesfalls das Nonplusultra. Und doch möchte ich meine zerstückelten Gedanken kurz mit euch teilen, in der Hoffnung, auf Anregung zu stoßen und weitere Betrachtungsweisen. Denn meine eigene Einstellung zum Feminismus ist ziemlich wirr und lückenhaft. Obgleich ich mich inzwischen sogar manchmal selbst als Feministin bezeichne. Diese Erkenntnis kam mit allerdings erst mit 24 Jahren.

Rückblick: „Feministinnen sind hässlich, deshalb sind sie ja Feministinnen.“ „Feministinnen regen sich über freizügige H&M Plakate und die Abwertung der Frau zum Lustobjekt auf? Fein, wohlmöglich, weil sie erkennen mussten, selbst niemals ein Lustobjekt sein zu können, weil kein Mann je nach ihrer Telefonnummer gefragt hat, der es wert gewesen wäre, sich das Hirn aus dem Leib vögeln zu lassen.“ „Feministinnen haben grundsätzlich erst einmal Minderwertigkeitskomplexe – und da liegt der Mann als Hassobjekt ja nahe.“ „Feministinnen gehen mir tierisch auf den Sack.“ Undsoweiterundsofort. Alles schon gehört, vieles davon eventuell selbst gesagt. Bis zu diesem einen Nachmittag. Auf dem Küchentisch meiner Oma lag eine Zeitung, der Titel: „Karrierefrauen von Heute“. Ich frage sie also: „Oma, bist du eine Karrierefrau?“ Alles, was sie darauf antwortet, ist: „Ich hatte das Glück, für mich selbst entscheiden zu dürfen. Ich habe studieren können, in vier unterschiedlichen Städten, das war damals nicht selbstverständlich. Aber dass man heute noch den Begriff „Karrierefrau“ benutzt, das macht mich fast wütend. Impliziert das nicht, dass eine erfolgreiche Frau noch immer etwas Besonderes ist? Gibt es das Wort „Karrieremann“? Nein. Kind, ihr habt aufgehört, zu kämpfen.

Man könnte also sagen: Omi hat den Hebel in meinem Kopf in einer einzigen Minute umgelegt. Denn sie hat verdammt noch mal recht. Und das, obwohl ich selbst mich keinesfalls durch die Männerwelt bedroht fühle. Ich vergöttere Männer, manchmal mehr als mir lieb ist, nein, eigentlich immer. Und ich bin so sehr Mädchen wie man nur Mädchen sein kann – daran rüttelt auch meine Goldmedaille im Kommando-Rülpsen nicht. Hin und wieder würde ich sogar so weit gehen, zu behaupten, dass ich Männer teilweise schlechter behandle, als das anders herum der Fall ist – sofern man denn in Schubladen denkt. Hätte ich einen Penis, man würde mir einen ziemlich hohen Testosteron-Gehalt attestieren. Ich wackle außerdem gern mit dem Hintern, wenn gute Musik durch meinen Körper schwappt, ich klimpere gern mit den Augen und wirke dann und wann sogar hilflos. All das geschieht jedoch mehr oder weniger mit Absicht. Ich bin mir, sofern kein Rotwein involviert ist, über mein Handeln im Klaren. Darüber, dass ich mich manchmal freiwillig in die Rolle des zu beschützenden Rehwilds begebe, satt mit Fäusten gegen Blicke seitens der Herren zu kämpfen, darüber, dass ich mit kurzen Röcken sogar sexy sein kann. Aber ich bin verdammt noch mal eine stolze Frau und, so glaube ich, auch eine ziemlich starke. Ich entscheide selbst, in welche Rolle ich schlüpfe. Und genau hier liegt für mich der Sinn des modernen Feminismus verborgen. Des Feminismus bei dem jeder mitmachen kann.

