Ich weiß nicht genau, wann ich zum ersten Mal kurz darüber nachdachte, der Modewelt und ihrer scheinbaren Hochnäsigkeit den Rücken zu kehren, wann ich zum ersten Mal sicher war, die Anna Wintours dieser Welt hätten sie nicht mehr alle beisammen. Auslöser war dieses mittlerweile ziemlich berühmte Zitat der fiktiven Grande Dame des amerikanischen VOGUE-Pendants gespielt von Meryl Streep (ich ging damals noch davon aus, im echten Leben liefe der Hase sehr ähnlich):
„I see, you think this has nothing to do with you. You go to your closet and you select out, oh I don’t know, that lumpy blue sweater, for instance, because you’re trying to tell the world that you take yourself too seriously to care about what you put on your back. But what you don’t know is that that sweater is not just blue, it’s not turquoise, it’s not lapis, it’s actually cerulean. You’re also blindly unaware of the fact that in 2002, Oscar de la Renta did a collection of cerulean gowns. And then I think it was Yves St Laurent, wasn’t it, who showed cerulean military jackets? And then cerulean quickly showed up in the collections of eight different designers. Then it filtered down through the department stores and then trickled on down into some tragic “casual corner” where you, no doubt, fished it out of some clearance bin. However, that blue represents millions of dollars and countless jobs and so it’s sort of comical how you think that you’ve made a choice that exempts you from the fashion industry when, in fact, you’re wearing the sweater that was selected for you by the people in this room. From a pile of “stuff.”“
Erst langsam dämmerte mir, dass Meryl diese scharfen Worte nicht von sich gegeben hatte, um die leicht desinteressierte Mehrheit der sich irgendwie kleidenden Menschheit zu degradieren. Sondern, weil sie Mode liebt, aus tiefstem Herzen und zwar so sehr, dass sie es kaum erträgt, wenn Unwissende über selbige schimpfen, wenn man die Kunst hinter ihr verkennt, deren Bedeutung schmälert und Zusammenhänge ignoriert, oder schlimmer: Wenn man Mode nicht ernst nimmt, sie stattdessen aber lauthals als kopfloses Konsumgut verpönt. Mittlerweile verstehe ich die Reaktion der womöglich etwas überspitzt dargestellten Chefredakteurin zumindest teilweise (auch im echten Leben). Meist in solchen Momenten, in denen plötzlich alte Mitschülerinnen vor mir stehen und nur ein müdes Lächeln für die Dinge übrig haben, mit dem ich mich tagtäglich beschäftige, wenn sich Augenbrauen zwirbeln, weil mein Gegenüber etwas vermeintlich geistreicheres mit seinem Leben anfängt als ich es meinem Beruf je könnte. Genau dann fällt mein Blick manchmal auf ein nettes Zara-Blüschen, das mir hämisch grinsend entgegen wackelt. „Aha“, denke ich dann nur. „Gut, dass es Phoebe Philo gibt, deren Designs im Wochentakt kopiert und für dich an die Stangen der Fast Fashion Giganten gehangen werden. Damit du dich hübsch kleiden kannst und trotzdem das Gefühl hast, es interessiere dich ja eigentlich nicht die Bohne.“
Natürlich ist auch dieser Gedankengang zu großen Stücken Quatsch und mit Sicherheit sorgen Gefühle an dieser Stelle für eine kurzzeitig vernebelte Sichtweise. Und trotzdem muss ich häufig schmunzeln, wenn ich bei H&M, Topshop oder & other stories das Sortiment durchstöbere. Verlorene Zwillinge legendärer Runway-Looks sieht man da, auch interessante Neuinterpretationen und frechen Diebstahl. Immerzu. „Demokratisierung der Mode“ nennt man das System heute und wir, die westliche Welt, profitiert davon. Ich finde, ein bisschen Anmut und Anerkennung würde uns beim nächsten Schlendern durch einschlägige Lieblingsläden also keineswegs schaden.
Hier also eine kleine Liste potentieller Copy-Cat-Anwärter für das Frühjahr 2016:
Trainingspullover im Skifahrer-Look der 70er zu floralen Maxi skirts:
Zu Schleifen gebundene Träger:
Überlange Ärmellösungen, Volumen und lose Schlaufen:
Cognacfarbener Strick mit Reißverschuss-Dekoletee:
Hippie-Kleider in pastelligen Regenbogen-Farben & Volants:
Laternen-Transparenzen & unterfütterte Cut-Outs in Signalfarben:
Layering, Statement-Schmuck & die Farbe Braun:
Röcke im Twiggy-Stil mit kreisförmigen Cut Outs:
2-D-Optik & grafische Outlines:
Romantik Reloded mit Volant-Details und Blumen-Prints:
Lingerie-Look meets Pyjama:
Neue Schößchen:
Lurex & Granny meets Jimmy Hendrix:
Trompeten- und Glockenärmel & Wickeltechniken:
Alle Bilder: VOGUE.