How to Survive the Wintertief //
Mit Johanna Warda

17.01.2017 Menschen

Collage_Fabienne_Fotocredit_MarieFröhlich

Da sind sie wieder. Diese nie enden wollenden, grauen und kalten Wintermonate, über deren Existenz wir uns erst nach Weihnachtsstress und Jahreswechsel richtig bewusst werden. Im Dezember hat noch alles geglitzert und geleuchtet. Die fröhlichen Festtage standen kurz bevor, die Stimmung stets glühweintrunken und heiter. Doch jetzt scheint der Frühling weiter entfernt denn je und im besten Fall geht es dann im Februar nochmal richtig los mit dem Dreckswetter. Adieu fröhliche Feiertage – Welcome Wintertief und Weltschmerz, Trübsaalblasen, Grübeln und Leiden. All das fällt bei allgegenwärtiger Miesgelauntheit nämlich besonders leicht.

Die ewig guten Vorsätze und Gefühlsduseleien des Silvesterabends hängen uns noch nach und das Jahr scheint nur schleppend wieder in den gewohnten Rhythmus zu kommen (die richtigen Tipps hat Sarah für euch hier schon zusammengestellt). Während viele sich mit UV-Lampen eindecken und ich regelmäßig mit dem Gedanken spiele, dem Solarium meines Vertrauens einen kurzen Besuch abzustatten (Pssst! Ungesund, aber soll ja helfen!), ist es manchmal auch großartig, sich an seinem Lieblingsort zu verstecken und die Welt da draußen einfach „Welt da draußen“ sein zu lassen. Bloß kein schlechtes Gewissen beim Fläzen auf der Couch. Der Frühjahrsputz kann warten, sich ums eigene Seelenheil kümmern ist wichtiger denn je. Hierzu habe ich Johanna Warda mit Fragen und Tipps gegen düstere Winterstimmung gelöchert.

Vielleicht kennen die einen oder anderen sie noch von ihren Reader’s Notes auf AMAZED, in denen sie etwa über die Liebe und das Internet und von Frauen, die Dosenbier trinken spricht. Doch das ist ja längst noch nicht alles, was die gute Johanna zu bieten hat.

Vor einigen Jahren hat sie das feministische Portal Scheidé Revoltée ins Leben gerufen und versorgt Abonnent*innen regelmäßig mit Content vom aller feinsten. Sie hat Kulturwissenschaft studiert, ist leidenschaftliche Fotografin und pflegt eine intensive Liebesbeziehung mit dem World Wide Web, Neukölln und Punkrock.

Bühne Frei!

Was regt dich im Moment so richtig auf?

Bei allem, was in den letzten Monaten schief läuft, kann ich mich gar nicht richtig für eine Sache entscheiden. Ich glaube, dass unsere immer stärker ausgeprägten Filter-Bubbles (online und offline) ein Grund für viele aktuelle Probleme sind. Darüber ärgere ich mich sehr oft. Ich erwische mich zum Beispiel manchmal selbst dabei, wie ich nur an hippe Mittzwanziger-Kids denke, wenn ich über „die Berliner“ spreche – das ist einfach nur krass verkürzt und nicht richtig. Man blendet den Großteil der Menschen einfach aus. Und diese allgemeine Verhaltensweise wird auch in vielen Medien übernommen und verstärkt das Problem immer mehr. Dafür müssen wir alle sensibler werden, denn es ist wichtig, andere Lebensrealitäten zu verstehen und sich mit ihnen auseinander zu setzen.

Am Winter besonders doof findest du:

Die schlechte Laune, die sich breitmacht, wenn Berlin langsam an kollektivem Vitamin-D-Mangel leidet.

Holt dich das Tief jedes Jahr aufs Neue ein?

Der Übergang von Herbst zu Winter kriegt mich immer, ja. Und spätestens Mitte Februar hat gefühlt ganz Berlin keinen Bock mehr und alle beleidigen sich gegenseitig. Da knickt selbst der positivste Mensch irgendwann ein. Aber: Payoff ist dann der erste warme Frühlingstag, wenn man das Gefühl hat, dass die ganze Stadt vor Erleichterung aufatmet. Alle liegen sich in den Armen und sind übertrieben nett zueinander. Das ist jedes Jahr ein magischer Tag. Ich würde fast schon sagen: der inoffiziell wichtigste Feiertag in Berlin. Ich freu’ mich schon drauf!

Ablenkung hilft! Welches Buch liest du auf dem Sofa?

Ich schleppe jetzt seit knapp einem Jahr das aktuelle Buch von Patti Smith M Train mit mir rum und lese immer mal wieder rein – ich will gar nicht, dass es aufhört. Ich liebe Patti Smith, sie ist für mich sowas wie die Hohepriesterin des Punk. Man verfällt beim Lesen ihrer Texte in einen total melancholischen, entschleunigten Modus und will plötzlich nur noch literweise schwarzen Kaffee trinken und Gedichte schreiben.

