Ein neuer Monat, eines neues Nachttisch-Repertoire an Büchern, die mal wütend machen, aber auf die beste aller Weisen, die hoffnungsvoll sind oder voll von Poesie. Weil kein Döner schöner macht, Lesen aber sehr wohl klüger. Und das nicht nur im Kopf:
Blanca
von Mercedes Lauenstein
Die fabelhafte Mercedes Lauenstein brilliert derzeit mir ihrem zweiten Roman, den ich nun bis Seite 53 verschlungen habe. Ich gehe also nicht davon aus, dass es blöder wird. Weil es besser ja auch kaum geht. Ich bin schrecklich stolz, so aus der Ferne, denn wann immer Lieblingsautorinnen es schaffen, ihre Gabe in ein ganzes Buch zu verwandeln, bekomme ich Gänsehaut. Also: Das hier könnte euer Urlaubsbuch sein, jawohl, daran besteht kein Zweifel:
„Der Roadtrip ihres Lebens: Die fünfzehnjährige Blanca will weg – weg von ihrer Mutter, die ständig auf gepackten Koffern sitzt, weg von den billigen WG-Zimmern, in denen sie an jedem neuen Ort unterkommen. Ihr Ziel: eine kleine Insel in Italien. Dort, bei Toni und seinem Vater Karl, war sie vor Jahren zum letzten Mal richtig glücklich. Ein Roadtrip quer durch das sommerglühende Land beginnt. Blanca reist als blinder Passagier nach Rom und schlägt sich zu Fuß bis ans Meer durch. Sie klaut in Cafés Essensreste von den Tischen, trifft auf einen Taxifahrer ohne Skrupel und einen zahnlosen Bauern, der sie zur Frau nehmen will. Mercedes Lauenstein entfaltet die Geschichte eines Mädchens, das seinen ganz eigenen Weg geht, ständig begleitet von der Frage, wie viel man vom Leben eigentlich erwarten kann.“
The Sun and her flowers
von Rupi Kaur
In unserem Beitrag „Die politische Macht der Poesie“ hat Julia Korbik uns bereits ganz sehnsüchtig gestimmt auf alles, was die Lyrikerin Rupi Kaur in der Vergangenheit zu Papier gebracht hat. Und vor einer Woche dann, es standen Geburtstage in der Heimat an, da lag auf dem Nachttisch meiner kleinen Schwester eben genau jenes Buch-Exemplar herum, das aber von viel mehr als bloß der Sonne und ihren Blumen erzählt. Ich bin aus dem Lesen jedenfalls nicht mehr herausgekommen und hätte beinahe die Torte verpasst. „The sun and her flowers“ tut gut, ist aber auch als Geschenk für fast jede*n nicht zu verachten:
‚Kaur is at the forefront of a poetry renaissance‘ Observer
‚Poems tackling feminism, love, trauma and healing in short lines as smooth as pop music‘ New York Times
‚Rupi Kaur’s poetry communicates, distils life. Her success is a simply wonderful thing for poetry. Her work reveals how powerful and accessible poetry can be. It seems to help people too and is a fine example of the healing power of art‘ Allie Esiri
‚Rupi Kaur blazing a trail for new generations to discover verse is a wondrous thing. Her star is shining brightly.
A drop of poetry can flood the imagination. It can also ease the mind. Her work is clearly bringing such pleasures to countless readers – mostly younger readers – and that is a cause for celebration for anyone who cares about poetry‘ Ben Holden
Das Nacheinander-Prinzip
von Eva Corino
Ich kenne das ja selbst allzu gut, dieses Hetzen und Auslaugen der eigenen Kräfte, weil man am liebsten alles gleichzeitig geschafft bekommen würde, selbst solche Angelegenheiten, die allein schon komplizierter zu bewältigen sind als ein Berg so hoch wie hundert Elefanten.
Deshalb bin ich gespannt darauf, was Eva Corino zu sagen hat. Womöglich ist es ja wirklich an der Zeit, neue Konzepte zuzulassen. Und außerdem ein wenig Druck beiseite zu schieben:
„Die gute Nachricht: In den vergangenen fünfzig Jahren hat sich die Lebenserwartung von Frauen um 15 Jahre verlängert. Warum aber hetzen sie trotz ihrer gewonnenen Zeit immer schneller durchs Leben? Weil auch die Erwartung an sie gestiegen ist, nur leider auf ein ungesundes Maß. Kindererziehung, Fortbildung, Studium, Partner, Karriere, soziales Engagement – Frauen sollen und müssen heute selbstverständlich alles liefern und beherrschen, gleichzeitig, nebeneinander. Zeitmangel und Überforderung sind noch die harmlosen, das Scheitern von Beziehungen oder Burn-outs gravierende Folgen dieses neuen, gefährlichen Lebensmodells.
