This is Jane Wayne - Slow Sunday - Selbstliebe

Slow Sunday //
Gedanken zur Selbstliebe

09.10.2016 Slow Sunday

This is Jane Wayne - Slow Sunday - Selbstliebe

Wenn mich jemand bitten würde, alle Menschen aufzuzählen, die ich von Herzen liebe, dann käme ich auf eine überschaubare Menge von wertvollen Individuen, denen ich nur Gutes wünsche, ohne die ich mir mein Leben nicht vorstellen kann und über deren Existenz ich verdammt froh bin. Niemals wäre mir allerdings einfallen, in dieser Aufzählung auch mich selbst zu nennen. Das Konzept „Selbstliebe“ war mir lange eher unbehaglich. Das klang realitätsfern und irgendwie peinlich. Wer liebt sich schon selber?!

Vor kurzem sah ich dann in Warschau eine riesige Neonreklame: Love Yourself. Ein alter Hut eigentlich (dafür direkt 5 Zloty ins Phrasenschwein), inhaltlich keine sonderlich bahnbrechende Neuentdeckung. Und doch trafen mich diese simplen Worte unvorbereitet heftig und dieser Zustand hielt für mehrere Tage an. Daran konnten auch der kommerzielle Rahmen und die plakative Oberflächlichkeit nichts ändern. Manchmal trifft simpel und straight eben genau den Punkt. Aus der Aufforderung „Love Yourself“ ergab sich für mich die Frage: Aber wie liebt man sich selbst eigentlich richtig?

Für mich war „Selbstliebe“ immer ein komisches Wort, ein Synonym für „Narzissmus“ quasi. Ich habe mir schließlich die Nähe zu mir selber nicht ausgesucht, ich hatte kein Mitspracherecht und verstand nicht, wie ich nur aus der Tatsache heraus, dass ich untrennbar von mir selber bin und mir den Rest meines Lebens auf der Pelle hocke, Liebe generieren sollte.

Und dann habe ich lernen dürfen (oder: müssen), dass wahrhaft narzisstisch veranlagte Menschen tatsächlich nicht nur andere, sondern in Wahrheit auch sich selbst nicht lieben. Meine Annahme war also gänzlich falsch gewesen. Sicherlich nicht allumfassend zutreffend, aber als Faustregel durchaus hilfreich: Menschen, die auf eine unangenehme und negative Art und Weise Aufmerksamkeit und ewiges im-Mittelpunkt-Stehen einfordern, sind in Wirklichkeit wahrscheinlich ziemlich alleine, oft traurig und alles andere als im Reinen mit sich. Oder anders gesagt: Je lauter und öfter ein Mensch von sich selber spricht, sich in den Fokus rückt und anderen seine Meinung aufzwingt, desto weniger liebt er sich selbst. Und ich vermute sehr stark, dass das auch für andere und eher auto-aggressive Verhaltensweisen gilt, zum Beispiel Devotion, selbstzerstörerisches Verhalten jedweder Art, sich alles gefallen oder sich ständig unterbuttern zu lassen.

Kombiniere: Echte Selbstliebe zu lernen, könnte mich vor dem einen wie dem anderen Extrem und den daran gekoppelten Gefühlszuständen bewahren. Und das wünsche ich mir. Ich verstehe sie inzwischen als eine Basis für alles Positive in unseren Leben – Beziehungen aller Art, Erfolg im Job, Erziehung von Nachwuchs und das Überstehen von Tiefschlägen. Selbstliebe, so meine Grundidee, übertrifft Zufriedenheit und schlägt Unsicherheit. Und ganz nebenher kann sie die manchmal unvermeidliche Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit von außen neutralisieren.

Und deswegen habe ich mich nach ihr auf die Suche gemacht. Ein paar erste Annäherungsversuche möchte ich gerne demnächst mit euch hier am Slow Sunday teilen – das Thema wird uns also wahrscheinlich noch etwas länger begleiten, wenn ihr denn so mögt. Ich freue mich natürlich wie immer über eure Rückmeldung und eure Meinungen und Ideen zum Thema <3

5 Kommentare

  1. anvic

    Toller Kommentar! Du hast einen tollen Schreibstil: bedacht, eine astreine sauberer Wortwahl, auf den Punkt. Trotzdem kräftig im Wort und Aussage, eine Prise Witz ohne angestrengt zu wirken. Super!!
    Mein Tipp zur Selbstliebe: Sauna-Sunday! Grad im Herbst. Weil: warm, mega-chillig, gut fürs Gemüt und die Gesundheit und man lernt schnell, dass ohne Adamsblättchen allesamt so gleich und auf Augenhöhe sind. Ob Bohnenstange oder Kurven-Wunder, Muskelmausi oder Spargeltarzan. Insofern sie die Schwitzebude nicht als Präsentierteller des Projekt Körpers nutzen. Aber darüber kann man gerne schmunzeln. Oder einfach wegschaun und das Nachprickeln des Saunagangs genießen. Und an Pommes denken.