Und welche Musik passt zum Faulenzen während der kalten Jahreszeit?

Wenn man sich in den Wintermodus reinsteigern will: das Album Anywhere I Lay My Head von Scarlett Johansson.

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Wenn man aus dem Modus raus will: Die „Smoothy Trashy“-Playlist von meinem Spotify-DJ-Team. Nichts als 00’er Trash, Hip Hop und R’n’B.

Gaumenfreude an grauen Wintertagen?

Halloumi-Makali-Sandwich von Al Andalos!

Was gönnst du dir gelegentlich, wenn es darum geht, dich selbst ein bisschen aufzuheitern?

Leckeren Kaffee und die besten Snacks in meinem Lieblingscafé CAMON, in dem meine Freundin Jule arbeitet.

Tipps für einen Serienmarathon?

Ich habe Netflix in diesem Jahr quasi durchgespielt, deswegen weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll. Vor Kurzem habe ich eine extrem witzige Serie über eine WG in Kalifornien entdeckt, in der der Protagonist mit 21 merkt, dass er schwul ist: Please Like Me. Demnächst erscheint außerdem die zweite Staffel von Aziz Ansari’s Serie Master of None, die sich genauso humorvoll mit ähnlichen Problemen von Thirty-Somethings in New York auseinandersetzt.

Beide Serien haben ein gutes Gespür für Genderthematik. Ich schau mir auch gerne abgründige Stand-Up-Comedy auf Netflix an, am Liebsten Louis C.K., Chelsea Peretti und Hannibal Buress.

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Ein Film, der dich zurzeit in einen gemütlichen Kinosessel lockt?

Vor Kurzem habe ich mir den neuen Jim Jarmusch Film Paterson im Kino angeschaut und war extrem beeindruckt. Danach habe ich mich gefühlt wie nach einem extrem erholsamen Mittagsschlaf – im besten Sinne. Sehr empfehlenswert!

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Ein anderer Lieblings-Regisseur von mir, Park Chan Wook, bringt bald seinen neuen Film Die Taschendiebin heraus – den werde ich mir auch auf jeden Fall reinziehen.

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Der perfekte Ort in deiner Stadt um einen Tag außerhalb der eigenen vier Wände zu verbringen?

Berlin ist im Winter ja bekanntermaßen super hässlich. Aber: die Insel der Jugend im Treptower Park ist sogar im Winter schön. Wenn man schon mal da ist, kann man auch gleich ’ne Runde durch den Plänterwald laufen, am alten Spreepark vorbei. Aber am allerliebsten schleppe ich meine Freunde zu Monster Ronson’s an der Warschauer Straße zum Karaokesingen. Dort kann man sich Kabinen mieten und muss sich nicht auf der Bühne blamieren (sondern nur vor den eigenen Freunden) – macht richtig Bock!

Eine Hörbuch oder Podcast Empfehlung zum Ohren spitzen?

Ich höre mir seit vielen Jahren fast jeden Tag zum Einschlafen Domian an. Am 16.12.16 war seine letzte Sendung und ich war richtig traurig. Das klingt vielleicht komisch, aber ich habe bei dieser Sendung viel über das Leben gelernt, und seine Empathie macht ihn zu einer richtigen Vorbildfigur. Domian ist nämlich viel mehr als nur verstörende Hackfleischfetischstories. Außerdem bekommen die eigenen Probleme ein ganz anderes Gewicht. Es gibt immer noch 21 Jahre Material, das man sich anhören kann (ein ganzes Domian-Archiv). Shoutout an Jürgen, du bist der Beste!

Dein ultimativer Tipp gegen das Tief?

Parks & Recreation gucken! Und Harry Potter lesen.

Danke liebe Johanna.

7 Kommentare

  1. Lisa

    Schöne Tipps! Ich liebe Please Like Me auch. Aber es spielt in Australien, oder? Finde gerade auch die Akzente so nett anzuhören. Josh <3

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  2. Franzi

    Ich bin geradzu froh zu hören, dass ich nicht die einzige hier ist, die Domian als tägliche Einschlafhilfe und Anlass zum Reflektieren über fremde und eigene Probleme vermissen wird! Aber zum Glück hab auch ich noch ein paar Archiv-Folgen zum Nachhören übrig 🙂

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  3. Lene

    Tolle Tipps bezüglich Netflix & Kino. Leider wird Paterson in Stuttgart heute zum letzten Mal gezeigt, aber dann eben auf dem Sofa im Heimkino geschaut 🙂

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  4. Pingback: Cherry Picks #2 - amazed

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