Wir haben euch am Wochenende viel zu lange in Ruhe gelassen, findet ihr nicht auch? Und genau deswegen darf ich heute ganz feierlich (und ein klitzekleines bisschen aufgeregt) verkünden, das genau damit ab sofort Schluss ist. Dürfen wir vorstellen? Slow Sunday – und ein Versuch, sich noch mehr dem Leben zu widmen, seinen kleinen Stolpersteinchen und großartigen Chancen.
Es gibt für mich nichts schöneres, als über Themen zu schreiben, die mich jeden Tag beschäftigen, und genau hier knüpft die neueste Rubrik an. Neben Fair Friday werde ich euch also ab sofort kurz vor einem neuen Wochenstart mit meinen persönlichen Life-Balance Erkenntnissen behelligen. Und na klaro: Wie am Freitag wird es auch am Sonntag um Nachhaltigkeit gehen. Und zwar um Nachhaltigkeit im Umgang mit uns selbst. So!
Und warum das Ganze? Nun, ich war unzufrieden. Sehr lange schon. Und habe vor einiger Zeit angefangen, nach Antworten zu suchen. Die Ergebnisse haben mich überrascht. Trotz der Eigenschaften, die ich an mir am meisten schätze – Disziplin, Organisationstalent und Durchhaltevermögen – bin ich nämlich sehr lange Zeit selber überhaupt kein Stück verantwortungsvoll mit meinen Ressourcen umgegangen. Ich habe versucht, mit einer völlig falschen Herangehensweise Ausgeglichenheit zu erarbeiten. Mit Disziplin, mit To-Do-Listen, mit zu viel Rationalität. Und erreicht habe ich das Gegenteil. Es soll hier nicht um einen Gegenentwurf zu Komplexität, Stress, Hektik und Überforderung gehen, denn ich glaube fest daran, dass wir diese Faktoren brauchen, um an uns zu wachsen und zufriedener zu sein. Der Slow Sunday soll eine Parallele zu ihnen zu schaffen. Es soll darum gehen, ehrlich mit sich selbst zu sein.
Bevor ich alle meine Prinzipien über Bord warf und (meinem Empfinden nach) einen Pakt mit dem Teufel schloss, war ich nahezu hundertprozentig konsequent. Und gehörig ignorant. Ich habe mich für besonders rational und diszipliniert gehalten, weil ich auf dieses ganze Slow-Living-Gerede nichts gegeben habe. Weniger Stress, gut zu sich sein, Freiräume schaffen, Langeweile haben. Für mich war die Sache klar: Das ist nur der Versuch, Faulsein als Entscheidung zu tarnen. Dabei ist das alles ganz ordinärer Kontrollverlust. Ich kann Faulsein nicht ausstehen. Es verursacht Chipskrümel auf der Couch und Staubmutzeln hinter der Tür. Ich möchte auch nicht auf einsame Berghütten fahren und trüben Kräutertee schlürfen. Und überhaupt, wer kann sich das schon leisten? Und was ist, wenn man sich über den Kräutertee mit seinem Companion in die Haare kriegt? Hat mal jemand darüber nachgedacht? Nein, ich wusste selbst am besten, wie man sich Zufriedenheit erarbeitet, nämlich mit Kontrolle über sein Leben. Mit ellenlangen Listen und kontinuierlicher Formulierung von Zielen. Für mich war das logisch: Wenn sich was verändern soll, muss man dafür arbeiten.
Im Rückblick habe ich einen erstaunlich langen Zeitraum gebraucht, um wirklich zu verstehen, dass mir die Kontrolle über mein Leben längst entglitten war. Oder habe ich sie vielleicht nie gehabt? Je mehr ich geackert habe, desto unerfüllter war ich. So schlicht formuliert klingt es fast banal, aber wenn es um einen selbst geht, dann fehlt einem eben der Abstand. Dazu kommt, dass es nicht besonders schwer ist, Kontrollzwang mit tatsächlicher Problemlösung zu verwechseln. Was folgte war ein emotionales Tal, ein verbitterter Kampf zwischen meinem Verlangen, das Leben auf To-Do-Listen einzufangen und der wachsenden Sehnsucht nach innerem Gleichgewicht. Schließlich gab ich auf, verbündete mich mit dem Feind von Höher-Schneller-Weiter und darf heute vermelden: Ich werden von Tag zu Tag zufriedener. Und das alles ohne Räucherstäbchen anzünden (no offense!), Urlaub im Schweigekloster (no offense!), Religion (no offense!) oder Meditation (no offense!). In guten Phasen schaffe ich jetzt sogar mehr, mein Leben hat mehr Struktur und ich habe mehr Zeit zur Verfügung. Ich würde so weit gehen und sagen, ich bin der Kontrolle über mein Leben näher als je zuvor.
Warum es mir (und, da bin ich sicher, vielen anderen auch) oft so viel schwerer fällt, ehrlich zu mir zu sein anstatt immer nur fordernd und hart, bleibt mir wohl für immer ein Rätsel. Dabei müssen Veränderungen nicht immer groß sein, vielleicht sogar im Gegenteil. Wenn es eine sehr große, drastische und schnelle Veränderung braucht, dann oftmals deshalb, weil vorher schon zu viel schief gelaufen ist.
Darum: Vorsorge betreiben, anstatt Brände zu löschen, in Minischritten, mit Spaß und Neugier, ohne Druck. Und einige Einblicke und Erkenntnisse auf meiner Reise möchte ich ab jetzt gerne mit euch teilen. Immer Sonntags.
Und wenn ihr konkrete Themenvorschläge zum „Slow Sunday“ habt oder immer schon „dies und jenes“ wissen wolltet, dann macht einfach piep! Wir freuen uns jedenfalls riesig über euer Feedback <3
Photo in der Collage: Viktoria Hall-Waldhauser