Manchmal möchte ich mich beim Durchlesen diverser Blogeinträge auf meine Tastatur übergeben, ab und zu möchte ich mir meine eigenen Gedanken aus der Nase ziehen und im Klo herunter spülen und noch öfter rohe Eier auf Unfug-redenden Köpfen zerdrücken. Wegen dieser maßlosen Arroganz, die sich hier und dort und überall breit macht. Und alles nur wegen eines einzigen unausgesprochenen Gesetzes: Ich darf was, was du nicht darfst.
Das Dilemma: Jeder nimmt es für sich selbst in Anspruch, meistens völlig zu unrecht und immer äußerst überflüssiger Weise. Wer den 18. Geburtstag längst gefeiert und etwa zeitgleich Minderwertigkeitskomplexe inklusive Apfel-Berentzen-Bröckchen in die Kanalisation gespült hat, sollte es eigentlich besser wissen. Aber natürlich ist dem nicht so.
Der Eine gönnt dem Anderen die Marmelade auf dem Butterbrot nicht, der Dritte stört sich an richtigen Turnschuh an falschen Füßen, schimpft über „Stan Smith“ Träger, die noch nicht einmal wüssten, welche Geschichte sich hinter dem Kultschuh verberge, ein Vierter mockiert sich über den inflationären Gebrauch von Dr. Martens zu Styling-Zwecken, dabei könne „Madame sicher keinen einzigen Track der Smashin Pumpkins mitsingen“. Ganz zu schweigen von all den selbsternannten Gangstern in Bomberjacken, die sich „Raiders“ auf den Nacken tätowieren und dann noch diese wahrlich lächerlichen Gören, die sich in „Thrasher“ Shirts hüllen, ohne jemals einen Skater gedatet oder ein echtes Board mit vier Rollen gefahren zu sein. Opfer, Nachläufer und Stil-Schmarotzer, jeder einzelne von ihnen.
Woher so viel Unmut rührt? Ich vermute, hier knallen Individualitätsdrang und ein tief verankertes Dazugehörenwollen aufeinander, Ego-Gemetzel auf Besserwissertum und Arschlöcher auf Würmchen mitten im Selbstfindungs-Prozess. Denn zweifelsohne haben die Könige des Verurteilens fremder Kleidungsgewohnheiten ihren ganz eigenen Stil scheinbar längst gefunden, fühlen sich absurdermaßen aber im Kollektiv am wohlsten. Im muckeligen Grüppchen freundlicher Klone ihrer selbst. Fremdlinge sind demnach unerwünscht, denn cool ist, was der von Nebenan gern hätte, aber keineswegs besitzt. Hat er’s doch, droht die Elite gestürzt zu werden. Autsch.
Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Einsicht, die zwangsläufig einsetzen muss, wenn große Massen plötzlich tragen, was der einzig wahre Trendsetter doch eigentlich für sich allein gepachtet hat: Man wird jetzt nicht mehr erkennen, dass er etwas Besonderes ist. Dass er sich auskennt und weiß, wo der modische Hammer hängt. Man wird ihn fortan verwechseln mit den Lemmingen. Dreifach-Autsch. Und: Es mangelt ihm vielleicht nicht an Geschmack, dafür aber an Kreativität.
Weshalb sucht der im Ego verletzte Allesblicker mit der einzig wahren Legitimation für das Tragen dieses oder jenen Kleidungsstückes sich in einem solchen Fall nicht einfach eine Alternative, dessen Image noch nicht von sämtlichen Mitläufern zerstört wurde? Weil er nicht kann. Weil er nicht weiß, was zu tun ist. Weil er Hypes nur folgen, statt sie selbst erdenken kann. Und genau hier liegt sein Schwachpunkt verborgen und die ganz große Wahrheit: Wer sich am schrillsten über „die Anderen“ aufregt, ist der echte Trauerkloß.
Wessen Hirn größer ist als das Ego und wessen Selbstwertgefühl tatsächlich über die prall gefüllte Kleiderstange hinaus reicht, der weiß es nämlich wirklich besser. Der weiß, dass all die wunderbaren Fehler, die wir in unserem Gegenüber zu erkennen glauben, meist unsere eigenen allergrößten Schwächen spiegeln, über die wir übrigens immer dann am lautesten jammern, wenn der von Nebenan uns auf keinen Fall hören kann.