Wie man es macht, man es falsch, das ist klar und ganz gewiss gibt es immer jemanden, der irgendetwas zu meckern hat, egal was man tut oder lässt, das ist wahrlich keine große Überraschung, sondern ein Grundsatz, über den selbst Harald Martenstein ganze Lieder singen könnte. Logisch also, dass ich seit der Veröffentlichung diverser Artikel, zum Beispiel jenem über diesen ominösen „Feminismus mit Titten“, immer wieder auf ganz abstruse Gegenstimmen stoße, auf feine, wohl dosierte Seitenhiebe. Ganz getreu dem Motto: „Mädchen, wo liegt eigentlich dein Problem, ist doch alles Friedefreudeeierkuchen hier in Deutschland“. Ach ja? Andere argumentieren „Ach weißt du, ich beschäftige mich gar nicht groß mit diesem Thema, ist für mich halt selbstverständlich.“ Der Haken an beiden Einstellungen ist bloß folgender: Gleichberechtigung zwischen den Menschen, also das, wofür ein gesunder Feminismus nun mal stehen sollte, ist auch 2014 noch ein kleines aber feines Märchen, eine Utopie, die selbst Oma und Mami noch längst nicht zur blumigen Realität reden, kämpfen und machen konnten. Vor allem im täglichen Miteinander zwischen Männlein und Weiblein und allem dazwischen.
Nun bekommen allerdings sehr viele unter uns die herrschenden Ungerechtigkeiten im Alltag tatsächlich kaum zu spüren. Wir sind alle gut drauf, bis zu einem gewissen Punkt total selbstbewusst, denkend, arbeitend und stolz auf Brüste, Rundungen oder den neuen Lippenstift. Und zwar so sehr, dass es uns (und auch mir) zuweilen äußerst leicht fällt, die täglichen Wehwehchen einfach auszublenden, ganz so als sei überhaupt gar nichts passiert. Vielleicht ist auch die Gewöhnung Schuld.
Nennt mich pingelig, nervig oder wehleidig, aber ich persönlich habe, gelinde gesagt, mittlerweile die Nase voll davon, tagein tagaus auf Ignoranz stellen zu müssen. Und ich kann doch ganz gewiss nicht die einzige Frau des Planeten sein, die ständig mit selten dämlichen und natürlich niemals fruchtenden Bagger-Sprüchen vorbei laufender Passanten konfrontiert wird, oder mit Beratern im Baumarkt, die tendenziell erst einmal davon ausgehen, man hätte einen Nagel im Kopf, bloß weil der Rockzipfel so hübsch flattert.
Ich meine, ernsthaft. Diese Baggerer und Hinterherpfeifer zum Beispiel, die können sich doch nicht ernsthaft erhoffen, dass ich oder du oder irgendwer wirklich und wahrhaftig auf deren stupides Gelabere eingeht und vor Entzückung in Ohnmacht fällt. „Kann man dich mit nach Hause nehmen?“ -Klar! „Geile Titten!“ – Herzlichen Dank! „Hmuah, hmuah, hallo, hallo“ – „Küsse zurück und einen schönen Tag noch! Nee. Ich werde inzwischen ausschließlich aggressiv, würde liebend gern zurück pöbeln (denn was anderes ist das hier nicht, jedenfalls sieht ein ernst gemeintes Kompliment in meiner Welt etwas anders aus) und statt zu denken „Hammer, was für ein toller Hecht!“, überlege ich mir nicht selten, wie man diesen aufdringlichen und omnipräsenten Herrschaften verbal den Garaus machen könnte. Ich fürchte allerdings: Gar nicht. Denn vermutlich könnte dort genau so gut ein hundertjähriges Schlachtschiff an diesen charmanten Kerlen vorbei schleichen, ganz bestimmt würde dem findigen Sexisten trotzdem ein x-beliebiger niederträchtiger Spruch entfleuchen. Ein Automatismus eben, weil man das eben einfach so macht, wenn eine Dame allein (oder bei Nacht) ihres Weges ist. Es ist zum Haare raufen und die Ecke brechen, ganz ehrlich.
Man könnte jetzt noch hunderte solcher Beispiele aufzählen, hier aber nur ein Paar Zitate, zur Verdeutlichung unseres Verdrängungs-Mechanismusses:
„Für ein Mädchen bist du aber ganz schön fit/stark/gewitzt/schlagfertig/schlau/ehrgeizig,….“
„Haben Sie denn einen Mann Zuhause, oder soll der Klempner die Waschmaschine für Sie anschließen?“
„Ach, ihr geht segeln? Steht man da den Männern nicht im Weg rum?“
„Ihr geht dann aber die kleine Wanderrunde, ist ja eine Frau dabei?“
„Mathe? Macht ja nix, du bist ja auch ein Mädchen.“
„Bitteschön der Herr, die Rechnung.“
„Toll, ihr bekommt einen Sohn, dann kann dein Freund ja mit ihm Skateboard fahren.“
Meistens lächle ich in solchen Situationen sogar etwas debil und denke noch dazu „Och wie nett“. Versteht mich nicht falsch, ich liebe die Unterschiede zwischen Mann und Frau, und ich lasse mir sogar sehr gerne helfen, die Tür aufhalten oder schöne Augen machen. Allerdings genau so gerne, wie der Mann an meiner Seite. Der freut sich nämlich auch, wenn man ihm die Sparkassen-Pforte nicht vor der Nase zu knallt, wenn man ihn nicht empört beäugt, sobald er über einen eventuellen Vaterschaftsurlaub spricht und ich bin mir sehr sicher: Auch mit Tochter hätte es Skateboard-Unterricht gegeben. Die Beschäftigung mit dem Thema Feminismus ist demnach wichtiger, notwendiger und hoffentlich auch ein bisschen präsenter als die meisten von uns bisher anzunehmen wagten.