Wird meine Wohnung eigentlich jemals erwachsen aussehen? So, als würden richtig große Leute darin leben? Zwischen meinem alten Kuscheltier, das ich in der Abstellkammer versteckt halte und weit mehr als nur einem Möbel-Provisorium in jedem einzelnen Zimmer meiner WG, frage ich mich derzeit regelmäßig, ab wann so ein Zuhause eigentlich damit beginnt, sich so richtig ausgereift und – wie Schöner Wohnung Magazine zu sagen pflegen – „sophisticated“ anzufühlen. Wahrscheinlich nie, hätte ich jetzt eigentlich stets behauptet, jedenfalls nicht im echten Leben, nicht in meiner Welt. Aber dann werde ich doch immer wieder vom Gegenteil überzeugt. Es geht ja wohl! Und könnte sogar bei mir irgendwann klappen! Und zwar auch ohne langweilige Schrankwände. Das beweisen zumindest tagein, tagaus all diese unverschämt schönen Blogs und Instagram Accounts, bei deren Anblick ich als dezenter Interior-Muffel aus dem Staunen überhaupt nicht mehr herauskomme. Wie hübsch die es alle haben, merke ich dann. Und dann fühlt sich das Stöbern in all den bunten Einrichtungsbildern plötzlich richtig wohlig und einladend an, tatsächlich inspirierend und so, als könne man sich da ruhig mal was abschauen.
Herz&Blut, dieser wundervolle Blog gespickt mit liebevollen Homestories und persönlicher Interior Inspiration, den viele von euch ganz bestimmt längst kennen, ist da schon lange der absolute Favorit in meinem Feed. Jules Villbrandt versteht es nicht nur, wundervoll warme Bilder zu knipsen, sie hat auch schlichtweg ein eigenes gnadenlos gutes Händchen für Möbel und Accessoires, für das Einrichten eines Zuhause, das förmlich „Wohlfühlen!“ schreit. Aber wie kam es eigentlich dazu? Und worauf sollte man beim Anschaffen von Schnickschnack achten? Und gibt es vielleicht sogar Interior-Trends, die ihr ganz langsam auf den Keks gehen? Ich habe Jules ein bisschen über Wohnträume ausgefragt und ganz nebenbei auch noch herausbekommen, welchen Accounts sie selbst am liebsten folgt.
Vom reinen Bloggen zu ausgefeilten Homestories und einem Fokus auf Interior und Living: Was ist die Geschichte hinter Herz & Blut?
Oh, wo beginne ich da am besten? Vor ziemlich genau neun Jahren saß ich hochschwanger zu Hause und dachte mir, jetzt kaufe ich mir mal eine Spiegelreflexkamera, da ich ja bald ein perfektes Motiv habe. Schnell wurde ich richtig ehrgeizig, fotografierte ständig und so ziemlich alles. Neben meinem Studium an der UdK bloggte und jobbte ich also die nächsten Jahre so vor mich hin. Am Anfang waren es vor allem Streetstyles und Portraits, aber die Orte für die Shootings waren mir immer ganz besonders wichtig. 2015 beschloss ich es zu wagen und wurde Vollzeitbloggerin. Ein Jahr darauf kam mein erstes Buch, Der Mama Styleguide, zusammen mit Janine Dudenhöffer heraus, in dem auch Sarah Jane schwanger zu finden ist. Ja, – wie die Zeit vergeht. Der Fokus von Herz&Blut liegt heute auf den Themen Living, Food und Travel. Mittlerweile sind wir ein Team aus drei Personen mit eigenem Studio namens Maison Palmė in Berlin Wedding.
https://www.instagram.com/p/BXkBAvVhT5s/?taken-by=maisonpalme
Gab es ein Homestory, die es dir besonders angetan hat?
Ich finde ja, dass man eigentlich in jeder Wohnung eine Homestory machen kann und dass es überall etwas zu entdecken gibt. Es ist super schwer mich zu entscheiden, da ja jeder Besuch etwas ganz Intimes und Besonderes hat und ich mich wahnsinnig glücklich schätzen kann, dass die Leute mich reinlassen. Zu meinen absoluten Favoriten gehört die Wohnung von Karina Venger in Kreuzberg. Derzeit sanieren Karina und ihr Mann die Wohnung komplett, sodass es also bald einen Teil zwei geben wird. Außerdem hat mich die Wohnung von dem deutschen Designer Tim Labenda, die in der nächsten Woche erscheinen wird, richtig begeistert. Die ersten Bilder gibt es hier als kleinen Sneak-Peek. Wunderkammer ist wohl die perfekte Umschreibung. Außerdem liebe ich es, Wohnungen von kreativen Menschen zu besuchen. Gern auch mit Chaos.
In wessen Wohnung würdest du richtig gerne mal reinlinsen?
Mich interessieren momentan besonders Homestories aus der Vergangenheit. Zu einem Kaffee bei Martisse, Picasso oder Peggy Guggenheim würde ich nicht nein sagen, auch hätte ich gern mal im Memphis Apartment von Lagerfeld in Monaco abgehangen. Ich glaube, „Homestories from the past“ sollten nächstes Jahr mal auf dem Blog einziehen.
Und wie hast du es selbst am liebsten? Super minimalistisch oder gemütlich und warm?