Ich nenne ihn(!) lapidar „Feminismus mit Titten„. Denn ich halte nichts von Rollkragen-Pflicht und sinnfreien Hassparolen gegen Anzugträger, die noch immer meinen, die Frau gehöre hinter den Herd. Mit denen habe ich bloß Mitleid. Für mich geht es nicht darum, den Vater zwangsläufig in Elternurlaub schicken zu müssen, der eigenen Selbstverwirklichung wegen. Sondern um eine Gleichberechtigung, die nicht bloß auf dem Papier besteht. Es geht darum, dass wir unseren Weg gehen können, welcher auch immer das sein mag, ohne Stolpersteine. Du willst Hausfrau und Mutter werden? Wieso nicht. Manch einer fühlt sich eben im klassischen Rollenbild wohl. Aber dann sollte das Zuhausebleiben ebenso viel Wertschätzung finden wie das nächtelange Ackern im 14. Stock der Business-Wolkenkratzer. Alles, was du willst, ist erfolgreich sein, viel arbeiten und ab und an vögeln? Viel Spaß dabei. Vielleicht willst du auch alles unter einen Hut bekommen? Go for it.

Solange es aber überhaupt so etwas wie eine „Frauenquote“ gibt, sind wir noch weit entfernt von einer Realität, in der Männern und Frauen tatsächlich die gleichen Türen offen stehen und zwar ganz ohne Unterschiede in der Behandlung, ohne Nach- und Vorteile (und ja, ich schließe die Männer deshalb nicht aus, weil das Ausleben der feminine Seite, sofern sie denn existiert, noch immer keine Selbstverständlichkeit ist). Das ist quasi das „Karrierefrauen-Prinzip“. Solang es einen Begriff für „so etwas“ gibt, sind wir noch nicht beim Zustand der totalen Selbstverständlichkeit angelangt (und das liegt durchaus auch uns Frauen selbst – Stichwort: Bitch Fight). Es gibt sie, diese Unterschiede. Nicht alle sind böse, aber viele ärgerlich. Das vergessen wir bloß ziemlich gern. Weil’s ja irgendwie auch bequem ist, wenn immer nur die anderen meckern.

Ich glaube, ich muss euch nicht erzählen, dass wir ohne unsere Großmütter und Urgroßmütter nicht wählen dürften. Dass wir keine Hosen tragen würden und Universitäten bloß aus der Ferne betrachten könnten. Dass Abtreibung illegal wäre und wir unsere Männer um Erlaubnis bitten müssten, wenn wir Lust auf ein Kaffeekränzchen hätten und so weiter und so fort. Das Ding ist bloß: Wenn wir uns jetzt auf der faulen Haut ausruhen, dann machen wir keinen einzigen Schritt mehr nach vorn. Und nichts ist schlimmer als Stillstand.

Wer sich fragt, wieso man sich denn Zwangsläufig einer Gruppe zugehörig fühlen muss, dem lege ich eine Antwort auf meine Frage bezüglich dieser Thematik in einem Blogger-Forum ans Herz: „Weil es das zwischenmenschliche Agieren erleichtert, wenn man Dinge, Menschen, Einstellung etc unter einem Begriff zusammen fassen kann und man Gleichgesinnte schneller findet.“ Hallo, hier sind wir nun. Wir lieben unsere Brüste, aber auch unsere Freiheit und all die Möglichkeiten. Am Limit sind wir aber noch längst nicht angelangt. Was uns gut tun würde: GIRL POWER.

25 Kommentare

  1. maja

    Zwischen „Emanze“ und „Feminismus ist mir egal“ gibt es ja sehr viele Stufen, ich finde jeder muss seinen eigenen Weg einschlagen, aber dafür ist hin und wieder eine ordentlicher Tritt in den A… nötig (hier ein Anstoß sein Gehirn selbstständig zu benutzen), also Danke für den Hinweis.
    Ich persönlich versuche diese Debatte zu umgehen, indem ich nur eine Kategorie verwende „Mensch“, dabei versuche ich Geschlecht, Konfession, Hautfarbe, Alter usw. auszublenden. Klappt natürlich nicht immer. (Und es ändert natürlich nichts daran wie ich als Frau behandelt werde.)
    Mir ist klar, dass es die Probleme in der Feminsmus-Debatte nicht lösen wird und natürlich schlage ich als Frau so manchem Mann manchmal ein Brett vor den Kopf, aber letztendlich muss sich jeder auf jeden einstellen, erst dann wird soziales Leben möglich.
    Es gilt: WACH BLEIBEN UND DEN EIGENEN KOPF BENUTZEN!

