Zwar habe ich vor zwei Wochen noch davon gesprochen, dass ein fair gehandelter Kleiderschrankinhalt für mich mittlerweile nicht mehr machbar erscheint, ich versuche natürlich dennoch weiterhin alles daran zu setzen, nur nachhaltig zu konsumieren. Neben meiner nicht enden wollenden Freude am Entdecken neuer ethisch produzierter Optionen und Second-Hand-Schätzchen, gibt es allerdings noch zwei weitere Hindernisse, mit denen ich auf dem Weg hin zu mehr Minimalismus und weniger Besitz umgehen lernen musste: Saisonale Kollektionen und Trends. Neben H&M und Zara, die im Wochentakt neue Modelle in die Läden spülen, gibt es auch im nachhaltigen Bereich ständig Nachschub von schönen Teilen, die einem komischerweise immer genau noch gefehlt haben.
Da ich dieses Konzept in Anbetracht des Status Quo (Fast Fashion Mindset in den Köpfen und das Bedienen-wollen einer realen Nachfrage) für nachvollziehbar, aber nicht zukunftsträchtig halte, wollte ich für mich persönlich noch einen Schritt weitergehen und entschied mich für einen radikalen Schritt: Meine ganz persönliche Capsule Wardrobe, übersaisonal und zeitlos.
Mich hat an einer Capsule Wardrobe, also einem Kleiderschrank, der sich nur weniger Farbtöne bedient und in dem jedes Teil miteinander kombinierbar ist, vor allem eines gereizt:
Ich würde weniger Auswahl haben und somit Zeit bei der Outfitwahl sparen – und ich könnte mir schenken, in Einzelteile und ausgefallene Teile zu investieren. Letztere hing bei mir nämlich immer monatelang im Schrank, wurden nie getragen und am Ende zu einem Spottpreis via Kleiderkreisel weitergegeben. Oft habe ich mich letztendlich doch für meine Lieblingsoutfits entschieden, die in der Regel schlicht und unaufgeregt waren. Und trotzdem hatte ich immer versucht, etwas Knalliges anziehen zu wollen, möglichst viele Farben im Schrank zu haben und sich Trends wie schulterfreien Oberteilen oder Rüschen hinzugeben. An diese Stelle sei gesagt, dass ich es selbstverständlich völlig in Ordnung finde, wenn man sich mit Highlights der verschiedenen Saisons auseinandersetzt und diese auch trägt. Mir persönlich hat das aber nie wirklich Spaß gemacht, mich stattdessen eher eingeschränkt. Und eben auch gerade deshalb fand ich das Konzept von „wenig besitzen“ und einen „in sich geschlossenen Kleiderschrank“ zu haben, wahnsinnig spannend.
Ehrlich gesagt, sah ich mich am Anfang mit einer gefühlt riesengroßen Aufgabe konfrontiert, von der ich dachte, dass sie mich vor allem eine Menge Zeit und Geld kosten würde. „Capsule Wardrobe“ klang irgendwie auch nach Trend, nach selbst geschaffenen Problemen und nach Luxuskonflikten. Also habe ich zuerst einmal alles gelesen, was es zu dem Thema im Internet zu finden gab. Eine Menge Zeitvertreib und völlig überflüssige Aufgabenstellungen und Herangehensweisen gab es darunter, aber eine Handvoll sinnvolle Basics fanden sich in fast allen Guides wieder. Aus all diesen Fundstücken habe ich mir einen eigenen Plan erstellt und mich so langsam an einen konsequenten Kleiderschrank herangearbeitet. Übrigens habe ich mehrfach wieder von vorne angefangen und bin mir jedes Mal mit meinen Entscheidungen sicherer geworden. Es ist eben (wie alles) ein Prozess.
