„Wir bedanken uns für 46 Fahrten mit uns im April!“ – Steht in der Email an mich mit beigefügter Monster-Rechnung des Taxiunternehmens, welches sich als meine neue kreischende Hauptgeldausgabestelle entpuppt.
Was läuft denn hier falsch – oder eben gar nicht?
Eine Taxirechnung in Höhe eines klapperigen Gebrauchtwagens ist zumindest ein Anlass, sich darüber mal ein paar Gedanken und des Pudels Kern ausfindig zu machen. Wann und warum habe ich denn aufgehört in die Tram zu steigen? Wieso erzeugt das Wort U-Bahn senkrechte Nackenhaare? Steckt da womöglich noch was Größeres hinter, als zum Himmel stinkende Faulheit? Bin ich das Problem oder die Menschen? Oder sehe ich mein Geld statt in einer neue Gucci Tasche, ganz einfach lieber in geile Fahrten von A nach B investiert?
Es hat sich tatsächlich eingeschlichen, dass inzwischen selbstverständlich, auch dank bargeld- und sprachloser App, meine Routine“gänge“ mit dem Taxi erledigt werden. Nicht mehr nur zu hohen Feiertagen oder wenn der Nachtbus nicht mehr fährt, geht der Griff zum Mobiltelefon. Neulich habe ich mich dabei ertappt, wie ich mich von Ümit zum Supermarkt hin und auch wieder zurück kutschieren hab lassen. Geht’s eigentlich noch, Scalamari?!
Ich versuche mir mit einem Zitat von Marcel Reich Ranicki zu helfen – der sagte nämlich: „Geld allein macht nicht glücklich, aber es ist besser, in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn“
Zwar galt hier der Fokus nicht dem Akt des Taxifahrens selbst, trotzdem zeigt er mit seinem Vergleich zwei Punkte auf, die auch mir scheinbar gerade zum verführerischen Verhängnis werden:
Erstens: Die unendliche Leichtigkeit der unverbindlichen Anonymität des Taxifahrens nämlich, und das in jeder Lebenssituation. Der Wunsch nach eigenen kleinen Räumen, Kreativzellen, Rückzugsorten innerhalb dieser vollgepackten Stadt, wird immer größer. Ein fahrbarer Noteingang, eine gelbe Gedankensammelbox auf Rädern, immer zur Stelle, ohne Fragen, ohne Rechtfertigung. Platz zum Atmen, Schminken, Schweigen, Tippen, Gucken, Rasten oder Ausrasten – und das unter Abschirmung der Öffentlichkeit. Ein Segen: Das Ichmobil mit Fahrer.
Zweitens: Wenn endlich ein geregelter Geldfluss im Haus Einzug gehalten hat, ist das super, bedarf aber auch starken Charakter, um damit verhältnismäßig umgehen zu können. Die Folge des Geldverdienens ist ja, dass man meist wertvolle Freizeit gegen Arbeit einbüßen muss. Das bringt uns zum akribischen Zusammenklauben wertvoller Qualitätsminuten, und zwar mit Hilfe von Wegersparnissen und Selbstoptimierung. Für den wahren Luxus, dem echten Glück unserer Zeit, nämlich Privatsphäre und Intimität mit Lieblingsmenschen – oder eben mit uns selbst. Dafür braucht man aber Schotter.
Und dann war da noch der Seelentrost von Unbekannt: „Dit macht Acht Euro Fuffzich“
In den letzten Wochen haben sich zahlreiche neue StammfahrerInnen in meine Kurzwahl-Herzensliste geshuttlet. Dabei möchte ich mich besonders für souveränen Umgang mit ab und zu möglicherweise vorgekommenen Krokodilstränen oder derangierten Gesamtzuständen auf der Rückbank bedanken. Beim Holger mit dem Benz, zum Beispiel, der mir die Klopapierrolle nach hinten reichte, beim Adem, der sagte, dass ich froh sein kann, dass ich den Idioten endlich los sei – obwohl er nicht die Bohne wusste, weswegen da hinter ihm Landunter ist. Dirk, der mir die Zigaretten aus der Tanke holte und Jutta, mit ihrer beruhigenden Aura und schlimmen Fahrstil, die mir ihren Seelentrost mit „Acht Euro Fuffzich“ in Rechnung stellen wird (knickknack – schon gelächelt). Glück, dass man sich noch gradeso leisten könnte.
Sagen wir mal so: Es ist definitiv ein weniger schlimmes Gefühl, nicht in der Öffentlichkeit weinen zu müssen – und es ist noch ein viel besseres Gefühl, auf dem Weg nach Hause, oder wohin auch immer, nicht ganz allein zu sein, sondern jemanden am Steuer zu haben, der dich da sicher und, Gott lob, bargeldlos hin bringt – mit offenem Ohr und wenigen Fragen – so als unbeteiligter Dritter, quasi – der manchmal besser wirkt, als ein enger Freund.
Übrigens: Werde mir wohl ein Hollandrad zulegen, mit Körbchen vorne – so schwer kann das ja nicht sein. Tipps?
P.M.B hat da übrigens noch folgendes zu zu sagen:
Wie dem auch sei: Ich bin wieder da, und roll‘ auch wieder.