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  2. kate

    Erstmal muss ich sagen, dass ich beim Lesen dieses Blogs immer wieder schmunzeln muss, da ich einfach feststelle dass ich in einer komplett anderen Welt lebe wie ihr beiden. Und das meine ich komplett urteilsfrei.

    Ich bin hip/cool/voll im trend, würde mich nie als Modemädchen bezeichnen, liebe trotzdem Mode, bin in Süddeutschland aufgewachen und wohne und arbeite jetzt mitten im Ruhrgebiet. Meine Mentalität und mein Umfeld ist einfach anders. Und ich bin Maschinenbauingenieurin.

    Ich kenne zweifelnde Blicke, nackte Tatsachen, die an die Wand projeziert werden während die männlichen Kollegen beobachten wie man reagiert und Männer, die einen nach 5 Jahren Berufserfahrung immernoch anderen als die neue Azubine vorstellen. Trotzdem finde ich eine Frauenquote lächerlich, denn nicht nur im Beruf lassen sich Frauen leider allzu oft in eine Rolle drängen. Für meine Begriffe sind sie aber selber Schuld. Deine und unsere Omis haben uns die Weichen gestellt und trotzdem machen viele nichts daraus.
    Ich finde die Entwicklung der Gesellschaft geht in diesem Punkt zurück. Nicht in dem Sinn dass einem Steine in den Weg gelegt werden, sondern dass das Leben viel zu bequem ist um auszubrechen und voranzupreschen.

    Es gibt die Elternzeit auch für Männer, doch die Kollegen nehmen sich vielleicht einen Monat während die Mütter ihren Job aufgeben. Ich liebe Mode, aber modisch angezogene Frauen gerade in einem technischen Beruf werden selten für voll genommen. Mädels lernen bei der Mama meist schon wie man Wäsche wascht und den Haushalt schmeißt, wogegen mein 32 jähriger WG-Mitbewohner es geschafft hat seinen ersten Wischmopp mit 30 Jahren in der Hand halten zu müssen. Mein andere Mitbewohner betitelte mich schon als Rabenfreundin, als ich nicht bereit war für meinen Exfreund etwas zu kochen als er Hunger hatte während er kurz bei mir vorbeischaute. Dagegen rolle ich jedesmal die Augen, wenn seine Freundin zu ihm kommt um seine Wäsche zu bügeln.

    Das waren leider nur einige Beispiele aus meinem Umfeld und bei dieser Entwicklung kann ich auch mehr als gut verstehen, dass gerade erfolgreiche Frauen meist single sind, denn für sie wurde der Blick in der Gesellschaft nicht weit genug geändert.

    Meine subjektive Erfahrung ist wahrscheinlich super engstirnig auf meinen kleinen Kosmos bezogen, aber ich verstehe meist beide nicht: Die Frauen, die freiwillig nach 2 Wochen Beziehung die Wäsche ihres Freundes bügeln. Und ebensowenig die Männer, die außerhalb ihres Berufs keine Selbstständigkeit anstreben. Trotzdem soll jeder machen, was er mag. Man darf sich dann nur nicht beschweren, dass immernoch keine Gleichberechtigung herrscht.

    Ich fühle mich keiner Gruppe zugehörig, wieso auch? Ich kenne die Zustände von früher nicht. Ich weiß nicht wie es sich damals angefühlt hat eine Frau zu sein. Ich weiß nur wie es sich heute anfühlt. Und ich habe nicht das Gefühl „kämpfen“ zu müssen. Egal ob mit oder ohne Titten. Geht es heutzutage nicht ganz banal einfach „nur“ noch um die Umsetzung?

    Und dafür ist jeder selbst verantwortlich.