Ich scherze immer, dass ich gerne Minimalistin wäre, aber immer kläglich scheitere, denn ich liebe Dinge, Sammlung, Details und Mitbringsel. Ich glaube, ich könnte drei Wochen lang Geschichten erzählen über all die Dinge, die sich in meiner Wohnung befinden.
Zeig uns doch mal deinen liebsten Einrichtungsgegenstand!
Ich liebe meine Nelson Bank, die als Lastenbank für Magazine, Bücher und Co herhalten muss. Mein Sideboard würde ich auch nie hergeben, das ist von meinen Großeltern, die sie ihm Jahr der Einschulung meines Vaters gekauft haben, irgendwie abgefahren. Außerdem habe ich eine Stuhlsammlung, die ich nicht missen will.
Deine liebsten Instagram Accounts für Interior Inspiration?
Hui, das sind so viele. Wenn ich mich beschränke bleibe ich noch immer bei:
@upthewoodenhills
@annapirkola
@_aurelielecuyer
@matagalanplantae
https://www.instagram.com/p/Bbb1Dk1BLPl/?taken-by=matagalanplantae
Außerdem toll: @solveigsdotter // @rachelemilia // @nick_nemecheck
Flohmarkt vs. Onlineshopping: Wo findet man dich beim Stöbern nach neuen Herzenssachen?
Ich war lange regelrecht flohmarktsüchtig, doch leider hat sich die Flohmarktlandschaft in Berlin ganz schön verändert. Ich tausche immer mehr Möbel aus und finde glaube ich gerade immer mehr meinen eigentlichen Stil. Etwas Gutes muss die 30 ja haben.
Verrätst du uns eine liebsten Wohnshops?
Meine Lieblingslabel ist Objekte unserer Tage, da ihre klare Formsprache in Kombination mit ihren Farben einfach jedes mal ein Knaller ist, dazu sind die Jungs dahinter einfach großartig. Außerdem finde ich Biscuit China ganz toll, die haben gerade letzte Woche ihren Laden in der Oderberger Straße aufgemacht. Außerdem liebe ich den Nandi Store und die Teppiche von Berberlin . Auch von Lrnce und Slowdown könnte ich einfach alles bestellen.
Und was steht zur Zeit auf deiner Wunschliste?
Sowas dürft ihr mich doch nicht fragen, da dreh ich durch! Die Monkey Vase von Bosa, das weltschönste Daybed von Artek, ein Hocker von Frama, ein Kleiderschrank auf Rollen von Montana und Vorhänge von Gotain. Hach, und dann noch alle Wooden Dolls von Vitra.
Hand aufs herz – was kannst du gerade denn gar nicht mehr sehen?
Eukalyptus, das Kinfolk Cover und momentan leider auch den Wishbone Chair.
Wo in deiner Wohnung hast du selbst Hand angelegt oder den Pinsel geschwungen?
Ich kann Wände streichen und Löcher bohren, da hört es dann aber schon auf. Lange schon will ich meinen Fußboden in der Küche und Flur machen, aber ich schaffe es einfach nicht. Meine ersten Goals für 2018 stehen also schon. In letzter Zeit habe ich des Öfteren tatsächlich wieder meinen Aquarellkasten rausgeholt und ein paar Zeichnungen gemacht, denn eigentlich wäre ich ja gern Künstlerin.
Große Stadt, Wohnungsmangel, hohe Mieten und wenig Platz: Wie schaffe ich es, dass ich mich auch in meinem 14 m2 WG-Zimmer wohlfühle?
Eigentlich wäre zu erwarten, dass ich sage weniger ist mehr à la Kondō, aber das würde nicht zu mir passen. Ich glaube gerade in kleinen Räumen ist es toll Fokuspunkte zu haben. Ein Tolles Sofa oder Sideboard, das bringt Ruhe rein. Ich bin auch ganz angetan wie die Franzosen es schaffen jeden Winkel in ihren kleinen Studiowohnungen zu nutzen. Regale in der gleichen Wandfarbe zu streichen kann so viel ausmachen! Aber das wichtigste in jeder WG sollten die Küche und die Parties sein.
Wohnen mit Kindern: Welches Möbelstück würdest du Eltern ans Herz legen?
Am Anfang eine Ledercouch aus Gründen. Ansonsten bin ich kein sonderlich großer Fan von Kindermöbeln. Vielleicht aber auch, weil mein Sohn Justus überdurchschnittlich groß ist und gefühlt aus allem sofort und immer rausgewachsen ist. Körbe zum Verstauen sind natürlich lebensrettend. Ganz traditionell ist da ja noch der mitwachsende Stokke-Stuhl. Ich glaube, der fehlt in keinem jungen Elternhaus mehr, aber er ist auch einfach gut.
Ein Wohntraum, der vielleicht irgendwann in Erfüllung geht?
Mein Wohntraum ist und bleibt ein Berliner Altbau mit Flügeltüren und Parkett und natürlich ohne Raufaser. Die Wohnung hat natürlich am besten fünf Zimmer und gehört mir dann auch, dazu fürs Wochenende ein Häuschen draußen in Brandenburg oder an der Ostsee. Träume soll man ja haben.
Vielen Dank für deine Zeit, liebe Jules!