Capsule Wardrobe in 3 Schritten
1. Hinsetzen und Analysieren
- Welche Farben magst du am liebsten und welche trägst du am liebsten? Hier kann es tatsächlich einen Unterschied geben. Entscheide dich für 6 Farben, von denen du weißt, dass du sie A) viel trägst und von denen du B) schon einige in deinem Kleiderschrank hast. Dabei sollte es sich um 3 neutralere und gedeckte Farben und 3 Keyfarben handeln. Keyfarben nenne ich die Farben, die nur einen kleinen Teil des Outfits ausmachen sollten, aber etwas Farbe in den Kleiderschrank bringen. Meine Hauptfarben und -töne sind zum Beispiel Schwarz, Weiß und dunkles Beige, meine drei Keyfarben dagegen Mint, Rosé und Blau. Ich liebe zum Beispiel auch Bordeaux-Rot, habe aber kein einziges Kleidungsstück in dieser Farbe, deshalb kommt diese Farbe nicht auf meine Farbpalette.
- Erstelle eine Pinterest-Pinnwand mit Outfits und Kleidungsstücken, die in deine Farbpalette passen, deinem modischen Geschmack, deiner Lust und deinem Typ entsprechen.
- In welche drei großen Bereiche kann man dein Leben unterteilen bzw. für welche Anlässe brauchst du 95 Prozent deiner Outfits?
- Teile den folgenden Kreis in drei Teile ein. Hier eine mögliche Auswahl: Job, Schule, Uni, Freizeit, Ausgehen, Events, Familie, Urlaub. An dieser Stelle ist Ehrlichkeit angesagt und: Entscheide danach, wie dein Leben gerade ist und nicht, wie du es gerne hättest.
2. Kleidungsstücke unter die Lupe nehmen
Alles raus aus dem Kleiderschrank und Kleidungsstücke (abgesehen von Schmuck, Sportsachen, Unterwäsche, Kleider für besondere Anlässe und Bademode) in drei Kategorien einteilen:
- Habe ich in den letzten zwei Wochen getragen / Gehört zu meinen Lieblingsteilen / Findet sich in meiner Farbpalette wieder –> wieder in den Schrank hängen
- Ich mag das Teil, weiß aber nicht ob ich es anziehe und ob die Farbe passt –> In eine Kiste packen. Alles, was du nach drei Monaten nicht wieder herausgeholt hast spenden, verkaufen oder verschenken
- Habe ich ewig nicht angehabt / Weckt in mir keine Emotionen –> Ohne ein zweites Mal zu überlegen verschenken, spenden oder verkaufen
3. Outfits zusammenstellen
- Erstelle für jedes Kleidungsstück, das du wieder in den Schrank gehängt hast oder das du innerhalb von drei Monaten aus der Kiste in Schritt 2 wieder herausgeholt hast, mindestens zwei Outfits und fotografiere sie (ich habe z.B. Selfies in den jeweiligen Outfits gemacht, das hat für mich am besten funktioniert)
- Ordne die Outfits in eine der drei Kategorien ein, die du in Schritt 1 als großen Teil deines Lebens ermittelt hast
Alle Kleidungsstücke, die sich in einem oder weniger Outfits wiederfinden oder die nicht zu einem der drei Bereiche deines Lebens passen, müssen ebenfalls in der Kiste aus Schritt 2 verstaut werden.
Wer sich jetzt mit einer Kleiderstange konfrontiert sieht, die lediglich 4 Kleiderbügel trägt, der sollte nur mit viel Bedacht aufstocken und natürlich am allertollsten Second-Hand. Ich habe mit allen Wünschen zwei Wochen gewartet, bevor ich sie mir erfüllt habe und bin eisern bei meiner Farbpalette geblieben.
Ich fühle mich viel mehr gewappnet gegen kurzfristige Trends und zu kurz gedachte Spontankäufe und das Gefühl ist wirklich schön – mehr Platz im Kopf für andere wichtige Dinge und viel mehr Ruhe, wenn man an den (digitalen) Schaufenstern der Fast Fashion Häuser vorbei flaniert.
Eins noch: Ja, die Umstellung auf eine Capsule Wardrobe ist zwar am Anfang auch eine Investition und verursacht gegebenenfalls neuen Konsum. Langfristig gesehen aber sprechen wir hier von einem sehr nachhaltigen Konzept, das sich auch finanziell auszahlt. Man kauft nämlich auf lange Sicht weniger, weil man im Großen und Ganzen deutlich weniger kauft. Und wenn man sich dann noch für Qualität entscheidet…
Kleidung in Collage: Hess Natur.