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  3. kate

    Memo an mich selbst: Durchlesen vor dem abschicken…

    4. Zeile sollte so lauten…

    „Ich bin NICHT hip/cool/voll im trend,…“

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  4. Rahel

    Einhörner und Bier, das ist schon lange mein Motto 🙂
    Wir hatten neulich in der Uni ne spontane Feminismusdebatte – ein Mädchen meinte doch tatsächlich, hohe Schuhe und Feminismus, das passe nicht zusammen. Ich hätte ihr gerne auf ihre Stoffschuhe gebrochen. Da sind wir doch wieder in den 70ern mit lila Latzhosen angelangt! Die Power-Karrierefrauen der 80er (oder von heute) sind aber eben auch nicht das Lösung des Problems, da stimme ich dir zu. Jeder darf Kuchen backen, wenn er das gerne tut – die Männer, ohne als schwul abgestempelt zu werden, die Frauen, ohne direkt das Heimchen hinterm Herd sein zu müssen. Go grrrl!

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  5. Rahel

    Wie ich niemals die Wäsche meines Freundes bügeln würde! Und gekocht wird zusammen…er kann sich ein Brot schmieren, wenn er Hunger hat, und damit hat er auch kein Problem. Die Mütter erziehen sich ihre Paschas schon selbst und manche Freundinnen offenbar ebenso. Das ist dann aber das Problem dieser Frauen und ebenda muss mal ein Umdenken stattfinden. Oder der gepflegte Tritt in den Arsch von Seiten anderer Frauen, dass das so nicht sein muss.

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  6. Liese

    „Ich bin hip/cool/voll im trend, würde mich nie als Modemädchen bezeichnen“

    Ist aber auch eine zu lustigeAussage gewesen 🙂

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  7. Annemari

    Sehr schöner Artikel. Die unterschiedlichen Aspekte sehr gut beleuchtet.

    Die früheren Generationen, die uns die Rechte erkämpft haben, welche heute für uns selbstverständlich sind – und die heute von eben diesen Nutznießerinnen als „Emanzen“ (das ist heutzutage ein Schimpfwort) betitelt werden. Ja, Stillstand bedeutet möglicherweise Rückschritt. Solange es einer „Frauenquote“ in Unternehmen bedarf, solange sind wir noch nicht wirklich bei der Gleichberechtigung angelangt.

    Andererseits vergleicht man unsere Kultur z.B. mit der muslimischen, dann sind dir doch schon sehr weit in Punkto Gleichberechtigung. Ich habe kürzlich ein Werbefilmchen aus den – ich glaube – 50 er Jahren gesehen, was mich wirklich geschockt (allerdings auch amüsiert hat), sieht man sich DAS an, wird einem erst mal richtig bewusst, was die Frauenbewegung in den letzten 70 Jahren verändert hat:

    http://www.youtube.com/watch?v=r6OczveU0Xg

    (ein Beispiel für das „Frauenbild“ der 50er Jahre)

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  8. Nina

    aus meiner kann es nicht darum gehen, irgend jemandem zu unterstellen, dass er/sie frauen hinter dem herd sehen wollen (auch wenn es das gibt – aber es sich hierbei mit sicherheit nicht nur um anzuträger handelt) – sondern vielmehr darum, dass es einfach viele frauen gibt, denen es ab einem bestimmten zeitpunkt (z.B. der geburt des ersten kindes) nicht mehr so wichtig ist, wie sie ihre karriere verfolgen. entweder fehlt der wille, sich durchzusetzen oder es werden einfach andere prioritäten gesetzt – was ja vollkommen okay ist. in diesen fällen bringt eine quote aber sowieso nichts. gleichzeitig glaube ich aber auch, dass es nicht nur darum gehen kann, möglichst ‚power-mäßig‘ aufzutreten – sondern vielmehr in einer mischung aus können, charme und kommunikation seine stärken auszuspielen und sich nicht ‚unter wert‘ zu verkaufen, nur weil man vielleicht nicht gängigen klischees entspricht. ich arbeite im politikbetrieb und bin keine klassische ‚anzugträgerin‘ – klar bringt das manchmal die ein oder andere komische situation mit sich, wenn ich z.B. für die sekretärin gehalten werde. aber statt mich aufzuregen, kläre ich die situation auf. das wars. ich glaube, dass feminismus vor allem darin besteht, relativ entspannt mit sich und seiner umwelt umzugehen – aus meiner sicht ist dass das beste rezept, um türen zu öffnen und wirklich etwas am status quo zu ändern. und was den privaten bereich angeht, ist es aus meiner sicht am wichtigsten, einen partner zu treffen, der die eigenen vorstellungen von familie, karriere und der ganzen kombinierbarkeit teilt – um eine gleichberechtigte partnerschaft führen zu können (bzw. eine partnerschaft, in der beide glücklich sind und sich wiederfinden). also, ums zusammenzufassen: meine sicht auf den feminismus – mehr entspannung, auf die eigene stärke vertrauen und sich nicht kirre machen lassen.

