Hugh Hefner ist tot und viele Nachrufe verklären nostalgisch das Vermächtnis des Playboy-Gründers. Dabei ist dieses Vermächtnis durchaus ambivalent.
Hugh Hefner, dieser ewige Junggeselle im seidenen Morgenmantel, ist letzte Woche gestorben. In vielen der Nachrufen ging es darum, wie progressiv und modern der Playboy-Gründer war, wie er die sexuelle Revolution voranbrachte – und welch großen Dienst er auch Frauen damit erwies. Hef, der liberale Feminist und Bürgerrechtler. So einfach ist es dann aber doch nicht.
Kampf für das Recht auf Abtreibung
Es stimmt, dass Hefner und das von ihm 1953 gegründete Playboy-Magazin sich konsequent gegen den rechtsnationalen, prüden Moralismus der damaligen Zeit wandte. So stand Playboy für einen offenen, befreiten Umgang mit Sexualität. Es nahm dem Thema die Anrüchigkeit, die damit verbundene Scham, es veränderte die Art und Weise, wie über Sex gesprochen wurde. Playboys liberale Agenda war von der ersten Stunde an eine der individuellen Freiheit und wurde in den Seiten des Magazins konsequent umgesetzt. 1963 war Playboy das erste große Verbraucher-Magazin in den USA, welches sich für das Recht auf Abtreibung einsetzte – lange bevor sogar Planned Parenthood sich dem Kampf für Abtreibungsrechte anschloss. Regelmäßig veröffentlichte das Magazin Briefe von Frauen, die illegal abgetrieben hatten und von den damit verbundenen seelischen und körperlichen Schmerzen berichteten. 1965 antwortete das Redaktions-Team auf den Brief eines Abtreibungsgegners: „Eine schwangere Frau ist mit einer Wahl konfrontiert – und wir denken, sie sollte entscheiden dürfen, welche Alternative unter den Umständen vorzuziehen ist – wie auch immer die Umstände aussehen…“. Immer und immer wieder betonte Playboy das Recht von Frauen, über ihren eigenen Körper zu bestimmen.
Auch in anderen Bereichen engagierten Hefner und sein Magazin sich für Bürger*innenrechte: Malcolm X und Martin Luther King wurden im Playboy interviewt und 1959 organisierte Hefner das Playboy Jazz Festival in Chicago, von dessen Einnahmen ein großer Teil an die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) gespendet wurde. 2016 verurteilte Hugh Hefner persönlich republikanische Präsidentschaftskandidaten und deren Einstellung zu Abtreibung, Verhütung und Homosexuellen: „Fünfzig Jahre des Fortschritts sind an dieser Partei vorbeigezogen, während ihre Politiker sich einer kleinen, laustarken Minderheit von religiösen Fanatikern anbiederten.“ Hefner, das wird in dem Text einmal mehr deutlich, war ein entschiedener Gegner von organisierter Religion, Puritanismus und Konservatismus – von allen Kräften, die Sexualität als etwas sehen, das nach genau festgelegten Regeln stattfinden muss, die definieren, was „normal“ ist und was nicht.
R.I.P Hugh Hefner Thank u 4 allowing me 2 share my story & 4 ur support & platform that helped my campaign 4 trans rights and visibility. pic.twitter.com/yYh2SpbGMq
— Caroline Cossey (@Caroline_Cossey) 28. September 2017
Problematischer Umgang mit Frauen
Hugh Hefner ging es also um Freiheit, vor allem sexuelle Freiheit. Und dieser Fokus auf Sexualität war dann auch Hefners großes Problem. Denn so engagiert und langfristig beispielsweise Playboys Einsatz für das Recht auf Abtreibung war, ein bitterer Beigeschmack bleibt: Ging es Hefner und seinem Magazin wirklich um sexuelle Selbstbestimmung um Frauen? Oder eher darum, dass eine (ungewollt) schwangere Frau nicht so gut zum Lifestyle des typischen Playboy-Mannes – ungebunden, libertär, sexuell experimentierfreudig – passte? Für Hefner bedeuteten sexuelle Freiheit und sexuelle Revolution, die Bedürfnisse und das Begehren von (weißen heterosexuellen) Männern anzuerkennen und sichtbar zu machen. Es ging ihm stets um die Lust von Männern, nicht von Frauen: Im Playboy werden Frauen zu Objekten, zur Verkörperung männlicher Fantasien.
