Ich habe ein Schwäche für Ratgeberbücher, jetzt ist es raus. Solche, in denen Dinge stehen wie „loslassen“, „zur Ruhe kommen“ oder „authentisch sein“. Ein bisschen eso, ich weiß, und auch banane. Was mir aber ganz und gar nicht gefällt, ist die derzeit alles überschwemmende Klugscheißer-Literatur, die uns nichts als oberflächliche Regeln diktiert. Im vergangen Jahr gab es da ein prächtiges Beispiel, den Namen verkneife ich mir, weil viel Mühe darin steckt, das weiß ich. Jedenfalls amüsierte man sich damals noch köstlich über dieses „No-Go“ namens Sandalen, so ein Schuhwerk gehöre sich nicht für eine Frau mit Stil. Das Tragische an Aussagen wie dieser ist nicht nur deren offensichtliche Vergänglichkeit (ein paar Monate später zeigte sich die weltweite Front Row dank Célines „Furkenstocks“ gerappelt voll mit den eben noch verschmähten Latschen), sondern vor allem der Käfig der Fremdbestimmung, der mit ihnen nach und nach erbaut wird, überall da, wo Menschen sich auf das gedruckte Wort und selbsternannte Spezialisten verlassen.
Das widerstrebt ganz eindeutig dem Glanz und der Größe und dem Demokratiegedanken der Mode, die heute weniger wegen der Witterungsverhältnisse existiert, sondern vielmehr als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit agiert. Der Körper und die Kleidung, mit der wir selbigen umhüllen, sind schließlich zwei der wenigen Kostbarkeiten, über die wir noch selbst entscheiden und bestimmen können und dürfen. Ein Jammer wäre es, diese Freiheit freiwillig gen Mond zu schießen.
Was sollen all diese verbalisierten Engstirnigkeiten, was nützen Stilregeln, die nicht als neckischer Leitfaden, sondern als Muss kommuniziert werden, wenn sie nicht von uns stammen und sowieso nur für den Moment gelten, was soll das Stilfressen mit fremden Löffeln, wenn Stil doch eigentlich bedeutet, sich selbst im Wust der massenhaften Möglichkeiten wiederzufinden, manchmal zu verlieren und immer wieder neu zu entdecken. Und dann die Vergleiche. Es gibt doch keinen größeren Hohn, als das Streben danach, aussehen zu wollen wie ein Zweiter. Wir werden niemals Twiggy sein und was Twiggy trug oder mit ihren Wimpern machte, wird an uns nicht ebenso schimmern, nur anders. Inspiration ist etwas anderes als Hinterherhecheln, ersteres ist gesund, zweitens gefährlich. Und trotzdem hört man im Kleinen immer wieder „Ich möchte so aussehen wie die junge Ines de la Fressange, die Erfinderin des Pariser Chic. Oder wie Jeanne Damas mit ihrem roten Kussmund“. Der Kussmund ist realistisch, aber nur Jeanne Damas ist Jeanen Damas. Im Großen heißt es gern: „Ich wäre gerne eine bisschen parisienne.“ Wie welche der etwa 1,3 Millionen Pariserinnen denn, frage ich mich da.
Womöglich hat Caroline de Maigret es mit ihrem Buch-Debüt „How to be Parisienne wherever you are“ auf die Spitze getrieben. ‚Kapitel I – die Grundlagen: Such dir etwas aus, was jeder mag – die Oper, Kätzchen, Erdbeeren – und verabscheue es. / Ob du redest oder lachst – niemand braucht zu wissen, wie dein Zahnfleisch aussieht.‘ Oder ‚Was man nie im Schrank einer Pariserin finden wird: Jogginghosen – darin darf dich kein Mann je sehen‘. Ich fange jetzt erst gar nicht mit Seite 62 an: ‚Wie man ihn glauben lässt, dass man eine Affäre hat.‘ Aber ja, ich vergesse das zwinkernde Auge keineswegs. Und dennoch kommt mir an dieser Stelle keine Empfehlung über die Lippen, ich sehe hier bloß die Geldmaschine rattern, sowas kann man klar denkend weder ernst meinen noch nehmen.
Claire Beermann hat den Nagel bereits mit ihrem Artikel für Zeit.de auf den Kopf getroffen: „Auf den Verkaufstischen für Literatur zu Frauenmode finden sich haufenweise Ratgeber zur Enträtselung des mystischen Chics, häufig von Französinnen selbst geschrieben. Lässig, stilvoll, charmant, all das kannst du werden, wenn du dich nur französisch genug benimmst. Frauen wird damit wieder einmal das Gefühl gegeben, sie müssten was an sich ändern und bearbeiten.“ Soll das wirklich unser Ziel sein? Hoffentlich nicht, mir würde das Zahnfleisch meiner besten Freundin beim Tränenlachen nämlich aufrichtig fehlen.