Ob Vierfachmutter, die sich am Laptop neu erfinden muss, Friseurin, Polizistin, Managerin, kreative Quereinsteigern – dieses Buch erzählt von ihren modernen Leben und privaten und beruflichen Anforderungen. Gemeinsam mit Experten aus Politik, Wirtschaft oder Soziologie analysiert die Autorin Erwerbsbiografien im digitalen Zeitalter. Erläutert die Vor- und Nachteile gehypter Phänomene wie »Mompreneurs«, deckt Risiken, aber auch versteckte Chancen in der derzeitigen Sozial- und Familienpolitik auf.“
Too Fat, Too Slutty, Too Loud: The Rise and Reign of the Unruly Woman
von Anne Helen Petersen
Ein Buch, das gerade per Zufall in meinem Warenkorb gelandet ist. Ein bisschen auch wegen des Covers, aber vor allem, weil es gleich auf den ersten Blick offenbart, worin eines der größten Mysterien des Frauseins, bzw. der Gleichstellung verbogen liegen könnte. In dem Umstand, dass wir verflucht sind, jedenfalls noch, stets ein „bisschen zu viel zu sein“. Zu laut, zu schlau, zu leicht zu haben, zu dick. Und so weiter und so fort. Peterson hat nun ein Buch darüber geschrieben, wie man dem entflieht. Und darüber, wie wichtig es ist, der Konformität die Stirn zu bieten, mit allem, was man hat:
“Petersen’s gloriously bumptious, brash ode to nonconforming women suits the needs of this dark moment. Her careful examination of how we eviscerate the women who confound or threaten is crucial reading if we are ever to be better.”
You know the type: the woman who won’t shut up, who’s too brazen, too opinionated—too much. She’s the unruly woman, and she embodies one of the most provocative and powerful forms of womanhood today. In Too Fat, Too Slutty, Too Loud, Anne Helen Petersen uses the lens of “unruliness” to explore the ascension of pop culture powerhouses like
Lena Dunham, Nicki Minaj, and Kim Kardashian, exploring why the public loves to love (and hate) these controversial figures. With its brisk, incisive analysis, Too Fat, Too Slutty, Too Loud will be a conversation-starting book on what makes and breaks celebrity today. From celebrity gossip expert and BuzzFeed culture writer Anne Helen Petersen comes an accessible, analytical look at how female celebrities are pushing the boundaries of what it means to be an “acceptable” woman.
Frauen und Macht
von Mary Beard
Meine Freundin Teresa liest die besten Bücher, weshalb ich ihr quasi blind vertraue, auch diesmal wieder, als sie mir recht eindringlich klar machte, ich könne kein Leseleben ohne Mary Beard führen. Das sah ich ein, spätestens nach zwanzig Seiten.
Denn immer wenn man meint, ohnehin schon alles über die aktuelle Feminismus-Debatte zu wissen, kommt Mary daher und macht, dass man noch ein bisschen schlauer wird. Oder klüger. Ach, eigentlich beides.:
Das entscheidende Buch zur großen aktuellen Debatte Feminismus, Gleichberechtigung und #MeToo: Ein leidenschaftlicher Aufruf an Frauen, sich jetzt die Macht zu nehmen. Das Buch, das weltweit Furore macht! Spiegel-Bestseller und Nr. 1-Bestseller in Großbritannien. Mary Beard ist eine der führenden Intellektuellen weltweit. Die Historikerin hat zahlreiche Bestseller geschrieben. Immer wieder mischt sie sich leidenschaftlich, streitbar und humorvoll in aktuelle Debatten ein. Frauenfeindlichkeit und Sexismus sind Themen, die sie seit langem begleiten – auch persönlich – und die sie nicht müde wird anzuprangern.
