Von der Kleidung, die Leyla Piedayesh für die kommende Herbst/Winter Saison designt hat, sah man gestern Abend nicht viel. Stattdessen wurde im me Collectors Room ein Video an meterhohe Wände projeziert, man stand, denn Sitzplätze gab es keine. Und hier fängt der Spaß auch schon an. Wer Leyla kennt, weiß, das sie gern macht, woran andere erst viel später denken und wenn sie es dann schließlich doch tun, hat sich die Visionärin längt neuen Ideen zugewandt. Bisweilen fielen selbige stets zu Gunsten ihrer verwöhnten Kundinnen aus, im letzten Sommer saß man während der Show an einer üppig gedeckten Festtafel, später, man blieb zum anschließenden Schlemmen praktischerweise gleich sitzen, floss der Wein wie im Schlaraffenland. Diesmal aber bemerkte man schon im Foyer nervöse Blicke. Es fehlten die Platzkarten, die normalerweise dabei helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen und obendrein dafür sorgen, dass sich zumindest die Front Row ein kleines bisschen erhaben fühlen darf.
Wenn der Pöbel aber plötzlich überall ist, versteht manch eine Gattin die Welt nicht mehr. Neben mir hatte sich ein eben solches Exemplar gerade mit verschränkten Armen zum Nörgeln bereit gemacht, als die glasklare Stimme von Jesper Munk im Takt des Lala Berlin-Films einen ganzen Raum in Gänsehaut ertrank. Ich war im Paradies, wie viele andere auch, der Rest konnte vor lauter Ungläubgikeit nicht begreifen, was geschah. Dabei ist es eigentlich ganz einfach.
Möglicherweise ist der gestrige Abend nichts weiter als ein Seismograph auf uns zu rasender Veränderungen, ein erster Vorbote dessen, was demnächst wie ein Donnerwetter durch die Modewelt jagen wird. Die Empörung war bereits groß, als Ricardo Tisci seine Show für Givenchy für jedermann zugänglich machte, auch Misha Nonoo rüttelte am Werte-Baum der elitären Branche, als sie 2015 verkündete, die anstehende Show ausschließlich über ihren eigenen Instagram-Kanal statt auf dem Runway zu zeigen. Weg mit der Exklusion, nieder mit der Sitzreihen-Hierarchie. Und jetzt schießt auch noch Frau Piedayesh quer, ich bin entzückt – es könnte nämlich durchaus an der Zeit sein, endlich zurückzukehren zur Essenz der Mode: Mehr tiefes Fühlen, weniger oberflächliches Betrachten. Weil nichts an unserer Kleidung so wichtig ist, wie das Gefühl, das sie in uns auszulösen vermag. Denn wenn wir ehrlich sind, basiert das Lala Land längst nicht mehr auf rohen Designs, sondern vielmehr auf einer ganzen Welt, die Leyla während der vergangenen Jahre entworfen hat. Der Soundtrack dazu hätte passender nicht ausfallen können.
Die Protagonisten und Protagonistinnen, die von Regisseur und Art Director Jonas Lindstroem gefilmt wurden: Topmodel Lina Berg, der 12jährigen Louise Constein und Anna von Rueden:
Instagram gilt übrigens auch hier als eines der wichtigsten Marketing-Tools, diesmal dank Spiegel-Installation, in der sich die Gäste selbst fotografieren konnten:
Wir dürfen jetzt also weiterhin gespannt sein, wie die Autumn/Winter Kollektion von Lala Berlin am Ende in all seiner Pracht aussehen wird. Was wir bereits wissen: Sie trägt den Namen „Persian Queen goes Berlin “ – als größte Inspiration nennt Leyla Persepolis, die antike persische Hauptstadt, die sich wie keine zweite in Mystik hüllt. Welch wunderbare Kohärenz.
Jesper Munk – The Parched Well: