Sarah und ich und der gesamte Abiturjahrgang 2007 feiern in diesem Jahr 10-jähriges Jubiläum, unfassbar. Um nicht zu sagen: Was sind wir verflixt nochmal groß geworden! Wie immer, kurz vor dem weihnachtlichen Geläut, versammeln wir uns demnächst also in alter Tradition zum großen „Abiraten“-Treffen (Fluch der Karibik war damals der Hit), um in nostalgiegeschwängerter Kegelbahn-Atmosphäre die Altbier-Kronkorken knallen zu lassen. Und, ob ihr’s glaubt oder nicht, ich freue mir im Angesicht dieser Zusammenkünfte wirklich jedes Mal einen Ast ab, Schule habe ich nämlich tatsächlich ein wenig gefeiert. Nicht das Lernen, aber die Leute – Mit Ausnahme von einer kleinen Handvoll stockkonservativer und hochgradig beschränkter Irrlichter, die womöglich heimlich von einer deutschlandweit wählbaren CSU träumen.
Solche verlorenen Schäfchen hatte womöglich jede*r von uns in seinem Stufen-Dunstkreis umher grasen. Es sind vor allem ebenjene, die bis heute dumme Fragen stellen, die ihrerseits zwar selten böse gemeint, aber immer ordentlich nervig sind. Es sind die, die deine roten Schuhe hochnäsig kommentieren, die in ihren hochgestellten Polohemden nach deinem beruflichen Erfolg fragen, aber nicht auf die interessierte, sondern auf die konkurrierende Art und Weise, es sind ganz einfach die, mit denen wir leider überhaupt nichts Privates teilen möchten, ganz gleich, ob wir inzwischen einen Scheich geehelicht haben oder als Zitkuspädagogin den Kapitalismus verteufeln. Nein. Wir wollen einfach so schnell wie möglich raus aus der Befragung, egal wie. Aber natürlich trotzdem höflich bleiben. Wie das funktionieren kann, haben wir im Folgenden versucht, zu klären:
1. Und wie sieht es so mit der Familiengründung aus?
Ganz grundsätzlich ja sehr erfreulich! Es wurde aber auch höchste Zeit, dass sich da rechtlich was tut, findest du nicht auch? Ein Hoch auf die Homo-Ehe! Ist es nicht wundervoll, dass im Oktober diesen Jahres das erste schwule Paar ein Kind in Deutschland adoptieren durfte? Regenbogenfamilien forever. Hast du eigentlich noch immer einen Hund?
2. Na, und? Du bist jetzt auch schon Mutter?
Ja und ich wollte schon immer Mutter sein! So ein kleines süßes Stück Metall mit Loch, mit dem man eine Schraube befestigt, weißt du? Ich denke, ich habe meine Bestimmung gefunden.
3. Du hast dich aber auch ganz schön verändert, oder?
Oh, danke! Ich pflege ja stets zu sagen: Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt zu sehen wünschen! Aber wo wir gerade dabei sind: Ich finde, du bist noch ganz die/der Alte.
4. Trägt man das jetzt so?
Finde ich eine sehr originelle Frage und auch schwer zu beantworten! Ich würde aber dennoch für „nein“ plädieren. Dass „man“ das so trägt, würde ja heißen, dass jedermann das so tragen würde! Schuhe trägt „man“ und Unterhosen. Aber ich glaube nicht, dass das hier zur gesellschaftlichen Norm gehört. Aber ich, ich trage das! Siehst du ja.
5. Bist du es?! Ich hätte dich ja fast nicht erkannt!
Nein, tut mir leid, ich bin es nicht. Ich hab zwar schonmal ernsthaft darüber nachgedacht, ich meine, wäre ja eigentlich ganz nett, aber nein, echt nicht, i bims nicht! Früher schon nicht und heute noch immer nicht. Ich glaub sogar, ich werds nie sein, aber dir trotzdem ganz viel Glück, ja?
6. Und was macht die Karriere?
Puh, in meiner Freizeit bin ich jetzt Imkerin, so als Ausgleich, Work-Life-Balance, dies, das, Ananas. Dieses Konzept halten natürlich viele für Selbstbetrug, weil das ja hieße, dass das wahre Leben erst nach Feierabend beginnt! Aber ich mag einfach Honig und schaffe es vor lauter Karriere so selten in den Supermarkt.
7. Bist du noch immer Single?
Gegenfrage: Hast du das neue Buch von Friedemann Karig gelesen? „Das Ende der Monogamie“ – mach mal, mich würde deine Meinung wirklich interessieren! Findest du es denn nicht auch ein wenig seltsam, dass die Scheidungsrate heutzutage so hoch ist? Da kann ja irgendwas nicht stimmen. Ich meine, es könnte durchaus sein, dass wir ein neues Wort für Liebe brauchen – es gibt ja so viele Möglichkeiten! Wir sind so frei! Herrlich.
8. Und sonst so?
Oh, gerade „A Handmaid’s Tale“ geschaut, geweint, AfD-Twitter-Nachrichten gelesen, gelacht und gehasst, mit meinem Haustier beim Arzt gewesen (Katzen können Gluten-intolerant sein, wusstest du das? Es eitert dann aus dem Ohr), Brotbackmaschine bestellt, Steuern hinterzogen, das Rücklicht an meinem Fahrrad repariert, Periode gehabt und Blasenentzündung, ach und ganz oben auf meiner To-Do-Liste steht echt Crossfit, das sind richtige Maschinen, ich bin auch dafür, Parteien abzuschaffen, das ist, wie du ja bestimmt selbst weißt, wirklich nicht mehr zeitgemäß, ich frage mich bloß, ob ich geeignet wäre für eine tragende Position in der Politik, ich denke aber ja. Und du so?
9. Schon was für 2018 geplant?
Auf jeden Fall Fenster putzen. Kannst du dir echt nicht vorstellen, was das für einen Unterschied macht. Ich hab ja die ganze Zeit gedacht, Deutschland sei so grau, aber das stimmt gar nicht, das Glas ist bloß echt saudreckig. Wann ich das mache, weiß ich allerdings noch nicht genau, ich bin ja mehr so der spontane Typ.
10. Trinkst du heute Abend gar nicht?
Tschuldigung, da kann ich jetzt nicht folgen. Ich war sogar schon zwei Mal Pipi – Apfelsaftschorle treibt so und seit meiner Schwangerschaft hängt die Blase wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Echt, das kannst du dir nicht vorstellen. Oder kannst du? Ich erklär dir das gern! Kann dir auch Beckenboden-Übungen zeigen. Nein? Nicht? Ok, tschau.