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  2. Pi

    super spannendes thema!
    vor allem auch, weil es eine grosse rolle in der nachhaltigkeits- und umweltpsychologie spielt.

    ich kann deine irritation gut nachvollziehen,und das geht bestimmt vielen so:
    narzissmus (oder selbstverliebtheit/eitelkeit, denn das ist ja, was viele mit narzissmus im alltaeglichen sprachgebrauch meinen) und selbstliebe auseinanderzufisseln ist ne komplexe angelegenheit.

    narzissmuss/selbstverliebtheit/eitelkeit ist aber wirklich das genaue gegenteil von selbstliebe:

    narzissmuss/selbstverliebtheit/eitelkeit sucht in der reflexion von aussen nach selbstwert, anerkennung, liebe und erfuellung: im spiegelbild, in der bewunderung anderer, durch ueberbetonung der eigenen wichtigkeit und permanente SELBST-STAERKUNG

    selbstliebe nimmt das selbst so an, wie es ist, mit all seinen staerken und schwaechen.
    wenn man sich so annehmen kann, muss man nicht ständig nach MEHR streben, nach anerkennung, bewunderung und identitaetskonstruktion durch materielles, image, wissen, moralische ueberlegenheit etc. in diesem sinn steht selbstliebe fuer SELBST-UEBERWINDUNG.

    das wird in dem schoenen spruch deutlich: nur, wer sich selbst liebt, kann andere lieben.
    nur, wer sich selbst liebt, kann auch die groessere soziale und natuerliche umwelt lieben, schaetzen und schuetzen. dieses konzept der ego-ueberwindung findet sich auch in vielen lehren inneren wachstums (yoga, meditaion) und auch in der glueckforschung (achtsamkeit, flow-theorien)

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  3. Larissa Friedrich

    Du tolle Frau,
    du hast so recht. Ich musste leider viel zu oft mit dem Köpfchen nicken bei den obigen Zeilen.
    Ich bin so gespannt auf deine Ansicht und hoffe auch für mich was dabei mitnehmen zu dürfen.
    Liebst, Larry

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  4. Leo

    Danke für deine Denkanstöße!
    Zu dem Thema habe ich neulich in der Brigitte (12/2016) einen ganz spannenden Artikel gelesen, in dem ein Psychologe zu Narzissmus interviewt wurde.
    Er unterscheidet zwischen gesundem und ungesundem Narzissmus mit zwei sehr klugen Sätzen, wie ich finde: „Menschen mit einem gesunden Narzissmus sind zwar auch nicht unbedingt bescheiden, sie haben oft große Träume, aber sie lügen nicht oder stehlen oder verletzen andere Leute, nur um das zu erreichen. Kurzum: Sie leben ihren Narzissmus nicht auf Kosten ihrer Beziehungen aus.“
    Das ist doch genau der Punkt, oder? Selbstliebe ist eine Win-Win-Situation, denke ich, weil man zuerst einmal niemanden schadet, wenn man an ihr arbeitet und darüber hinaus sogar soziale Beziehungen stärken kann (weil ich nicht davon abhängig bin, dass der/ die Andere mich liebt,…).

    Dein Bestreben, Selbstliebe zum Vermeiden von Überheblichkeit oder mangelndem Selbstwertgefühl zu erlernen, finde ich allerdings etwas befremdlich. Irgendwie klingt sie auf diese Weise nach „Mittel zum Zweck“, quasi instrumentalisiert.
    Ich bin mir nicht sicher, ob das der richtige Anreiz ist bzw. ob es überhaupt einen geben kann.
    Ist Selbstliebe nicht etwas eigentlich Natürliches, das aus sich selbst heraus entsteht? Und wächst, je mehr Erfahrungen man mit sich selbst macht?
    Vielleicht müssen wir „nur“ die Störgrößen bearbeiten, die sie behindern? Dinge wie körperliche Ideal-Vorstellungen, die von den Medien transportiert werden oder Vorstellungen, wie man sich zu verhalten oder nicht zu verhalten hat, … und eben deren Einfluss auf uns und unsere Selbstliebe. Sicherlich eine Lebensaufgabe!
    Und vielleicht meine ich damit genau das gleiche wie du? Ich bin mir gerade nicht sicher…
    Leo
    PS: Jedenfalls ein spannendes Thema, was notwenigerweise jeden betrifft! Ich werde gespannt verfolgen, welche Ideen du dazu hast

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