Am 21. Januar 2017 gingen weltweit Millionen von Menschen auf die Straße, um gegen Donald Trump und das, wofür er steht, zu demonstrieren. Ein überwältigendes Ereignis – und jetzt?
Am letzten Samstag stieg ich in Paderborn in ein Taxi zum Bahnhof. Ich hatte einen Vortrag zu Feminismus heute gehalten, eine langstielige Dankeschön-Rose klemmte unpraktisch unter meinem Arm. Der Taxifahrer warf einen Blick auf die Rose. „Was gab’s denn da?“, fragte er „Einen frauenpolitischen Themennachmittag.“ „Na“, sagte er, „heute ist doch auch diese große Demonstration! Dieser Women’s March.“ Innerlich stellte ich mich auf eine dieser üblich Diskussionen ein: Wie, warum und überhaupt, Frauen geht’s doch super, dieses ständige Gemaule, nervige Feministinnen, und so weiter und so fort. Stattdessen: „Gute Sache“, sprach der Taxifahrer, „diesen Trump, den kann man ja nicht so stehen lassen. Furchtbarer Mann.“ Und obwohl ich selbst in Paderborn war und nicht auf dem Women’s March in Berlin sein konnte: In diesem Moment fühlte ich etwas Warmes in mir hochsteigen.
Ein Gefühl, das sich noch verstärkte, als ich Stunden später zu Hause war und auf Instagram den Tag Revue passieren ließ: Fotos von Menschen – vor allem Frauen – rund um die Welt, die für Gleichberechtigung auf die Straße gingen und gegen einen Mann, dessen Einstellung zu Frauen sich mit dem Satz „Grab them by the pussy“ zusammenfassen lässt. Die schiere Masse der Demonstrant*innen war überwältigend, aber auch die Energie, die von ihnen ausging, die Entschlossenheit und der Trotz. Dass Donald Trump am 20. Januar tatsächlich als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt wurde, fühlt sich immer noch wie ein schlechter Scherz an – aber die bunten, riesigen Proteste weltweit boten doch so etwas wie Hoffnung und Trost.
Worte, die im Gedächtnis bleiben
Viele bewegende Reden wurden während des Women’s March gehalten, vor allem natürlich auf der Hauptdemonstration in Washington DC. Eine davon stammt von der Fernsehmoderatorin und Autorin Janet Mock:
„I stand here as someone who has written herself onto this stage, to unapologetically proclaim that I am a trans woman writer, activist, revolutionary of color. (…) I stand here today, most of all, because I am my sisters’ keeper. My sisters and siblings are being beaten and brutalized, neglected and invisibilized, extinguished and exiled. My sisters and siblings have been pushed out of hostile homes and intolerant schools. My sisters and siblings have been forced into detention facilities and prisons and deeper into poverty. And I hold these harsh truths close. They enrage me and fuel me. But I cannot survive on righteous anger alone. Today, by being here, it is my commitment to getting us free that keeps me marching. Our approach to freedom may not be identical, but it must be intersectional and inclusive.”
Worte, die im Gedächtnis bleiben. Genauso wie die Frage: Und jetzt? Wie geht es weiter nach dieser überdimensionalen, weltweiten Solidaritätsbekundung? Reicht eine Massendemonstration, um etwas zu verändern? Schon vor dem 21. Januar gab es Kritik am Women’s March: Es gehe viel eher um Feel Good-Botschaften als um tatsächlichen gesellschaftlichen und politischen Wandel. Gerade in den USA wiesen viele Afroamerikaner*innen zu Recht darauf hin, dass ein Großteil der weißen Demonstrant*innen sich wohl kaum auf einer Black Lives Matter-Veranstaltung sehen lassen würde – mit der so hoch gehaltenen Solidarität, mit der sisterhood sei es nicht weit her. Auch die Tatsache, dass eine Mehrheit der weißen Amerikanerinnen Trump wählten, lässt sich nicht einfach unter den Tisch kehren.
Gleichheit, Freiheit, Solidarität
Trotz aller berechtigter Kritik: Der Women’s March war wichtig. Einen Tag nach Trumps Vereidigung – und seiner unversöhnlichen, aggressiven Rede – haben die friedlichen Demonstrationen einen dringend benötigten Kontrapunkt gesetzt. Statt Hass und Spaltung stand hier die Botschaft von Gleichheit, Freiheit und Solidarität im Mittelpunkt. Trump ist der Katalysator, der all diese Menschen zusammengebracht hat. Und es ist nicht damit zu rechnen, dass er diese Wirkung in den nächsten Monaten verliert: Kaum im Amt hat der Präsident flugs ein Dekret unterzeichnet, das staatliche Finanzhilfen für ausländische Nichtregierungsorganisationen verbietet, die Abtreibungen unterstützen.
Den Amerikaner*innen steht in den nächsten vier Jahren ein fortwährender Kampf an gegen eine republikanische Übermacht, gegen „alternative facts“, gegen den Verlust von Frauen- und Menschenrechten. Der Women’s March macht diesen Kampf nicht einfacher – aber er macht Mut. Die Bürgerrechtlerin Angela Davis forderte zu recht: „Over the next months and years, we will be called upon to intensify our demands for social justice, to become more militant in our defense of vulnerable populations.“ Das gilt nicht nur für die Amerikaner*innen, die ja letztendlich diejenigen sind, die von einem Präsidenten Trump am direktesten betroffen sind. Es gilt ebenso für alle anderen, die am 21. Januar 2017 auf die Straße gegangen sind, für alle, die sich eine gerechtere Welt wünschen, für alle, die Hass, Intoleranz und Sexismus etwas entgegensetzen wollen. Denn die Bilder der Demonstrant*innen, die inspirierenden Worte, das warme Gefühl im Bauch – all das ist gut und wird gebraucht. Aber jetzt muss es weitergehen. Dass Millionen von Menschen weltweit für Gleichberechtigung und Respekt auf die Straße gegangen sind, das kann nicht nichts bedeuten.