Aus New York: Gedanken zur MoMA PS1 Ausstellung „Dark Optimism“

15.05.2013 Kunst, Allgemein

(Wieso und weshalb ich überhaupt in New York war. Um eins vorweg zunehmen: Ich bin kein Kunsthistoriker, obwohl ich mich für Kunst interessiere, und ich will auch keine fundierte Kritik schreiben, sondern bloß Gedanken und Gefühle mit euch teilen.)

Dark Optimism – was bedeutet das eigentlich? Beim Rundgang durch das Moma PS1 zeigt Matze plötzlich mit dem Finger auf eine Fotografie: „Das Werk da drüben, es funktioniert wie kein zweites als Sinnbild für den dunklen Optimismus, schau!“.  Ich betrachte den abgebildeten Raum mit Fenster-Blick nach draußen, hinter der Scheibe steht eine Katze bewegungslos in der Luft, ohne Boden unter den Füßen. Offensichtlich ist sie aus dem obersten Stock gefallen oder vom Balkon, vielleicht sprang sie auch. Jedenfalls hat sie mittlerweile unsere Etage erreicht –  tödlich wird ihr Aufprall trotzdem nicht enden. Das Foto mit der stürzenden Katze spiegelt wieder, was wir jeden Tag erfahren, erleben oder in den Nachrichten sehen: Scheiße passiert, aber es muss weiter gehen. Matze hat Recht.

„You have a future if you do something. You have to be an activist.“ 

– Ein Grundsatz, der für jeden von uns gelten sollte und gleichzeitig als das Motto der Zusammenarbeit zwischen dem Museum of Modern Art und Volkswagen im Rahmen der Gruppenausstellung EXPO1: New York funktioniert.

Alles dreht sich um Kunst, die zum sozialen Konzept wird, darum, wie sie Veränderung schaffen kann: „From art to social practise„.

Es war ein Abend im Oktober, als die Idee dazu geboren wurde. Kurator Klaus Biesenbach und MoMA-Partner-In-Crime VW hatten eigentlich eine Telefonkonferenz zum weiteren Verlauf des Projekts, das vor zwei Jahren beschlossen wurde, angesetzt. Aber daraus wird nichts. Knistern, Knallen, ein seltsames Rauschen im Hörer und draußen ein Himmel, der mithalten kann mit Weltuntergangs-Szenarien aus Hollywood. Es ist der 31. Oktober 2012. Halloween und der Tag, an dem Hurricane Sandy New York verwüsten wird.

Irgendwas muss sich ändern – in der Gesellschaft, aber auch in der Kunst. Den Kunstbegriff weiterdenken, den Betrachter Erfahrungen machen lassen, alle Sinne bedienen und ökologische Nachhaltigkeit in den Fokus stellen – das MoMA wird mit der EXPO1 zum „idealen Museum“.

 




 

Meine Highlights

Da ist zum Beispiel Olafur Eliasson, der Eisblöcke aus dem ältesten Gletscher Islands direkt in einen weißen Raum mitten in Queens hat transportieren lassen, der uns mit seiner Arbeit „Your Waste Of Time“  zu ehrfürchtigen Betrachtern eines Stücks Zeitgeschichte macht, uns Kraft und Kälte spüren lässt, aber auch die Vergänglichkeit unseres Dasein, die der Beständigkeit der Natur gegenüber steht.

 

Geht man den Gang auf der ersten Etage des MoMA PS1 Gebäudes weiter entlang, entdeckt man auf der rechten Seite eine unscheinbare Tür, auf deren Rücken „Meeting“ geschrieben steht. Obwohl man nicht weiß, ob das Öffnen erwünscht ist, ob sie überhaupt Teil der Ausstellung ist, lässt sich kaum jemand davon abbringen. Dann die Erleuchtung, oder eher: Komplette Überwältigung. Wärme auf der Nasenspitze, Schattenspiele an der Wand und über uns der quadratische Himmel. James Turrells „Sky Space“ macht ihn zu seinem eigenen Kunstwerk indem er ihm einen Rahmen gibt. Es scheint tatsächlich so, als würden wir den Lichtkünstler dringend brauchen. Damit wir die Schönheit der rohen Natur endlich wieder begreifen können.



Das Wasser plätschert eine Etage tiefer. Ein pinker, sich immer zu drehender und von Technik-Schrott umgebener Vibrator wirkt im feuchten Bad wie ein wahnsinnig gewordener Tiger, der unermüdlich seine Kreise zieht. Wie ruhig die Welt damals gewesen sein muss.

Ich erinnere mich wieder an die Stille vom Anfang, an die Arbeiten von Agnes Deyn. 1982 hatte sie mitten in New York ein Kornfeld angelegt, dort wo jetzt Wolkenkratzer bis zum Himmel reichen. Eine Oase im Großstadtchaos, die wir heute mehr gebrauchen könnten denn je.


Die Gruppenausstellung ProBio beschäftigt sich mit dem Fortschritt der Wissenschaft, mit den großen Fragen des 21. Jahrhunderts. Ist das iPhone vielleicht  längst ein selbstständiges Organ, ein Teil unseres Körpers? Spätestens als mein Blick auf den kleinen Reinigungs-Roboter fällt, der angestrengt und pausenlos den Boden poliert, als er sich im Vorhang verheddert und aus Versehen von fremden Füßen getreten wird, weiß ich, worum es hier geht. Ich empfinde Mitleid, ganz so, lege dort ein weinendes Kind vor mir. Dabei ist das kleine Wesen nichtmal ein Wesen, sondern nur ein Kasten ohne Gesicht , ein Produkt der Menschheit, das tut, was man ihm befielt. 

 



(Weitere Beiträge folgen!) 

4 Kommentare

  1. Nina

    Das mag jetzt ein bisschen zynisch klingen, aber: Ein bisschen scheinheilig ist das ja schon. Ob sich Olafur Eliassons Arbeit selbst widerspricht (…oder eben nicht), darüber habe ich vor einigen Jahren heftig im kunstwissenschaftlichen Seminar diskutiert.
    Dass man einen Haufen deutscher Fashionblogger einmal mit dem Langstreckenflieger einmal über den Ozean schickt, um sich eine (zugegebenermaßen sehr hochkarätige, oder sagen wir mal so: um große Namen nicht verlegene) Ausstellung von Künstlern anzuschauen, die u. a. in den letzten Jahren sehr erfolgreiche Einzelausstellungen in Deutschland (und auch Berlin!) hatten, finde ich ebenso widersprüchlich.
    Ich kann euch nicht verurteilen, denn ich weiß nicht, wie ich gehandelt hätte, wenn ich mich in der gleichen Situation befunden hätte. Aber da ich weiß, dass ihr kritische Kommentare durchaus schätzt, beteilige ich mich mit diesem Denkanstoß.

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  2. Nike Jane Artikelautorin

    Liebe Nina,
    danke für deinen Kommentar!
    Ich muss nur schnell loswerden, dass die einzigen Fashionblogger dort Jessie und ich waren. Matze ist Kunstjournalist, Marcus ist Filmemacher (und produziert einen Recap für ignant), Isa kommt von iref. Der Rest setzte sich aus Journalisten von der Flair, Monopol, der Welt, etc. zusammen.
    Ob Dinge wie diese nun widersprüchlich sind, daran wird man sicher bis ans Ende der Menschheit diskutieren.
    Nochmal danke und liebe Grüße!

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