Hinzu kommt Hugh Hefners Umgang mit Frauen abseits der Magazinseiten. 2015 sprach Holly Madison, die jahrelang mit Hefner und anderen Frauen in der Playboy Mansion wohnte, in ihrer Autobiografie Down the Rabbit Hole ausführlich über ihre Erfahrungen. Madison zufolge war das Leben mit Hefner weniger eine ständige Party als vielmehr eine Tortur. So wurde Madison angeblich nie gefragt, ob sie überhaupt Sex mit Hefner haben wolle – ihr Einverständnis wurde einfach vorausgesetzt. Zweimal in der Woche stand Gruppensex auf dem Programm. Hefner, so Madison, sei kontrollsüchtig, ausfallend und manipulativ gewesen. Ein Mann, der 1978/1979 kurze Zeit als Hefners Angestellter arbeitete, erinnert sich: „He would hire famous male porn stars, including John Holmes, with huge penises and watch them have sex with different girls he brought in. Hugh sat there in his favorite chair, smoking a joint and eating red licorice and watching. (…) Hef sometimes gave bonuses to the women because the sex acts were so painful.”Außerdem sei Hefner brutal mit seinen Freundinnen und Sexpartnerinnen umgegangen, von denen er verlangte, Brustimplantate zu haben. Platzten diese, hätte Hefner die betroffenen Frauen einfach ins Krankenhaus verfrachtet und im wahrsten Sinne des Wortes „entsorgt”: „He didn’t care. They were disposable.”
Feminismus? Unsinn!
Ein Feminist war Hugh Hefner also nicht – weder seinem Verhalten nach, noch seinen Aussagen über Feminismus. In einem Interview mit der New York Times befand Hefner zum Thema Feminismus, Frauen sollten ihre Zeit nicht mit „diesem Unsinn“ verplempern. 1970 verlangte er in einem internen Memo von seinen Playboy-Mitarbeiter*innen ein „verheerendes Stück, das die militanten Feministinnen auseinandernimmt.“ Feministinnen, so Hefner, seien „unsere natürlichen Feinde“. Andererseits bezeichnete Hefner sich einmal selbst als „ein Feminist, bevor es sowas wie Feminismus überhaupt gab.“ Es ist kein Wunder, dass Hefners Auffassung von Freiheit, die vor allem sexuelle Freiheit bedeutet und auf hedonistische Individualität setzt, von vielen Feminist*innen kritisch gesehen wird: Hefners sogenannte sexuelle Revolution kommt vor allem Menschen, Männern, wie ihm zugute. Frauen sind dabei nette, gutaussehende Accessoires, die ihre Rolle als Objekt akzeptieren und keinen Stress machen. Feminismus, so wie Hefner ihn verstand – als sexuelle Freiheit – war für ihn nie mehr als ein Marketing-Instrument.
Aber, das muss gesagt werden: ein enorm erfolgreiches Marketing-Instrument. Denn der hefnersche Pseudo-Feminismus hat einen nachhaltigen Einfluss. Die genaueste Analyse dazu hat Ariel Levy geschrieben: Sie analysiert in ihrem Buch Female chauvinist pigs: Women and the rise of raunch culture (2005), warum viele junge Frauen es so verdammt befreiend finden, sich selbst zu sexuellen Objekten zu machen. Weibliche Sexualität, so Levy, wird so zu einer Performance, es geht nicht mehr um die eigenen Bedürfnisse und Wünsche. Es ist genau diese Performance weiblicher Sexualität für den männlichen Blick, die Hugh Hefner mit dem Playboy groß gemacht hat.
Bürgerrechtler hin, Frauenbild her: Hugh Hefner war ein ambivalenter Mann – sein Vermächtnis ist es ebenfalls.