Grundsätzlich mag ich Menschen, die gelegentlich laut werden sehr gern, ich begrüße kritische Stimmen außerordentlich und wünsche mir mitunter sogar viel mehr davon. Weniger erquickend sind hingegen Schwanzeinzieher_innen, wenn man das hier mal so ganz politisch und gendermäßig unkorrekt in Richtung nur so vor Halbwissen strotzender Krawallmacherstimmen pöbeln darf. Die Rede ist von einer etwas ausufernden Instagram-Dikussion einer bekennenden Feministin, die sich überaus echauffiert über ein Posting meinerseits, nämlich ein männliches Model im „Radical Feminist“ Sweater von Acne Studios inklusive Amors Emoji-Pfeil plus Herz darunter, zeigte. Was ich dort auf diesem fremden Kanal also unter dem Screenshot von besagtem Posting meinerseits las, ergab im ersten Moment Sinn und war wichtig – umso tragischer, dass der Schlingel-Account der frechen aber klugen Diebin meiner Pullover-Liebeserklärung plötzlich privat ist.
Ich erinnere mich aber immerhin daran, dass relativ häufig „white privileged girls“ in der Kritik am 200-Euro teuren Sweatshirt und meines hirnlosen Hypens vorkam, im Groben ging es wahrscheinlich darum, dass es Menschen da draußen gibt, die den Feminismus wirklich brauchen und darum, dass wir, die weiße privilegierte Mittelschicht, ganz sicher keinen Anspruch auf den Terminus „radikaler Feminismus“ hätte (hierbei handelt es sich nämlich nicht um besonders extremen Feminismus, sondern um jenen, der die patriarchale Organisation von Sexualität und Reproduktion zum Thema macht), schon gar nicht auf einen im so teuren Gewand und noch schlimmer, wenn ein kommerzielles Label am Ende auch noch Profit aus dem Lena-Dunham-Pop-Femininsmus-Hype ziehe, dass ein Mann den Pullover trägt, geschenkt, fast schon blasphemisch. So weit, so diskussionswürdig. Ich verstehe den Kern des Grolls, vermute aber, dass das große Ganze außer Acht gelassen wurde. Ob ich hiermit richtig liege, werden wir womöglich nie erfahren – auf meinen Vorschlag über einen Gastbeitrag genau zu diesem Thema reagierte man nämlich erst mit einem „Jay“ und dann gar nicht mehr. Deshalb werfen wir an dieser Stelle selbst die Frage in den Raum: Ist das noch Instrumentalisierung des Konsums für den Feminismus oder schon Instrumentalisierung des Feminismus für den Konsum? Womöglich beides.
Wir hatten bereits über das Thema des Fame-inism diskutiert und kamen schließlich zu dem Ergebnis, dass wir erhobenen Hauptes dafür einstehen, dass einflussreiche Menschen dieser Erde ihrerseits für etwas einstehen, das im Grunde so oder so omnipräsent sein sollte – den Feminismus zum Beispiel, der derzeit zweifelsohne so schick daher kommt wie selten zuvor, man könnte fast von einem Trend sprechen, ein bittersüßes Phänomen. Und genau das schlägt im Zeitalter von Petra F. Collins, Karl Lagerfelds Laufsteg-Demo und Taylor Swift schwer auf das idealistische Gemüt. Es verhält sich also ein bisschen so wie mit sogenannten Cool Kids und deren Möchtegern-Freunden, eingefleischten Feministinnen sind diese neuen Feministinnen immer häufiger nicht feministisch genug, radikale Feministinnen belächeln Hipster-Feministinnen und anders herum, ich darf was, was du nicht darfst undsoweiterundsofort. Dass beide Seiten womöglich an ein und dem selben Strang ziehen, wird nur selten gesehen. Pöbeln ist beliebter, immer drauf die Konsumärsche, die sich mit Statements schmücken, weil es an eigener Meinung leckt. Dabei schaut man den Trägerinnen und Trägerinnen meist nur vor den Kopf, statt hinein, aber sei’s drum. Wer 200 Euronen für einen Baumwollpullover auf den Tresen legt, kann die Sache nicht ernst meinen. So weit die These. Wenn dem wirklich so wäre, was ich weiterhin zu bezweifeln wage, was genau wäre dann an diesem Umstand eigentlich so bahnbrechend schlimm? Im besten Fall googelt sich der bisweilen ahnungslose Sweatshirt-Besitzende ja doch noch irgendwann durch Simone de Beauvoir, Hubertine Auclert, Martha C. Nussbaum oder Kathleen Hanna. Im schlimmsten bleibt ein Unwissender eben unwissend und verschenkt sein Geld für den peinlichen Moment, in dem er nach der Botschaft hinter den Buchstaben auf seinem Oberkörper gefragt wird.
