Unilever will auf sexistische Werbung verzichten. Endlich – denn so lange Frauen in der Werbung sich ihre haarlosen Beine rasieren und von einem „Uups-Moment“ zum nächsten stolpern, bleibt noch einiges zu tun.
Unilever hat so einiges vor: Der Vertreiber von Axe, Langnese und Knorr will in Zukunft keine sexistische Werbung mehr nutzen, um seine Produkte anzupreisen. Keine Axe-Männer mehr, die auf Deo-Knopfdruck Horden kreischender Bikini-Frauen anziehen, keine Muttis mehr, die Ehemann und Kindern aufopferungsvoll das Essen servieren. Vor der Entscheidung für die neue Werbestrategie ließ Unilever die Darstellung von Männern und Frauen in der Werbung sowie deren Wirkung auf Betrachter untersuchen. Ergebnis: Nur drei Prozent der Motive zeigen Frauen in verantwortungsvollen Positionen. Und: Werbung, die moderne Geschlechterbilder zeigt, kommt bei der Kundschaft besser an. Hinter Unilevers Entscheidung steckt deshalb weniger der Anspruch, die Welt ein Stück gleichberechtigter zu machen, als vielmehr wirtschaftliches Interesse.
Macht ja aber auch eigentlich nichts, denn mal ehrlich: Es dürften gerne noch mehr Unternehmen die wirtschaftlichen Vorteile von Geschlechtergerechtigkeit entdecken. Tatsache ist nämlich, dass Frauen in den meisten Kampagnen immer noch als grenzdebile, sexy, ewig blutende, sich rasierende, fürsorgliche, kochende Hausfrauen-Wunder dargestellt.
„Uups-Momente“ und blaues Blut
Da gibt es zum Beispiel die Tena-Lady, die mit französischem Akzent herumhüpft und verkündet, sie hätte ja immer diese „Uups-Momente“. Aber: „C’est la vie“, mit den neuen lights by Tena kriegt frau auch ihre tröpfelnde Blase in den Griff. Von Inkontinenz ist dabei natürlich weder in der Werbung noch auf der dazugehörigen Webseite die Rede – lieber wird von einer „nervösen Blase“ gesprochen und so getan, als sei Inkontinenz in etwa das Gleiche wie Lippenstift auf den Zähnen. Ein „Uups-Moment“ eben.
Genauso, wie die Periode zu bekommen. Wer sie hat, weiß: Dabei handelt es sich um ein monatlich wiederkehrendes, manchmal mehr, manchmal weniger blutiges Ereignis. Nicht so in der heilen Werbe-Welt! Dort sondern Frauen höchstens eine ominöse blaue Flüssigkeit ab – beziehungsweise auch nicht, denn diese Flüssigkeit wird aus kleinen Röhrchen auf die blütenweiße Binde gekippt. Saug saug macht die Binde und alle Probleme dieser Welt sind gelöst. Die US-Schauspielerin und -Komikerin Tina Fey notierte in ihren Memoiren Bossypants ironisch, sie sei entsetzt gewesen, als sie das erste Mal ihre Regel kam: Sie hatte blaue Flüssigkeit erwartet, was kam, war Blut. Igitt! Weil Blut so unappetitlich und unnatürlich ist, darf es auch in Tampon-Werbungen nicht auftauchen. Stattdessen: Frauen in pastelligen Klamotten, die befreit und glücklich durchs Bild springen. Heißa hoppsassa, gut, dass o.b. die „Flüssigkeit“ so gut aufnimmt!
Mit Maggi Fix fix was zaubern
So wie Binden- und Tampon-Werbung ohne Blut auskommen, so wurde auch in Frauen-Rasierer-Werbungen noch nie ein einziges Haar gesichtet. Mit viel Sorgfalt rasiert frau (meistens: irgendeins von Heidis „Mädchen“ aus der aktuellen GNTM-Staffel) sich dort ein bereits haarloses Bein. Ist das Bein dann noch haarloser, samtig weich, verführerisch, ruft der Strand oder ein heißes Date mit einem Jüngling, der vor lauter geschmeidiger Haarlosigkeit kaum noch an sich halten kann.
Zeit für den Strand oder Dates haben die Supermütter und -hausfrauen in der Werbung natürlich nicht. Sie kriegen bereits einen Orgasmus, wenn sie mit Maggi Fix schnell eine leckere Mahlzeit gezaubert und die Bluse ohne großen Aufwand wieder weiß bekommen haben. Ist das geschafft, können sie sogleich mit elegantem Hüftschwung den Wischer über die Fliesen gleiten lassen – begleitet von einem zufrieden lächelnden Meister Proper. Der ist aber auch der einzige Mann, der in der typischen Wisch-und-Weg-Wohnung-sauber-Werbung zu sehen ist. Hat frau ihr Tagewerk verrichtet, hat sie noch viel Zeit, ihr Haar herumzuschmeißen, Duschen unter exotischen Wasserfällen zu nehmen und verzückt ihre frisch mit Deo eingesprühte Achselhöhle zu streicheln. Oder, sich ein Mittel gegen ihre Verstopfung/ihren Durchfall/ihre Bauchkrämpfe zu besorgen. Darunter scheinen Frauen nämlich überdurchschnittlich öfter zu leiden als Männer. Vielleicht, weil Frauen das schmerzverzerrte Gesicht und den Griff zum Bauch besser darstellen können – Gesichter sind allerdings nicht immer gefragt, manchmal reicht auch ein schlanker, trainierter Bauch, in dessen Mitte sich ein Seil schmerzhaft verknotet. Der Bauch ist natürlich auch deshalb so schlank, weil frau um ihre Figur besorgt ist. Ganz anders als die richtigen Kerle, die „ihren Sixpack manchmal lieber trinken als trainieren“ und für die „Salat nur Dischdeko“ ist. Diese Kerle essen den Pizza-Burger, „Finger-Food für Fäuste“. Frauen haben offensichtlich keine Fäuste.
#LikeAGirl
So klischeemäßig das alles ist – ein bisschen tut sich ja doch was. Neben der happy Maggi-Mama steht jetzt oft ein ebenso happy Papa, der zusammen mit ihr das Pulver in die Bolognese kippt. Oder er zaubert mit Frischkäse ein wohlschmeckendes Pastagericht, um die Dame seines Herzens zu beeindrucken. Zwischen all den schmerzverzerrten Gesichtern von krampfgeplagten Frauen taucht jetzt auch mal ein sich den Bauch haltender Mann auf. Und der Damenbinden-Hersteller Always hat mit #LikeAGirl eine ziemlich geniale – nahezu feministische – Kampagne kreiert.
Wird also vielleicht doch alles gut im Werbe-Land – zumindest, wenn endlich mehr Unternehmen kapieren, dass Frauen nicht so sehr auf Werbung stehen, die sie als ewig tropfende, glattrasierte und putzwütige Idiotinnen darstellt.
Von Julia Korbik.
Julia Korbik (*1988) lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. 2014 erschien ihr Buch Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene (Rogner & Bernhard). Julia ist Gründerin und zuständige Redakteurin von Mind the Gap, der Gender-Rubrik des sechssprachigen Europa-Onlinemagazins cafébabel. Auf ihrem Blog Oh, Simone dreht sich alles um die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir.
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