In einem 35-40 Grad heißen Raum wird bei etwa 50 Prozent Luftfeuchtigkeit eine Serie von 26 Yoga-Übungen durchgeführt. Durch die Wärme werden die Muskeln flexibler, das Schwitzen soll den Körper ordentlich entgiftet und der Stoffwechsel aktiviert werden. Während der 90-minütigen Bikram-Yoga-Einheit werden bis zu 700 kcal verbrannt. Die Hatha-Yoga-Methode wurde von dem indischen Yogameister Bikram Choudhury entwickelt.
Ihr müsst jetzt ganz stark sein, wenn ich euch erkläre, dass HOT YOGA nicht die sexualisierte Variante des klassischen Yogas ist. Oder Moment: Irgendwie kommt Hot Yoga oder auch Bikram der Sache mit dem Sex doch schon ziemlich nahe.
Das Gefühl danach ist wie nach einem Orgasmus – soviel darf verraten werden #ischabegarkeinfarrad, währenddessen kollabierst du manchmal fast und im besten Fall hast du einen Lehrer, der dir alles geduldig erklärt.
Beim Betreten des Yoga Zentrums fallen Kokoswasser exende Drahtgestelle in Radlerhosen auf und der Duft nach Schwimmbecken und Räucherstäbchen esoterisiert mich. Eine Frau ruft einer anderen Frau mit Yogi Tattoo und knappen Outfit zu: „Nimm mal das Poster ab, Chakrawochen sind ja vorbei“. Eine freundliche Pferdeschwanzdame bittet mich einen Bogen ordentlich auszufüllen „keine Kreislaufschwäche, keine Erkrankungen?“ „Nö!“.
Ich betrete den 40 Grad heißen Studioraum – Zweite Reihe hat mir die Pferdeschwanzdame als Anfängerin empfohlen. Ich breite meine Yogamatte strandmäßig vor der Spiegelwand aus und zuppel mir mein Höschen zurecht. Wer hatte mir nochmal den Tipp gegeben fast nichts dabei anzuziehen? Jedenfalls stehe ich fast nackt im Raum, während sich dieser mit angezogeneren Frauen und Männern füllt.
Es geht los oder – man hat schon Pferde kotzen sehen.
1: Eine Atemübung im Stehen eröffnet die Lesson – Pranayama. Schön warm denke ich (noch).
2: Der darauf folgende, halbe gebeugte Mond lässt mich das erste Mal Sterne sehen – und das soll gesund sein?
3-6: Die nasse T-Shirt Dichte im Raum wächst auf Justin Bieber Konzertniveau an. Mein Gleichgewichtssinn gleicht dem einer Tütensuppe. Sanfte Ermahnungen in meine Richtung von der zwischen uns im Raum umhertänzelnden Lehrerin spornen mich nicht mehr an.
7: Tuladandasana – die Waage oder wie ich sie nenne – Blei vs. Federn.
8-10: Dandayamana-Bibhaktapada-Janusirasana bedeutet Stirn zum Knie in der Grätsche – klingt vielleicht nicht schwer, ist aber gar nicht mal so einfach. Die Erlösung finde ich in:
11-13: Savasana – die Totenstellung. Aber halt, nach Adam Riese sind das 13 absolvierte Stellungen – fehlen also noch 13.
14: Unter wem sich bis hierhin noch keine Schweißpfütze gebildet hat, der macht was falsch.
15 und 16: Sit-up und Kobra: Ich bleibe in der Totenstellung, nix geht mehr.
17: Der erste Pups entfleucht einer finster und angestrengt schauenden Heuschrecke vorne rechts im Raum.
18: Volle Heuschrecke mit Flugzeug: Ich beginne Liter zwei meines Mineralwassers in mich reinzukippen und staune über die Könner der Poorna-Salabhasana-Stellung.
19: Mit der Heldenstellung beginne ich echt den Spirit zu fühlen. Als sei mir ein Yogi über die Leber gelaufen „Strecken, Treten, Streeeecken und lööösen“ tönt die Pferdeschwanzfrau fröhlich entspannt
20-23: Schildkröte, Kaninchen und Kamel – lieber ein Jahr deren Ställe ausmisten, als noch eine Sekunde länger in deren Stellungen zu verharren
24: Zweiter Pups bei Janushirasana-Paschimottanasana – ich war’s nicht, keiner außer mir lacht.
25: Im Wirbelsäulendrehsitz stellt sich heraus, dass Bodylotion im Voraus nicht ratsam ist #glitschischleimi
26: Kapalabhati letzte Atemübung und ich möchte sterben – alles dreht sich, der Schweiß rinnt mir in die Augen. Ich bin stolz, komplett fertig aber happy.
Fazit:
Die Qualen sind nicht schönzureden, es ist wirklich das Härteste, was ich jemals erlebt habe – dennoch fühlt sich mein Körper direkt danach an wie durchgekneteter, warmer Apfelmus. Sexwangen und durchblutete Extremitäten wie nach einem Saunagang. Alles einmal vor und zurück gebeugt zu haben, sämtliche innere Organe stimuliert zu wissen – das löst ein High aus.
Bikram hat seine Kritiker, die Hitze, der Kreislauf – da scheiden sich die Geister. Für mich ist diese Yogaart, die mich an die Grenzen bringt, ein neuer ganzheitlicher Trainingsfavorit. Nach 4 Besuchen tut sich was im Körper. Definierter, ausgeglichener – ich bleibe am Ball.
Solang man sich nicht zwingt mitzuhalten, sondern kurz setzt oder hinlegt #totenstellung sobald es duselt, finde ich das eine saugute Powervariante des klassischen Hatha-Yogas. Ein Versuch ist es Wert – jede größere Stadt hat inzwischen mindestens ein Hot Yoga Studio, das im besten Fall ein gutes Schnupperangebot im Petto hat denn Bikram ist mit 10-20 Euro pro Einheit immernoch ein ganz schönes Luxusverbiegen. Namaste.
Illustrationen: Scalamari Jane & Saskia Keultjes.