»Ein kraftvolles Manifest.« New York Times
»Ein moderner feministischer Klassiker.« The Observer
»Mary Beard zeigt, wie Frauenfeindlichkeit funktioniert und warum sie sich so hartnäckig hält.« The Guardian
»Ein unwiderstehlicher Aufruf an Frauen, sich zu Wort zu melden, Macht zu nutzen und neu zu definieren.« People Magazine
Hundert: Was du im Leben lernen wirst
von Heike Faller und Valerio Vidali
Mein aktuell liebstes Buch zum Verschenken, an Jung und Alt und Groß und Klein. Weil es nunmal die kleinen Dinge sind, ihr wisst schon. Und genau das zeigt dieses Buch, während es gleichzeitig sehr selig und dankbar stimmt:
„Hundert ist ein Buch für Kinder und Erwachsene gleichermaßen, ein Buch zum Vorblättern und Zurückblättern, zum Fantasieren und miteinander ins Gespräch kommen. Es geht um alles, was man im Leben lernt: Der erste Purzelbaum, die erste Liebe, das erste Mal Kaffee trinken und die Erkenntnis, wie riesengroß die Welt ist. Später begreift man, dass man sich immer noch nicht erwachsen fühlt, auch wenn die mittleren Jahre längst erreicht sind. Und im hohen Alter lernt man nicht nur, wie kostbar die Zeit ist, sondern auch, Dinge zu verlernen. Und die Angst vor dem Tod zu verlieren.
Das ist der natürliche Prozess des Lebens. Heike Faller serviert uns keine Lebensweisheiten, sie hat mit jungen und alten Menschen gesprochen und deren Erfahrungen in kurze Sätze gefasst, die sich zusammenhängend lesen wie ein schönes, anrührendes Gedicht über das Leben.“
We are never meeting in real life
von Samantha Irby
Ich bin ganz angetan von Samantha Irby, weshalb ich schlussendlich nicht umher kam, mir dieses grelle Bücherexemplar mitsamt etlicher Essays aus der Feder der Bloggerin und Autorin zu ordern, trotz eines Covers aus der Hölle. Lasst euch davon aber nicht abschrecken. Ich habe seit langem mal wieder Tränen gelacht:
„Sometimes you just have to laugh, even when life is a dumpster fire.
With We Are Never Meeting in Real Life., “bitches gotta eat” blogger and comedian Samantha Irby turns the serio-comic essay into an art form. Whether talking about how her difficult childhood has led to a problem in making “adult” budgets, explaining why she should be the new Bachelorette—she’s „35-ish, but could easily pass for 60-something“—detailing a disastrous pilgrimage-slash-romantic-vacation to Nashville to scatter her estranged father’s ashes, sharing awkward sexual encounters, or dispensing advice on how to navigate friendships with former drinking buddies who are now suburban moms—hang in there for the Costco loot—she’s as deft at poking fun at the ghosts of her past self as she is at capturing powerful emotional truths.“
Ein Manifest gegen die emotionale Verkümmerung
von Paulina Czienskowski
Paulina schreibt wie eine junge Göttin, über fast alles, aber diesmal eben über die Liebe. Oder eher: Über das, was danach kommt. Und zwar erstmals in Buchform. Selbst gelesen habe ich das Debüt der Berlinerin ehrlich gesagt noch nicht, aber ein recht bewandertes Vögelchen zwitscherte mir noch gestern, dass ich womöglich gar nicht umher kommen würde. Will ich ja aber auch nicht im geringsten. Ganz im Gegenteil. Ein solches Manifest kommt mir gerade sogar sehr gelegen und so wie ich Paulinas geschriebenes Wort kenne, ist es gut möglich, dass ich danach ein Stück weit gewachsen bin. Mit ihren Gedanken und Geschichten, die nie kitschig, aber immer hoffnungsvoll sind:
»Man glaubt, wieder ein unbeschriebenes Blatt zu sein, reingewaschen. Irgendwann aber ist das Weiß des Papiers kaum mehr sichtbar.«
„Ein mutiges Buch! Mutig deshalb, weil die Berliner Autorin und Journalistin Paulina Czienskowski mit ihrem Erzählband »Ein Manifest gegen die emotionale Verkümmerung« der Gegenwartstendenz die (andauernde) Liebe zwischen zwei Menschen als schiere Unmöglichkeit abzutun, einen aufrichtigen Glauben daran entgegensetzt, dass ES möglich ist, ohne dabei in weltfremde Fantastereien abzudriften. Im Gegenteil: Der Ausgangspunkt von Paulinas manifesthaftem Erzählreigen ist stets: das Ende, die Momente nach einer Trennung.
»So wie die Liebe vereint uns alle auch der Schmerz nach ihr, den wir bei jeder neuen Liebe längst wieder vergessen haben.« Jeder kennt den Rahmen einer Liebesverbindung – was man in ihn hineinschreibt, ist jedem selbst überlassen«, sagt die Autorin selbst. Und so erzählt sie in unserer neuesten Veröffentlichung von brachialen Grenzerfahrungen, die letztlich zu einer Erkenntnis führen. Letztlich ist es der Wahnsinn, den wir brauchen, immer und immer wieder. Oder?“