Ich habe vor ein paar Monaten für ein Interview mir der Zeitschrift „Myself“ zusammen gesessen. Aus diesem einstündigen Gespräch entstand schließlich eine ganze Spalte Text, die nun liebevoll neben einer großen Aufnahme von Lio und mir prangt. Natürlich war abzusehen, dass meine dort abgedruckten und auf ein paar Sätze zusammen gestauchten Worte für erhitzte Gemüter sorgen würden, es geht dort nämlich um eine Art „gesunden Egoismus“. Darum, trotz Kind nicht allzu sehr von der eigenen Selbstbestimmtheit aufgeben zu wollen. Ich habe es mich beispielsweise gewagt, sechs Tage nach New York zu verschwinden, ganz allein. Ab und an mache ich es mir auch ein ganzes Wochenende lang in der Heimat gemütlich, zum Durchatmen und Verschnaufen. Dazugehörige Fragen klingen immer gleich: „Wie kannst du nur?“. Die Rabenmutter-Keule wird hierbei selbstredend nur ganz vorsichtig, aber dennoch offensichtlich genug geschwungen. Mich verwundert das auch 13 Monate nach der Geburt meines Sohnes noch, suhle ich mich doch allzu häufig in utopischen Phantasien einer halbwegs gleichberechtigten Gesellschaft.
Aber Pustekuchen. Väter fliegen weiterhin von einer Geschäftsreise zur nächsten, arbeiten Vollzeit und gelten dabei als fürsorgliche Ernährer. Mir ist klar, dass der Spieß auch umgedreht Sinn ergibt, Papas werden gern schief angeschaut, sobald sie vor den Kollegen mit einem Elternzeit-Wisch wedeln. Beides ist daneben. Beides deutet auf eine klaffende Wunde in unserer Sozialisierung hin. Beides muss endlich aufhören. Es sollte nämlich vor allem um das Wohlergehen unserer Kinder statt um die Erfüllung klassischer Rollenmodelle oder die Beweihräucherung des eigenen Gewissens gehen.
Denn immer dann, wenn ich nicht da bin, baut Lio mit seinem Vater Tipi-Höhlen, übt mit Leo Lausemaus-Kassetten das Singen oder besucht seine Lieblingstanten. Es fehlt ihm an nichts, auch die Tatsache, dass Mama auf Reisen ist, juckt ihn wenig. Er ist daran gewöhnt, das ist das einzige Geheimnis. Dafür ist die Wiedersehensfreude umso größer, genau wie die gemeinsam verbrachte Zeit nach meiner Abwesenheit. So „halte ich das aus“. Und, weil ich weiß, dass ich meinem Energiebündel nach einer kleinen Pause wieder mit doppelter Energie gerecht werden kann. Nun höre ich nicht selten den weiteren Vorwurf, meine Arbeit hier oder sämtliche Fotos auf meinem Instagram-Kanal würden beinahe den Anschein erwecken, ich sei ein kinderloser Single. Das mag sein, so will ich es. Mein Privatleben hat trotz nach außen getragener Gedanken im Grunde nicht viel mit meinem Beruf zu tun. Und sollte dem ab und zu doch so sein, entscheide ich ganz allein, wie viel Intimes tatsächlich durchsickert. Das bedeutet aber nicht, dass ich nach diesem Artikel nicht beide Beine in die Hand nehme, um Lio pünktlich um 15 Uhr von seiner Tagesmutter abzuholen und Kekse zu backen. Gut, das mit Keksen war gelogen. Aber Quatschmachen, das kann ich hervorragend. Andere Mütter hingegen sind in anderen Dingen genial. Das ist schön, denn Menschen sind verschieden, haben andere Bedürfnisse und Sichtweisen – es ist an uns, genau diese Unterschiede nicht nur akzeptieren, sondern zu feiern. „Wie es euch gefällt“, nennt sich eines der bekanntesten Theaterstücke Shakespeares nämlich aus gutem Grund.
Deshalb, und hier gehe ich auf einen Kommentar von Nora ein, bewundere ich jede einzelne Mutter für ihre Stärke. Die eine, weil sie es schafft, die Nerven zu behalten, monatelang, tagelang, weil sie nichts lieber tut, als bei ihrem Kind zu sein, egal ob selbiges noch überhaupt nichts tut, nur gluckst, am Laufenden Band „Gackgack“ sagt oder am liebsten nörgelt. Oder all jene, die stets da sind, sich um alles Wichtige kümmern und das auch noch gleichzeitig – obwohl sie sich vielleicht doch ganz heimlich mehr Zeit für sich allein wünschen. Andere hingegen bewundere ich für ihren Balance-Akt zwischen Kuscheln und Karriere und wiederum andere, weil sie arbeiten, statt Brei zu stampfen und den Haushalt ihren Männern überlassen. Jede Mutter, nein Frau, die genau das tut, was sie für richtig hält, ist eine Heldin. Weil nur sie ganz allein weiß, wie weit sie gehen kann, was richtig ist und was falsch.
Richtig ist zum Beispiel, sich selbst nicht zu vergessen. Bloß fällt das An-Sich-Denken sehr verschieden aus. Für mich sind es ganze kinderlose Tage, für die Meisten bloß Stunden. Ich brauche diese Zeit aber wie die Luft zum Atmen, aus unterschiedlichsten Gründen. Ein Falsch gibt es nicht, sagt man. Doch, finde ich. Falsch ist, Dinge nur deshalb zu tun, weil man das nunmal so macht. Weil es doch gar nicht anders geht. Weil es doch das Beste ist für das Kind. Dabei ist das Beste für unsere Kinder immer noch glückliche Eltern zu haben. Aber die sind nur dann glücklich, wenn sie ihr Leben nach echten eigenen Bedürfnissen ausrichten, statt nach fremden.