Darwin Deez „You Can’t Be My Girl“ from Keith Schofield on Vimeo.
Wenn man das Gefühl hat, man sehe sich gerade einen Werbefilm der Sparkasse an, dann sieht man sich entweder einen Werbefilm der Sparkasse an, oder eben das neueste Musikvideo von Darwin Deez. Dass der New Yorker nicht mehr alle Eier im Nest hat, ist unschwer zu erraten und gleichzeitig ganz wundervoll. Denn es sind meist die etwas schrägeren Vögel, die neue Impulse setzen. Sehen wir jetzt einmal von der audiovisuellen Beschallung ab, die dem Einen gefallen und dem Anderen genau so gut missfallen kann, aber keineswegs neuartig ist, bleibt nichts weiter übrig als ein komischer Kurzfilm, der eventuell bedeutsamer ist als man anfangs anzunehmen wagt.
Wir hatten das damals schon beim Thema „Seapunk„. Dass eine Twitter-Bewegung durchaus Einfluss auf Musikvideos haben kann (in diesem Fall war es unter anderem Azealia Banks, die sich im Komplett-Look präsentierte), und diese komplette Optik es wiederum vermag, das Vorgehen der Modebranche selbst zu beeinflussen (Proenza Schouler adaptierte in einem Kollektionsvideo die Computer-Ästhetik der 90er Jahre samt rosa Trance-Delfin), ist uns also bekannt. Was aber passiert nun mit dem aktuellen Musikvideo zu „You can’t be my girls“ von Darwin Deez?
Wird es unbemerkt im Nichts verpuffen, oder darf man es als weiteren Vorboten für die Kultivierung der längst vergessenen Romantisierung der Realität im Bewegbild deuten, als Wiederbelebung der „amerikanischen heilen Welt“ in der Kunst für die Masse? Alle wollten doch jahrelang über den eigenen Horizont hinaus schippern, Phanatsiewelten oder Extreme erschaffen – wie kommt es also zu dieser Rückbesinnung? Sind wir den technischen Möglichkeiten überdrüssig? Wollen wir endlich wieder Menschen sehen, die wie Menschen aussehen, bloß ein bisschen glücklicher als in Wahrheit? Gut möglich, dass der Kopf dabei ist, vor all dem Retrokitsch zu kapitulieren. Instagram-Bilder legen die Welt dank Filterfunktionen in ein schummrig-warmes Licht, Polaroids wohin man schaut und Lana Del Rey und Co können nicht genug bekommen von Vintage und Super 8. Wer da jetzt noch mit macht, wird unsichtbar. Anders sein, bloß wie?
Nicht, indem man neue Wege beschreitet, sondern ein weiteres Mal auf das Altbewährte zurückgreift – bloß, dass es diesmal noch gar nicht so lange her ist. Millenium, Leute. Auch die 90er sind irgendwann ausgelutscht. Bands wie LCMDF riechen das schon seit Längerem und auch bei meinem letzten Besuch im HRST KRZBRG erlebte ich mit, wie diese „Neue Alte Bildsprache“ langsam zurück kehrt.
Das grandiose Electronica-Duo „MILLENIUM“ (mit Norman Palm und Ville Haimal) zeigt sich im Pressematerial und zugehörigen Videos im vollendeten Bürostuhl-Nerd-Look (und die meinen das ernst!). Wie LCMDF streckenweise auch. Und dann kam Darwin Deez und machte mit. Wir dürfen jetzt ruhig den Kopf schütteln und das alles uncool finden. Aber seid gewarnt, da kommt sicher noch mehr.