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  9. Sebastian

    Viel weniger sollte es darum gehen, wie Frau oder Mann ihre/seine Sexualität auslebt, auch wenn es hier noch Nachholbedarf im lockeren Umgang damit geben könnte: Der Mann, der sich durch viele verschiedene Betten wühlt, wird wesentlich häufiger bewundernd betrachtet, als es eine Frau in gleicher Rolle zukäme. Umgekehrt wird sie sicherlich öfter negative Äußerungen zu einem solchen promiskuitiven Verhalten ernten, aber das alles spielt für mich nicht die Hauptrolle, da Sexualität (wenn man es nicht gerade anders möchte) doch eher im Privaten stattfindet und es gar nicht so oft andere Menschen erfahren (müssen).

    Viel wichtiger sind die Aufstiegschancen für Frauen in Unternehmen und Konzernen. Da entdeckt man das häufig auftretende Paradox, das junge Uni-Absolventinnen (oder auch noch zu ihrer Studienzeit) total euphorisch von der erreichten Gleichberechtigung sprechen und sich gegen eine Frauenquote aussprechen und theoretisch haben sie ja auch Recht dazu: Frauen machen in der Mehrzahl ihr Abitur und dies mit besseren Noten, sie gehen in größerer Zahl an die Universitäten und erreichen auch hier die besseren Abschlüsse. Was viele dieser jungen Frauen, die eben auch Karriere machen wollen, vergessen, ist die Tatsache, dass es in vielen Unternehmen eben doch die berühmte ‚gläserne Decke‘ gibt, an der Frauen eben hängen bleiben und von wo sie sich die Top-Jobs in Unternehmen bloß noch aus der Ferne und von unten ansehen können.
    Da kommt nun der zweite Teil des Paradoxons: Viele Frauen, die sich 10 und mehr Jahre in Betrieben & Unternehmen herum geschlagen haben und die ersten Jahre auch turnusgemäß befördert wurden, sind nun sehr viel mehr ‚Feministinnen‘ und wünschen sich eine Frauenquote.

    Ich kann es auch nicht mehr hören, dass dies dann dazu führen würde, dass schlechtere Kandidatinnen besser qualifizierten Männern vorgezogen würden. Viel eher ist es bis jetzt der Fall, dass es genau andersherum geschieht.
    Die skandinavischen Länder machen es vor und Schweden und Norwegen haben durch Quoten sehr, sehr viel erreicht und dort ist es mittlerweile einfach normal, dass Frauen Karriere und Familie haben.
    Und man darf auch gerne über das Anforderungsprofil eines TopManagers reden. Wenn es wirklich verlangt wird, dass ein Topmanager 60 und mehr Stunden pro Woche für sein Unternehmen arbeitet, wird es wenige Frauen geben, die dies mit Kind und Familie unter einen Hut bringen können. Hier benötigt es Entlastungen im familiären Bereich (auch Männer können Kinder erziehen) und vor allem auch eine Überarbeitung des Jobprofils. Warum können nicht auch zwei Manager diese Arbeiten erledigen. So lange für Führungskräfte gilt, dass sie mehr als 60h/ Woche arbeiten müssen, wird es wenige Frauen geben, die diese Aufgaben in Angriff nehmen wollen und so hält man sich die Frauen ebenfalls vom Leibe.

