In regelmäßigen Abständen passieren selbst in unserem sonst so schönen Jane Wayne Kosmos Dinge, die meine Gurgel kurz fies aufgluckern lassen, in letzter Zeit vor allem aufgrund eines ganz bestimmten Themas: Body-Shaming. Unsere Gast-Autorin Lisa hatte bereits einen saftigen Kommentar zum Thema niedergeschrieben und ließ dabei selbstredend nicht außen vor, dass die Medien wirklich gut daran täten, den weiblichen Körper künftig in all seiner Schönheit abzubilden, was so viel bedeutet wie „in all seinen Formen“ (und Farben, aber hierzu an anderer Stelle mehr).
Seit Jahren schimpft die Allgemeinheit über zu dürre Models, über zu viel Stereotyp, über zu wenig „Normalität“, was auch immer das bedeuten soll. Zu Recht, keine Frage, wir machen sogar hin und wieder lautstark mit. Besorgniserregend scheint mit allerdings der Rattenschwanz, der da an den Forderungen noch mit dran hängt, denn mittlerweile beschleicht mich mehr und mehr das Gefühl, wir hätten es hier mit zwei Riegen zu tun: Einerseits sind da die Medien, die schreien „Ihr seid zu dick“ und dann kommen wir, die sogenannten „echten Menschen“, die jammern „Die sind doch alle viel zu dünn“. Bis hier scheint dieser Mechanismus noch logisch und womöglich sogar sinnvoll. Hätte sich nicht klammheimlich eine neue Form von Diskriminierung in die eigentlich gut gemeinten Absichten geschlichen: Das Dünnen-Bashing.
Jüngst war auf einem Header-Bild etwa eine durchaus zarte Hand zu sehen. Eine, die Eiscreme im Hörnchen hält und nicht anders ausschaut, als viele Hände in meinem eigenen Freundeskreis und vielleicht sogar meine eigene. Schlank war sie, das stimmt. Aber nicht krank. Prompt folgte eine aufgeregte Bemerkung seitens einer unserer Leserinnen – was sie sah, störte sie ganz offensichtlich. Seither frage ich mich: Wo genau liegt der Unterschied zwischen einem Kommentar wie „Uhh, die dürre Hand auf dem Bild irritiert mich“ und „Uhh, die dicke Hand auf dem Bild irritiert mich.“ Richtig, es gibt keinen Unterschied, beide Reaktionen sind gleichermaßen unangebracht und noch dazu diskriminierend, auch wenn das offensichtlich niemand so recht begreifen mag. Zweiteres würde sich (glücklicherweise) bloß kaum jemand in unserer Gefilden mehr wagen. Es ist nämlich so: Wer über Dicke schimpft, muss mit Konter rechnen (darf man Marius Müller Westernhagen überhaupt spielen?). Abfällige Kommentare über Dünne hingegen werden immer häufiger mit Beifall belohnt. Vor allem auf Tumblr und Pinterest: „Fuck Skinny Bitches, curvy women are real women„, heißt es da zum Beispiel. In unserem Bewertungs-System läuft also ohne Zweifel etwas Grundlegendes schief. Die Antwort auf ein Extrem darf niemals ein neues Extrem sein. Um es komplett auf das Existenziellste runter zu brechen: Auch Dünne haben Gefühle, man mag es kaum glauben.
Nicht jede_r, der oder die dünn ist, trägt eine physische oder seelische Krankheit mit sich herum. Sie existieren wirklich, die gertenschlanken Gazellen, die entweder einen mordsmäßigen Stoffwechsel haben oder aber durch Sport und gesunde Ernährung zu einem Körper gelangen, wie er ihnen selbst am besten gefällt. Es gibt aber auch Dünne, die lieber ein bisschen mehr auf den Rippen hätten, die neidisch sind auf pralle Brüste, volle Rundungen und die sogenannte „Weiblichkeit“, die frenetisch gefeiert wird, wann immer es sich ein Fotograf „wagt“, eine Frau jenseits von Size Zero abzulichten. Wer schlank ist, ist nicht weiblich, trotz aller Gene. Das Herumgereite auf Kilos tut zuweilen also auch jenen weh, die genau davon nicht allzu viel vorzuweisen haben.
Noch ein Beispiel: Am Tag vor meinem Geburtstag stellte ich Pandora Sykes als meinen persönlichen Style-Crush vor, dem ist nämlich tatsächlich so, aber keineswegs, wie es mir daraufhin unterstellt wurde, weil die britische Redakteurin sich blond und schlank durch ihren Instagram Account schlängelt. Ich schätze ihre Arbeit und ihren Stil, Punkt, Ende, aus die Maus. Und wieder die Frage in meinem Kopf: Würde manch einer hier sie erst dann für voll nehmen, wöge sie geschätzte zehn Kilo mehr? Ist ja schließlich „wieder nur so ein Stereotyp“. Sarah postete daraufhin das wahrlich wunderbare Lookbook von „Closed“. Und schon wieder: „Ist ja klar, dass das an den dürren Models gut aussieht, bei mir aber nicht.“ Wieso nicht „Schade, dass nicht auch jemand dabei ist, der mehr ausschaut wie ich selbst?“. Der Ton macht manchmal die Musik. Darüber hinaus bezweifle ich, dass High Waist Jeans nur bei Models (das ist übrigens ein Beruf, kein Schimpfwort) phantastisch aussehen. Der Nagel steckt bei vielen von uns also natürlich auch im eigenen Kopf. Darüber hinaus tendieren wir 36er, 38er, 44er-Frauen vielleicht dazu, zu verdrängen, dass auch das ein oder andere furzgesunde „Mädchen von nebenan“ eine 34er Größe trägt.
Was ich sagen will: Die Lösung für das verquerte Schönheitsideal unserer Zeit ist wahrlich nicht die Degradierung desselbigen. Statt immer wieder zu fordern „mehr Kilos!“, sollten wir vielmehr für eine gesunde und ordentliche Portion Diversität plädieren. Solange wir aber nicht einmal selbst entscheiden dürfen, ob wir dick, dünn, platt wie ein Aal, kurvig wie der Nil oder irgendwas dazwischen sein wollen, wird es allerdings weiterhin schwer sein, auch die großen Fische im Haifischbecken von unserem Wunsch nach Vielfalt zu überzeugen. Die sitzen nämlich hinter den Kulissen, essen mal Pommes, mal Salat und sehen dabei zu, wie wir uns mit größtem Genuss gegenseitig nieder machen.