Vielleicht liegt es am Jahreswechsel, vielleicht an eisigen Minustemperaturen in der Hauptstadt, aber mein Geduldsfaden entspricht seit dieser Woche einem kaum mehr sichtbaren Faden. Ich spreche von den Auswirkungen der Fashion Week auf mein Nervensystem. Der Hauptgrund: Die grüne und nachhaltige Fashion Week, die es sich auch in diesem Jahr wieder mal nicht nehmen ließ, die sich mühsam aufbauende Mainstreamtauglichkeit von Slow und Ethical Fashion stark zurück zu werfen.
Wie auch in den vergangene Jahren habe ich nach dieser Woche das Gefühl, die nachhaltige Szene kann wieder von vorne beginnen und zwar als allererstes mit ordentlichter Grundlagenarbeit. Der Eindruck, den 80 Prozent der Brands bei den Besuchern gemacht haben müssen, lässt mich gruseln: Eco, das scheint immer noch viel zu häufig gleichbedeutend mit grünen Logos, Filz und vollständig an der Realität vorbeidesignten Super-GAUs. Mehr als sonst bin ich den wenigen Brands und Vordenkern dankbar, die den grüngrauen Ökoschleier dieser Szene für kurze Momente hell erleuchten konnten.
Denn es gab sie durchaus, die kleinen Lichtblicke meiner ganz persönlichen grünen Fashion Week in Berlin: Zum Beispiel die Show von Philomena Zanetti, die mich fast zu Tränen rührte, weil Julia Leifert wieder einmal bewies, dass sich nachhaltige und ethisch produzierte Mode in keinster Weise hinter den anderen, weniger grünen Kollegen verstecken muss. Für ihre Show, ihre Designs und ihre Vision bin ich ihr so dankbar, dass sie spätestens seit dieser Fashion Week für mich eine der wahren Heldinnen der grünen Modebewegung ist.
Auch einige wenige Aussteller des Green Showrooms blitzen und blinken jedes Jahr ein Stückchen schöner. Die kleinen aber feinen Kollektionsteile zum Beispiel von Labels wie Jan ’N June, By Signe, Jungle Folk und Maria Seifert hätte ich teilweise am liebsten gleich mit nach Hause genommen. Was sich bei all diesen Labels durchzieht, sind in sich geschlossene Kollektionen, die zeitlos schön und saisonunabhängig sind. An der ein oder anderen Stelle ist zwar noch Luft nach oben, was zum Beispiel Qualität und Haltbarkeit angeht, aber auch da kann man von Jahr zu Jahr stetige Verbesserung erkennen.
Dagegen bildet die an den Green Showroom angeschlossene Ethical Fashion Show ein ordentliches Kontrastprogramm. Wenige bis keine Highlights, dafür eine Atmosphäre, für die mir nur das Wort „altbacken“ einfällt – inklusive jeder Menge Samt, Filz und Strick in allen vier Grundfarben. Wieso so viele Marken der Meinung sind, dass man nur mit Hilfe von schmerzhaft auffälligen Riesenknöpfen und Schnickschnack A modisch und B wettbewerbsfähig sein könne, werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr verstehen. Auch der Hang zu teilweise schmerzhaften Statement-Pieces mit Öko- und Sozial-Message haben meiner Meinung nach in einem Bereich, der zum Erreichen seiner Ziele unbedingt Mainstream-Appeal braucht, nicht viel zu suchen. Klaro, sozialen Projekten und Charity-Bemühungen gebührt Ehre und Dank, auf Kleidungsstücken mit Modeanspruch aber sind in diesem Zusammenhang stehende Keywords völlig abträglich.
Absolut ihr Ziel verfehlt hatte auch die der Ethical Fashion Messe angehörige Show im Energieforum. Ich bin es leider so satt, die vermeintliche Entwicklung der nachhaltigen Szene schönreden zu müssen und weigere mich von nun an, das weiterhin zu tun. Im Energieforum mangelte es an allem, woran es einer anspruchsvollen Show nur mangeln kann: Location, Designs, Kapazität der Sitzplätze, Technik, fehlendes Getränkeangebot. Auch die Auswahl einiger Models und unpassende BMX Einlagen zwischendurch haben nicht geholfen. Ab und an kommt mir die nachhaltige Szene wie ein schmollendes Kind vor, das glaubt, dass nicht es selber, sondern ausschließlich die Welt um es herum sich anzupassen habe. Wer aber bei den Großen mitspielen möchte, der muss sich anstrengend. Ein Mangel an Vergleichbarkeit und Konkurrenz in der Nische kann nicht bedeuten, dass man sich mit mageren Kompromissen zufrieden gibt. Ethischer Konsum muss darum kämpfen, neben dem konventionellen und etablierten System zu bestehen und nicht andersrum. Die schiere Menge an Luft nach oben, die sich an dieser Stelle zeigte, war atemberaubend.
Zwischen einigen Veranstaltungen hatte ich außerdem kurz Zeit, bei Armedangels und Funktion Schnitt auf der Premium vorbeizuschauen. Während Funktion Schnitt sich im Allgemeinen auf gute Basics in hoher Qualität konzentriert und darüber hinaus einen mehr als vorzeigbaren Flagship in bester Lage in Köln vorzuweisen hat, kann ich für meinen Teil partout nicht akzeptieren, dass die sonst so simplen und cleanen Shirts teilweise außen einen „100 Prozent Biobaumwolle“-Aufdruck tragen. Dabei mag ich die Schnitte der T-Shirts und Oberteile wirklich sehr. So schade und so close!
Armedangels lassen den früheren Casual-Einschlag indessen immer weiter hinter sich und manövrieren sich mit aller Kraft aus der Öko-Ecke heraus. Während ich mir persönlich wünsche, dass Blumen-, Blätter- oder sonstige T-Shirt Prints bitte endlich auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung verschwinden, hoffe ich gleichzeitig, dass sich Armedangels noch mehr traut, als es das bis dato tut – denn der Weg ist der Richtige! Weg mit den nicht zu engen und nicht zu sexy Blüschen und den mittellangen 0-Risiko-Kleidchen. Schlichte, klassische Schnitte, unaufgeregte Farben, hochwertiges Material – genau da, so hoffe ich, geht die Reise hin und angesichts der Designs der angehenden Herbst-Winter-Kollektion, die ich auf der Messe gesehen habe, weiß ich, dass Armedangels genau das auch kann. Und deshalb bin ich wahnsinnig ungeduldig.
Mehr Details zu den Brands und visuelle Ausblicke darauf, was uns 2017/2018 erwarten wird, folgen bald. Außerdem habe ich für euch in dem seit diesem Jahr neuen Lingerie-Bereich der Panorama Messe die schönsten nachhaltigen Unterwäschelabels ausfindig gemacht. Auch dazu bald mehr hier. <3
Fotos Philomena Zanetti Show: Bon Parinya Wongwannawat