    Dazu kommt, dass es schlichtweg besser für Unternehmen wäre, wenn sie Frauen den Weg in höchste Positionen nicht verbauen würden. Unternehmen, die Vorstände mit signifikantem Frauenanteil haben, schlagen sich schlichtweg besser im Wettbewerb. Frauen bringen eine Art zu denken in ein Unternehmen und wer sich mal bei klarem Verstand länger als 5min mit einer Frau unterhalten hat, weiß dies auch ;-).

    Dies war ein Plädoyer eines Feministen für eine Frauenquote

    Und ein allerletztes an die Mädels: Hört auf euch gegenseitig im Weg zu stehen. Frauen jeden Alters können nämlich ganz schön zickig gegeneinander sein. Das ist beim Thema Sexualität schon nicht unwichtig (nicht bloß Männer sprechen abwertend über promiskuitive Frauen, sondern gerade auch andere Frauen) und auch im Berufsleben ist dies von entscheidender Bedeutung. Gegenseitiges Unterstützen macht einen selbst nicht schlechter, Männern machen das seit Hunderten von Jahren!

    —————————————————————————————————————
    Das habe ich bei Nike auf die Facebook Seite geschrieben, als sie dort diesen Artikel geteilt hat. Nach dem Lesen der Kommentare hier, denke ich leider, dass es einige Frauen doch zu entspannt sehen. Die Situation der Geschlechtergerechtigkeit ist sicherlich deutlich besser als vor 20, 30 oder 50 Jahren, aber sie ist doch weit ab von einem zufriedenstellenden Zustand. Es ist schon richtig, man muss nicht die höchsten Positionen anstreben, aber wenn man dies tut, darf man keinen Nachteil erhalten, weil man eine Frau ist!
    Ich bin auch nicht für einen verkrampften Feminismus und Alice Schwarzer treibt mir manchmal auch die Sorgenfalten auf die Stirn, eine Frau darf auch weiblich sein, sich schick machen und ja sich sogar mal in die starken Arme eines Mannes fallen lassen. Wer die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau verleugnen will, der kann das Problem nicht verstehen und lösen.
    ABER wir haben in Deutschland 11% weibliche Führungskräfte in Vorständen und Aufsichtsräten der Dax-Konzerne und dieser Anteil ist noch teilweise ‚erschwindelt‘ durch die relativ hohe Zahl in Aufsichtsräten (über die Besetzung der Arbeitnehmerplätze; Frauen können scheinbar in Gewerkschaften und Betriebsräten besser Karriere machen als im Rest des Unternehmens). In Vorständen sind es lächerliche 3%. Kein Mensch kann mir erzählen, dass derart wenige Frauen ‚an die Spitze wollen‘. Das ist eine himmelsschreiende Ungerechtigkeit und es ist zumindest schade, wenn nicht absolut traurig, dass die Frauen dagegen nicht schon lange aufgestanden sind!

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  10. Sebastian

    @Nina: Naja ich treffe zu oft Frauen, die mir sagen: Hey, die Lage der Frauen ist doch wirklich gut, ich darf alles machen was ich will und es ist weitaus besser als 1960. Und diese Dinge stimmen ja auch, aber deshalb den ‚Kampf für gleiche Behandlung‘ aufzugeben, halte ich für falsch. Was die Geschlechtergerechtigkeit angeht, sind wir in dieser Gesellschaft noch lange nicht am Ziel! Ich wünsche mir eine solche Gesellschaft, aber es ist schon abstrus, dass ich begeisternder von diesem Ziel spreche als viele Frauen, die es bei weitem mehr betrifft als mich. Das meine ich mit ‚zu entspannt‘!

    Also ‚entspannt Frau sein‘, aber ‚unentspannt‘ und energisch auf echte Gleichberechtigung in ALLEN Lebenslange pochen!