Dass Acne an der so beliebten Selbstoptimierung durch aufgedruckte Bekenntnisse auf der Brust verdient, bleibt zweifelsohne trotzdem streitbar, macht irgendwie aber auch Sinn – zumindest wenn man sich etwas intensiver mit der Botschaft auseinander setzt, die Chefdesigner Jonny Johansson seit Jahren mit seiner Mode durchzusetzen versucht. Mode im Kunstkontext, Mode als gesellschaftlicher Spiegel, als optisches Mittel zur Aufhebung der Norm (das war früher übrigens auch schon so, ihr erinnert euch, die Garçonnes der 20er Jahre, Marlene Dietrich und so weiter und so fort, bloß springt auf Hosenanzüge heute niemand mehr an) – alles nichts Neues für den Schweden, der seinerseits größter Fan von androgynen Silhouetten und Unisex-Looks ist und seit Jahren Female-Power-Parolen in seinen Entwürfen versteckt. So ganz nebenbei bemerkt ist es nicht wenig absurd, dass sich über Statement-Shirts überhaupt noch der Mund fusselig geredet wird. Steht halt bloß nicht „I love New York“ oder „Boys are fun“ drauf. Sondern etwas viel Wichtigeres. Neben „Radical Feminist“ (dass Männer auch Feministen sein können und sollten, wissen wir ja bereits), hält Acne Studios außerdem noch „Gender Equality“, „Women Power“ und „Please Call Me Girl“ für uns bereit. Ein Spiel mit typisch männlichen Klischees wird ebenfalls betrieben, die gesamte Menswear Kollektion gilt nämlich als subtile Anspielung auf Fußballclubs, in denen Frauen bis heute wenig zu melden haben. Dazed fasst das für den kommenden Herbst Gezeigte ganz nett wie folgt zusammen:
„Instead of football teams, these lads were fighting the good fight with gender equality, as their scarves read “Woman Power” and “Radical Feminist”. It was a welcome juxtaposition to the machismo of tailoring and sportswear on show.“
Aber zurück nach Schweden, „where the political party Feminist Initiative is making major waves in the country’s social conscious. With a membership of 20,000 citizens and a seat in European Parliament, Feminist Initiative—F! for short—is inspiring Swedes to take a stand on issues like pay inequality and domestic violence. (Quelle)“ Aha, daher weht also der Wind. Johansson hat demnach vielleicht doch nicht ausschließlich im Namen des Absatzmarktes gehandelt, womöglich hat er sogar persönliche Interessen zu seiner größten Inspiration erklärt und sich obendrein vorgenommen, die eigene mediale Power für etwas Sinnvolles zu nutzen. Wieder reine Spekulation, aber es könnte ja durchaus sein, dass Modedesigner Hirn besitzen, ja, dass sich der ein oder andere sogar zu den denkenden Menschen zählt.
Ihr merkt, mit mir ist in dieser Diskussion nicht gut Kirschen essen, ein Glück, dass Meinungen auf Blogs zum guten Ton gehören – deshalb ist jetzt auch eure gefragt. Auf auf ins Wortgefecht, wir freuen uns!