„In allen wirklich wichtigen Augenblicken seines Lebens ist der Mensch nackt, bei der Geburt, im Liebestaumel, am Urlaubsstrand und als Todeskandidat auf der Intensivstation. Uniformen, Pelzmäntel, Sträflingshemden, Meßgewänder und Maßanzüge, sie sind nichts weiter als Zwangsjacken. Sie zwingen ihre Träger in eine unnatürliche Haltung wie Fischbeinkorsetts. Kleider machen Leute, aber keine Kleider, das macht frei.
Wir haben uns so an unsere Hosen gewöhnt, dass die meisten von uns selbst dann nicht mehr nackt sein können, wenn sie wirklich nackt sind. Wir verbergen unsere Gefühle hinter Feigenblättern. Wer vermag sich schon wirklich zu entblößen, mit ganzem Wesen nackt und hemmungslos unverhüllt zu sein. Das wäre ein Striptease! Keine Königin zeigt ihren Zobenmantel mit der gleichen Würde wie ein Affe sein nacktes Hinterteil. Alle Kleidung ist so lächerlich wie der Mensch und seine unfreiheitliche Ordnung. Alles wirklich Schöne und Natürliche ist nackt. Eine griechische Skulptur mit Hose ist so lächerlich wie ein Reh im Londemantel.“
Aus: „Nur wer träumt, ist frei“ von E.W. Heine. Kann man hier bestellen, ist gut.