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  11. Nina

    okay, jetzt verstehe ich, was du meinst. und genauso sehe ich das auch. nur find ich halt leider, dass feminismus mit ‚unentspannter grundhaltung‘ gleichgesetzt wird und damit feminismus direkt als ‚unsexy‘ (wenn man das wort in dem zusammenhang benutzen will) gesehen wird. muss es aber gar nicht sein. wenn man insgesamt durchsetzungsstark ist, weiß was man will, sich dafür einsetzt und gleichzeitig einfach noch versucht, entspannt und ne coole lady (ist beides natürlich auch subjektiv) zu sein, dann ist das glaub ich der beste weg, die eigenen ziele zu verwirklichen und dabei noch etwas zu verändern. und wenn einem dann noch eine quote dabei helfen kann – wieso nicht?!

    Antworten
  12. Sebastian

    Das ist auf jeden Fall richtig. Das Problem ist eben, dass Alice Schwarzer und Kolleginnen bei all ihren Bemühungen (und Frau hat ihnen SO SO SO SO VIEL zu verdanken) auch ab und an übers Ziel hinaus geschossen sind. Feminismus darf und sollte auch sexy sein und das Feminismus als ‚unsexy‘ dargestellt wurde, war doch schlicht die Angst vor starken Frauen. Darauf darf man doch heute nichts mehr geben.

    Bringt mir starke Frauen!! 😉

    Antworten
  13. Svenja

    Feminismus mit Titten ist eine gute Sache. Allerdings ist Girl Power ja schon ein alter Hut und leider sind wir von wirklicher Gleichberechtigung noch meilenweit entfernt. Deshalb sollten wir nicht nur darüber reden sondern wieder ein bisschen kämpfen und alle Mamas und Omas stolz machen. Oder? 🙂

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  14. Laura

    Ganz viel Herz für diesen Text, meine Liebe!
    Meine Perspektive habe ich ja auch bereits gestern Abend im Blogger-Forum beschrieben und wie ich das sehe, argumentieren wir in eine sehr ähnliche Richtung.
    @Sebastian: Danke für diese mehr als treffende Beobachtung. Es stimmt leider, dass anscheinend vor allem in den weiblichen Köpfen alles, was um den Begriff Feminismus kreist, deutlich negativ belegt ist. Natürlich geht es uns besser, als noch vor ein paar Generationen, aber es liegt eben noch so vieles im Argen. Und du hast absolut Recht, wenn du sagst, dass Frauen sich oft gegenseitig im Weg stehen. Die teilweise ziemlich barschen Kommentare auf Nikes Beitrag im Bloggerforum gestern Abend, hatten im Allgemeinen einen Tenor in die Richtung: „Was interessiert mich Feminismus. Ich bin gerne eine Frau und zeige meine Weiblichkeit. Mir geht´s´doch auch sonst gut.“ Das ist schade und vor allem absoluter Müll, denn wieso bitte sollte eine Frau, die sich für eine feministische Denkweise interessiert automatisch nicht weiblich sein. Wie gestern Abend von mir im Bloggerforum schon geschrieben: Auch ein Interesse an Mode und Feminismus schließen sich absolut nicht aus. Meiner Meinung nach beschreibt Laurie Penny in ihrer zugegeben teils sehr polemischem Arbeit „Fleischmarkt“ dieses Phänomen sehr treffend. Sie versucht das aktuelle Bild von Weiblichkeit als eine spezifisch konnotierte Rolle im gesellschaftlich kapitalistischen Gefüge zu begründen. Wirklich sehr lesenswert! Genauso, schwer wie eine allgemeine Ablehnung/Egalhaltung finde ich aber auch die Gegenposition in Form eines radikalen Feminismus. Eine Freundin meinte neulich, dass ihrer Meinung nach ein großes Problem der Debatte in einer unterschwellig permanent brodelnden Wut stecken würde. Und ich glaube damit liegt sie gar nicht so falsch.

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  15. Jessi

    hast du schön beschrieben! ich bin ebenfalls für einen „neuen feminismus“, eben ohne den stereotypischen männerhass. wir frauen sollten bitte einfach aufhören geschlechtsgenossinnen ständig als konkurrenz anzusehen, hierzu mal ein melr als gelungender ROOKIE-text: http://rookiemag.com/2011/09/getting-over-girl-hate/

    außerdem simone de beauvoir lesen – das ist immer gut!!

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