Im Auto auf dem Highway vom Flughafen hinein in die Stadt, grabe ich meine Finger in den porösen Beifahrersitz. Von jeder anderen Metropole die ich bisher in meinem Leben besuchte, hatte ich ein Gefühl dafür, wie es werden wird. Hier fehlt mir diese Ahnung gänzlich. Ich bin aufgeregt, wir fahren schnell denn – hier fährt jeder schnell.
Es ist spät als wir schließlich in eine Gasse in Karaköy einbiegen, an dessen Ende ich das Ufer des Bosporus erspähe. Ein faltiger Mann mit Schnäuzer und lieben, aber zusammengekniffenen Augen schiebt mit einem Besen Matsch von den Fliesen vor seinem Geschäft in eine Rille. Er wirkt nicht, als wäre ihm der Regen allzu vertraut, der vor seinem dunklen Gesicht die Stadt in diesigen Nebel tunkt. Den nassen Straßenhunden, die in der Gruppe um die Mülltüten auf dem Gehweg pirschen, auch nicht.
„Hier gibt es das beste Backlava in ganz Istanbul“ wendet sich meine Türkische Begleitung mir zu „wir kommen allerdings zu spät“ erwidere ich. Er winkt ab, kurbelt die Scheibe hinunter und ruft dem alten Mann etwas auf Türkisch zu – der Schnäuzer lehnt den Besen an die Eingangstür und läuft in sein Geschäft. Kurze Zeit später reicht er uns zwei Stück Blätterteig-Gebäck durch das Autofenster. Ich traue mich nicht zu sagen, dass ich so eine Art Backwerk längst aus Neukölln kenne und es mir stets viel zu süß ist – deshalb beiße ich brav hinein und: Bereue nicht. Kein bisschen, denn es besteht überhaupt kein Vergleich zu dem klebrigen, schweren Sünden aus den Auslagen des Falafelshops bei mir daheim. Nein, es ist köstlich. Eine schöne Begrüßung in Istanbul und der Beginn einer Genussreise.
Der nächste Morgen bringt noch viel mehr Regen und eiskalte Temperaturen, es gießt wie aus Eimern. Der Wetterbericht kündigt Schneegrieselsturm für meine nächsten drei Aufenthaltstage in Konstantinopel an, ich habe Glück – einen Tag vor mir war noch Sweatshirtwetter und strahlend blauer Himmel:
In einer Stadt mit 14 Millionen offiziellen Einwohnern und weit mehr in der Dunkelziffer, schafft man sich neuen Platz. Hier isst und lebt man auf Dächern. In Istanbul spielt sich alles entweder auf den Straßen oder ganz weit oben ab. Durch ein schmales Treppenhaus steige ich die fünf holprigen Etagen bis in die Mangerie Bebek, ein szeniger Frühstücksplatz und ein Café, welches einem die uneingeschränkte Sicht auf den Bosporus schenkt. Die Einrichtung mit weißem Interieur, kleiner Bibliothek an der Wand und Weihnachtsbaum in der Ecke, gibt moderne Wohnzimmergemütlichkeit. Ein paar Regen-Mutige nutzen die große, weiße Terrasse draußen und hüllen sich in Decken.
Kaffeesatz lesen ist mein neues Ding – ich hatte zwei Alpakas in der Tasse
Noch ein bisschen von der Nasskälte Istanbrrrrs durchgefroren, sitze ich nur mit einem Pestemal Handtuch um die Hüften auf einem großen, warmen Marmorstein. Die traditionelle Waschung in einem der schönsten und ältesten Hamams in Istanbul wurde zu einem meiner Highlights auf diesem Trip. Wieso, weshalb warum verrate ich euch ganz bald in einem Hamam Beauty Special.
Mit 5000 Shops verteilt auf 60 Straßen ist er einer der größten überdachten Märkte der Welt. Jeden Tag schieben sich hier 250000 bis 400000 Menschen durch die bunten Gänge. Hier findet man alles, was das Herz begehrt. Vom Türkish Delight über Gewürze, handbemalte Keramik bis hin zu Gold und fake Céline Handtaschen. Der Markt ist in Areale aufgeteilt – jede „Branche“ hat hier ihr eigenes Viertel.
Hier wird traditionelle, gehobene Türkische Küche serviert. Während man sonst bestes Essen im Straßenformat auch problemlos für den kleinen Liere an jeder Ecke zu kaufen bekommt, greift man hier schon ein bisschen Tiefer in den Geldbeutel, wird dafür aber mit ausgezeichnetem Service und Ambiente belohnt. Ich aß nie besseren Fisch als hier und fand Fliesenwände selten so einladend. Das Dessert Kabak Tatlıs möchte ich jedem wärmstens ans Herz legen, es besteht aus gedämpftem, süßem Kürbis und Pistazien.
Mit Blick auf den berühmten Galata Turm lässt sich hier das wohl schönste Türkische Frühstück genießen. In dem schmalen und liebevoll eingerichtetem Café werden auf Omas Geschirr mannigfaltige Köstlichkeiten sowohl herzhaft als auch süß serviert. Es lohnt sich übrigens ohnehin ab und zu in die unzähligen, kleinen Gassen zu schauen und nicht den schnellstmöglichen Weg zu wählen um solche Schätze wie das Privato aufzutun. Hier habe ich auch Kaymak für mich entdeckt, eine Art buttriges, leichtes Milchprodukt was auf der Zunge schmilzt und traditionell mit Honig gereicht wird – so gut.
Karaköy
ist ein Historischer Stadtteil auf der Pera Halbinsel und das frühere Galata. Dieses Viertel steht für seine vielen kleinen fancy Cafés, Bars und seine Künstler-Szene, die hier am liebsten verweilt. Ich habe mich prompt und Hals über Kopf in die Stimmung und den Puls hier verliebt. Gastfreundschaft wird auch hier überall groß geschrieben, es ist ein entspanntes Treiben und man ahnt die vielen Millionen der Stadt manchmal garnicht – was allerdings auch am Miesepeterwetter und der Jahreszeit liegen könnte.
Galata Brücke
Hobbyangler stehen aufgereiht wie für ein Postkartenbild, es riecht nach Fisch und Meerluft. Man nennt die Galata Brücke nicht von ungefähr die große Bühne der Oper Istanbul
Die Sultan Ahmed Moschee oder auch: Blaue Moschee
Istanbul, du altes, modernes, schneckenlangsames, rasendschnelles, buntes, sanftraues Kultur-Clash-Pflaster, du hast dir mich von deiner tristesten Seite gezeigt und trotzdem habe ich ganz genau gesehen wie wunderschön du bist.
Uns blieb nicht viel Zeit, – stell dir doch nur mal vor, nicht einmal die Fähre auf deine andere, die Asiatische Seite, habe ich betreten – dieses Mal. Das und dreibilliausend deiner noch zu bestaunenden Sehenswürdigkeiten, Gerüche, Geschmäcker und warmen Nachtlieder hole ich im Frühjahr nach, dann sehen wir uns nämlich wieder und du zeigst mir deine Gassen, Menschen und kulturellen Schätze wenn sie von der Sonne angestrahlt werden – Deal?
Teşekkürler für alles und bis bald
Deine Sarah