Ich musste heute Morgen tief ein- und wieder ausatmen, einige Male hintereinander sogar, sonst wäre es womöglich bald vorbei gewesen mit meiner Existenz. Vor einigen Wochen stimmte ich nämlich zu, einer Jury beizuwohnen, die schon bald den ersten „New Influencer Award“ gemeinsam mit H&M und der Grazia verleihen sollte. Nicht schlecht, dachte ich schnell, hier geht es nicht um mich, sondern um die Förderung von Nachwuchstalenten, und: Vielleicht wird die Branche durch ein solches Spektakel gestärkt, womöglich bemerkt nun auch die breite Masse, dass solch ein „Beruf“ wahrlich echt ist und Arbeit bedeutet, eventuell findet man dort draußen ja sogar jemanden, der mehr Herzblut und Leidenschaft in sich trägt als viele, die einfach nur mal schnell ein paar über-weißte Instagram-Bilder knipsen oder Tigh Gaps für mehr Follower zeigen. Jemanden, der die Chance bekommt, gesehen und gehört zu werden. Ganz ohne Vitamin B. Jemanden, der für etwas steht, statt einfach nur hübsch auszusehen. Gut könne das werden, nahm ich außerdem an, aber nicht im Geringsten wäre ich auf die Idee gekommen, dass sich ein Regen aus verbalem Hass schon lange vor dem eigentlich Austragungs-Termin über ein Vorhaben wie dieses ergießen könne. Und noch dazu einer, der aus Branchen-internen Gewitterwolken geflogen kommt.
Anna Frost etwa verschluckte sich vor allem „aufgrund der Besetzung der Jury“, jemand anderes scherzte just im selben Augenblick „Werde der nächste top Blogger und bekomme täglich tausende Pakete mit goodies, jette gratis um die Welt und sitze neben Karl in der Front row“, aber Schwamm drüber, angeblich sei mittlerweile ohnehin die halbe Bloggerwelt in heller Aufruhr, ein ganzer Bloggerbus sogar, um ganz genau zu sein. Warum, das steht auf einem anderen Blatt, nämlich dem Haben (wollen)-und-Sein-und-Schein-Papier geschrieben. „Nabel-der-Welt-Thematik“ prangt womöglich als Überschrift in Großbuchstaben darüber. Aber dazu kommen wir ein anderes Mal.
Glaubt es jedenfalls oder nicht, aber einen kurzen Augenblick lang habe ich mich von der Unruhe beeinflussen lassen, von den unreflektierten Kommentaren, ich habe mich zu Recht über den für mich unerwartet boulevardesquen Tonfall der Online-Ankündigung echauffiert, mich beschwert, das gebe ich zu – denn ich möchte nicht, dass jemand Bloggerin Farina häufiger sieht als die eigene Mutter – und gehofft, der Erdboden möge ich doch bitte schnell verschlucken. Einen Tee und ein Versprechen, der Text werde alsbald umgeschrieben, später, weiß ich aber, dass ich wie sooft einfach hätte länger durchatmen und mir vertrauen müssen. Denn es ist wie es immer ist: Die, die am lautesten schreien, beweisen am wenigsten Weitsicht. Man kann Awards verteufeln, oder sie als Chance sehen, als eine positive Entwicklung. Man kann die Grazia für ihre ungünstige Wortwahl belächeln oder selbige genau wie sich selbst nicht allzu ernst nehmen und besagte Zeilen als genau das hinnehmen, was sie nunmal sind: Massentauglich. Ich wähle in beiden Fällen Tor II. Und nehme Abstand von weiteren Rechtfertigungsversuchen.
Denn Lisa Banholzer hat es im Grunde längst auf den Punkt gebracht:
„In jeder jungen Branche müsse die Ersten härter für ihren Erfolg kämpfen und müssen evtl. mehr Arbeit leisten, um Wege zu ebnen. Jede große Schwester kennt das. Und trotzdem oder genau für die Professionalisierung der Szene wollen wir den Nachwuchs fördern und supporten.
Wenn diejenigen, die selbst gerade erfolgreich sind dagegen haten und nicht verstehen, dass mindestend 2 Generationen deutscher Fashion-Blogger auch ihnen ihren Werdegang erleichtert haben, tut es mir Leid. #WutBlogger
Stärke zeigt sich im Bestärken von anderen und der Community. Und diese Kultur sollten wir, vor allem in der jungen, meist weiblichen Blogger-Szene, leben und nicht aus Angst und Konkurrenz auf Ellenbogen-Taktik setzen.#justsaying “
Es gibt übrigens kein Honorar für das Beiwohnen dieser Jury. Und ja, ich bin mir obendrein im Klaren darüber, dass Caro Daur, Nina Süß und ich allesamt in anderen „Schubladen“ wohnen. Bloß respektiere ich seit jeher jedes einzelne der anderen Jury-Mitglieder für genau das, was sie sind und leisten. Warum, lest ihr zum Beispiel hier. Ich freue mich also weiterhin auf den 7. September und bin gespannt auf alles, was kommt. Auf die Bewerber*innen. Und das Feedback. Sollte der Award nämlich entgegen meiner Hoffnungen zur reinsten Vollkatastrophe mutieren, habe ich keinerlei Scheu, euch davon zu berichten. Statt aber schon jetzt zu fluchen, lasse ich mich lieber überraschen, bleibe Optimistin und über mich darin, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen. Das würde dem ein oder anderen da draußen übrigens auch recht gut zu Gesicht stehen.
Alle Infos hier.