Artikel über die scheiß Tage vor den Tagen, kurz PMS, sind in etwa so gewöhnlich wie Taubenkotflecken auf unter Bäumen stehenden Parkbänken. Bei rund 150 potentiellen Symptomen, von denen zumindest eine Handvoll bei immerhin zwei Drittel aller Gebärmutter-Trägerinnen regelmäßig in Erscheinung treten, wundert das nicht einmal mehr jene, die beschwerdefrei durchs Leben flattern. Männer zum Beispiel. Und auch Frauen, die das große Glück haben, von den Nebenwirkungen dieser blutigen Naturgewalt verschont zu bleiben, nicken Zeilen, aus denen der pure Menstruations-Frust spricht, in den meisten Fällen überaus mitfühlend ab. Jedenfalls nahm ich das bisher an.
Neulich, in einem Café, das köstlichen Kaffee brüht, wurde ich allerdings eines Besseren belehrt, oder eher: Eines Schlechteren. Eine wahre Schönheit saß dort, ihr gegenüber ein Bärtiger, Arbeitskollegen höchstwahrscheinlich. Er regte sich auf, sie stimmte ein ins Fluch-Konzert. Was die Chefin eigentlich für ein Problem habe, schimpfte er, und ob sie denn eigentlich permanent ihre verdammte Mens hätte, so unausgeglichen könne ja niemand sein. Da schüttelte es mich ein erstes Mal, denn ja, es gibt PMS tatsächlich, aber das ist noch lange kein Grund, so vorschnell und frech und nebenbei bemerkt auch sexistisch zu urteilen. Naja, es ging natürlich weiter, beide waren sich einig, die Chefin ist ein Arsch, nur die Sache mit diesem Prämenstruellen Syndrom, schnatterte die Schönheit – das solle er sich gefälligst merken – sei eine ganz lahme Ausrede frustrierter Furien, der allergrößte Quatsch, nicht mehr als eine Ausrede „zickiger Weibsbilder, die sich nicht im Griff haben“. Aus unerfindlichen Gründen kroch der köstliche Kaffee mir plötzlich die Speiseröhre rauf und hätte man mir keine Manieren beigebracht, ich hätte die braune Suppe kein zweites Mal herunter geschluckt, sondern mit großem Genuss und Nachdruck auf den Nachbartisch gespuckt.
Stattdessen aber fischte ich ein OB aus meinem bunt gewebten Tampon-Beutel, legte es gut sichtbar einige Sekunden lang vor mir ab, um es dann lasziv wie eine Zigarette zwischen Mittel- und Zeigefinger Richtung WC zu tragen, samt aufgesetztem Todesblick. Eine Reaktion, die womöglich meiner akuten Periode geschuldet war. Ein Mal im Monat ist das Leben vieler Frauen nämlich wirklich scheißerer als sonst. Meins auch.
Und weil sich kaum etwas so ungerecht und schmerzhaft und tragisch anfühlt wie der Unterleib knapp zwei Wochen nach dem Eisprung, darf man meines Erachtens auch immer wieder darüber reden. Wenn der Uterus sich etwa gefühlt auf links stülpt oder ein imaginäres Hackmesser quer durch die Schleimhaut metzelt, um sich alsbald schon seinen Weg hin zu den Oberschenkel und gen Rücken zu bahnen. Wenn die Schläfen gleichzeitig pochen und man grün wird im Gesicht vor Übelkeit. Wenn der Bauch fast verbrennt, weil die Wärmflasche nicht heiß genug sein kann. Ja, dann sollte man vielleicht sogar sehr viel reden. Mit seinen Freunden, mit vertrauten Arbeitskolleg*innen, dem Partner oder der Partnerin. Das hilft im Zweifel nämlich beiden Seiten und kann mitunter zur Rettung zwischenmenschlicher Beziehungen führen. Denn wer besonders empfindlich auf das Hormon-Hin-und-Her reagiert, schleppt nunmal nicht nur körperliche, sondern auch mentale Beschwerden mit sich herum. Letztere können ebenfalls eine ganz schön harte Ausgeburt der Hölle sein. Es würde also schon reichen, Dinge sagen zu dürfen wie „Ich habe meine Tage und eine überaus kurze Zündschnur, es wird heute also schwer mit mir, ich gebe mir aber große Mühe, trotzdem ganz lieb zu sein.“ Ich mache das oft so, handelt sich hierbei doch entgegen sämtlicher Vorurteile keineswegs um eine Ausrede, sondern um Aufrichtigkeit. Um sowas wie eine echt ernst gemeinte Vorab-Entschuldigung. Und ich glaube, es funktioniert. Das gemeinsame Lachen über Aussetzer fällt dann zum Beispiel viel leichter. Darüber hinaus scheint es nur fair, seine Mitmenschen zu warnen, wenn man gerade dabei ist, im Angesicht der Periode in Weltschmerz, Selbstzweifeln und irrationalen Ängsten zu ersaufen. Meine Wenigkeit mutiert dann nämlich zur reinsten Pest. Jedes Mal, so zwei, drei Tage bevor es los geht.
Ich weine dann, weil meine Eiskugel zu klein ist. Weil jemand vor meinen Augen auf eine Nacktschnecke getreten ist, vielleicht auch nur fast, bei den Tagesthemen, oder im Angesicht einer leeren Chipstüte, ich weine, weil ich glaube, mein Freund fände meinen Ellenbogen zu kratzig, ich weine, weil ich existiere, weil meine Lieblingsjeans kneift oder meine Mutter am Telefon gerade keine Zeit für mich hat. Ich weine, weil ein Knopf abfällt. Oder das Toast vom Holzbrettchen. Ich weine, weil ich denke, ich hätte mich vertan, mit meinem Leben, der Stadt, dem Beruf, der Farbe der Wohnzimmerwand und dann fluche ich vor Wut und Trauer und Verdruss und lauter nicht kapieren, was da vor sich geht. Ich fluche über Fußgänger auf dem Fahrradweg oder Fahrräder auf dem Fußweg oder alles, was Füße oder Räder hat, darüber, dass jemand den alten Frischkäse im Kühlschrank vergessen hat, obwohl ich weiß, dass ich es selbst war, ich fluche über Exfreundinnen von Freunden und neue Freundinnen von Exfreunden und über alles, was sich gerade falsch anfühlt. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich vor den Tagen meiner Tage mehr weine oder fluche, ich vermute aber ersteres. Dann, irgendwann, hilft nur noch feste kuscheln. Wegen der allgemeinen Ungerechtigkeit der Welt. Hauptsächlich mir selbst gegenüber. Und weil dann alles, aber auch wirklich alles scheiße ist. Viel scheißerer als sonst.
Sollte in der kommenden Woche also noch jemand behaupten, das sei doch alles gar nicht so schlimm, bleibt mir leider nichts anderes übrig, als tierisch laut zu schreien (und weinen natürlich), im Schwall zu spucken, oder mit super plus Tampons um mich zu werfen, die übrigens verdammt nochmal endlich von jeglichen Steuern befreit gehören. PMS ist kein faules Hirngespinst. Echt nicht. PMS ist eine richtig blöde Kuh.