Ich bin kein sonderlich großer Fan von Vetements als solches, dem Hype-Label der Stunde, obwohl, was rede ich da, vielleicht ist das ganz große Buhlen um das Kollektiv auch bald schon wieder vorbei. Mit meiner mittelgroßen Antipathie sitze ich zumindest Branchen-intern recht einsam auf der Zuschauerbank, ich bin sozusagen draußen, während die anderen sich drinnen vor Begeisterung überschlagen. Ich überschlage mich auch, aber einzig und allein ob der Genialität eines Demna Gvasalias, Head Designer bei Vetements, wegen seines Gespürs für das, wonach sich die Stil-Elite verzehrt, nämlich unter anderem Exklusion durch absurde Preise, für seine Gabe, aus uncool cool zu machen, für sein Pokerface – er weiß, genau, was er da tut und hält die Fäden in der Hand, es ist, als würde er mit uns spielen. Er versteht die Essenz der Mode und pfeift gleichzeitig auf sie, er propagiert Anti-Mode, nein, besser, Kleidung statt Mode, er feiert die Dreistigkeit, er bricht Regeln für die jungen Wilden, die sich seine Kleider in den wenigsten Fällen leisten können, er fängt den Zeitgeist ein, um ihn durch seinen Filter wieder raus in die Welt zu lassen, er kreiert ein einzigartiges mit Unantastbarkeit aufgeladenes Image, das dennoch auf den Straßen und beim Rave geboren wurde und sieht ganz ruhig dabei zu, wie seine Jünger ihm folgen. Das muss Ironie sein, alles. Genial eben. So etwas wie ein Kosumenten-Experiment: Wie weit kann man gehen? Vielleicht ist es auch ganz anders, vielleicht ist all das exakt so gemeint wie gesagt und gezeigt – Manch einer vermutet jedenfalls, der 35-Jährige Designer sei auf der tiefen Suche nach einer neuen Form vom Schönheit. Immer wenn ich diesen Satz von Alessandro Michele über seinen Kollegen lese, dämmert mir, dass ich noch immer vieles nicht verstanden habe. Was mir bleibt, ist aber immerhin die Gewissheit, dass Demna Gvasalia ein ganz Großer ist, so oder so. Jetzt auch noch drüben als Creative Director bei Balenciaga:
Man sieht den Vetements-Einfluss und wenn man so will, ist in seiner ersten Herbst/Winter Kollektion 2016 für das französische Modehaus sogar eine Ode an Rei Kawakubo zu lesen. Gemeint ist das Kompromisslose, das Dreiste, mit der nur Andersdenker neue Maßstäbe zu setzen in der Lage sind. Kein anderer wäre passender gewesen, Alexander Wangs Nachfolge anzutreten und wer ehrlich ist, der muss sogar sagen: Ihn endlich abzulösen. Als Nicolas Ghesquière 1997 das Zepter bei Balenciaga in die Hand gedrückt bekam, da verwandelte er Staub in Coolness. Und auch Christobal Balenciaga selbst war, mir fällt kein anderer Begriff ein, cool. Demna Gvasali sollte es demnach nicht schwer gefallen sein, Parallelen zwischen sich selbst und den beiden Designern, die ihr Label maßgeblich geprägt haben, zu ziehen. Auch optisch. Das Dekonstruierte, das Florale, das Übersetzen von Altem ins Jetzt. Balenciaga ist ab sofort womöglich das schönere Vetements.
Genau wie das Label Off-White, das sich seit 2014 in Windeseile nach ganz oben katapultiert hat. Vielleicht, weil Chefdesigner Virgil Abloh optimistischer ist, weniger morbid, einladender. Verliebt in die schönen Dinge des Lebens eben und mehr Tageslicht, als Strobo: