Ein paar Wochen ist es her, da kam ich endlich völlig erschöpft in meinem neuen WG-Zimmer in der Haupstadt an und hätte dort lieber für immer auf dem Holzboden geschlafen, anstatt noch eine einzige Nacht in einem Übergangs-AirBnB zu verbringen. Versteht mich nicht falsch, ich habe durch die ständige Umzieherei zu meinem Riesenglück eine ganz liebe neue Freundin gewonnen, aber auf Dauer in der Einrichtung anderer zu schlafen und wohnen ist mir einfach zu rastlos. Ich bin die Personifizierung von Heimweh – habe ich nicht alle meine liebsten Dinge und meine liebsten Menschen um mich herum, könnte ich Sturzbäche schluchzen und morgens überhaupt nicht mehr aufstehen.
Weil es mich aber zusehends nervt, dass ich aus diesem Grund viel zu lange brauche, um an fremden Orten anzukommen UND weil ich zugegebenermaßen eine waschechte Decluttering-Sucht entwickelt habe, besitze ich nun endgültig nur noch so viel, dass ich innerhalb von 15 Minuten alle meine Sachen packen und einfach gehen kann.
Jetzt mal im Ernst: Ich glaube ich bin nicht nur in Berlin angekommen, sondern auch im Minimalismus-Himmel. Als ich nämlich vor etwa 14 Tagen entschied, dass mich vermutlich keine 10 Pferde jemals zurück nach Köln kriegen, musste ich wohl oder übel noch ein letztes Mal mit Koffern und Taschen in die Heimat reisen und meinen Clutter auseinander dividieren. Und weil ich nichts, aber auch wirklich nichts mehr in meinem Leben haben wollte, was mich belastet, zurückhält oder verlangsamt, fasste ich folgenden Entschluss: Alles, was mir wichtig ist, muss von nun an in 2 große Reisekoffer passen. Ja, das ist verrückt oder auch: Mission Impossible. Das wurde mir spätestens dann klar, als ich versuchte nur mal meine Schuhe, Klamotten und Bücher in die besagten Hartschalenreisebegleiter zu verstauen. Nicht nur das beklemmende Gefühl in mir machte mir Angst, sondern auch die irrsinnige Lust, einfach alles stehen und liegen zu lassen und zu gehen.
Was ich dann tat, mag wohl der ein oder andere von euch für völlig durchgeknallt halten, aber es war tatsächlich das Befreiendste und Beste, was ich jemals für mich getan habe:
Ich habe mich nämlich abgesehen von Klamotten, Schuhen, 2 Bilderrahmen, Schmuck, 2 Rücksäcken und einer Handtasche, ein paar Küchenutensilien (4 Teller, 2 Schüsseln, 4 Tassen und 4 Gläser sowie Besteck), Originaldokumente wie Reisepass, meinem Laptop und meinem Handy von ALLEM getrennt, was ich besessen habe. Dazu zählten zum Beispiel alle Bücher, DVDs und Zeitschriften, die aus irgendeinem Grund vergangenen Decluttering-Prozesse überlebt hatten. Auch Fotos, gemalte Bilder, Briefe und Erinnerungen wurden geschreddert und vorher via Scanner-App digitalisiert gen Cloud geschickt. Pflanzen, Stoffbeutel und jeglicher Dekokram schafften es ebenfalls nicht in meine zwei Koffer. Ich ließ alle Möbel zurück und bestellte lediglich für mein Fahrrad eine super unkomplizierte Abholung via Deutsche Bahn.
Zurück in Berlin, schnappte ich mir ein Drive Now Auto und bestückte in einer abenteuerlichen Transportaktion mein neues Zimmer mit dem Mindestmaß an schwedischen Möbeln, ohne die ich wirklich nicht leben könnte. Konkret heißt das: Eine Matratze, Bettzeug, einen Spiegel, 3 Kleiderständer, Bügel, 5 weiße schlichte Boxen (für Unterwäsche, Handtücher und Sportzeug), ein Minischreibtisch und eine Lampe. Den Stuhl bekam ich geschenkt und auch die wunderschönen Bettbezüge in Altrosa wurden gesponsort. Als ich mich dann 24h später auf meinem Bett niederließ und mein Blick durch das sehr aufgeräumte und völlig leere Zimmer schweifen ließ, hätte ich losquietschen können vor lauter Glück. In besitze jetzt nur noch sehr wenig, das Nötigste und so viel, dass ich in weniger als 20 Minuten alles zusammenpacken und gehen kann. Übrigens: Sollte mich in der Zukunft noch die völlig an den Haaren herbeigezogene Ikea-Phobie anderer befallen, kann ich Einzelstücke dann zum Glück ganz bequem durch einen Besuch auf dem fußläufig erreichbaren Mauerparkflohmarkt ersetzen. Bis dahin werde ich aber erstmal den neu gewonnen Freiraum völlig ausreizen und jeden freien Quadratmeter ausnutzen. Weil mir da jetzt nämlich nichts mehr im Weg steht und weil ich mich endlich angekommen fühle.
Noch drei abschließende Tipps für all diejenigen unter euch, denen es jetzt bereits unter den Nägeln juckt oder die den unbändigen Wunsch verspüren ihren Besitz zu halbieren:
- ich war lange ein Gegner von digitalen Lesegeräten, möchte mich von meinem Kindle nun aber nie wieder trennen und vermisse meine Masse an eingestaubten Büchern kein Stück
- 3 Kleiderständer haben mich ganz automatisch in der Menge an Oberteilen, Hosen, Jacken und Kleidern beschränkt – ebenso die nette Farbpalette, die natürlich nicht durch Fremdfarben gestört werden darf
- durch wenig Stauraum bin ich einerseits gezwungen oft aufzuräumen und werde gleichzeitig daran gehindert zu viel neuen Kram zu kaufen