Wie sehr gehen wir eigentlich ins Detail, wenn wir mit unseren Freund*innen über Solosex reden? Ich selbst, wenn auch davon ausgehend nicht nur modern sondern auch sexuell befreit und aufgeschlossen zu sein, würde einige Fragen schlichtweg nicht an meine Liebsten richten. Vielleicht um niemandem auf den Schlips zu treten oder aus Angst davor, mein Gegenüber zu überrumpeln. Vielleicht aber auch, weil es mir selbst unangenehm ist? Der Redebedarf über Masturbation scheint jedenfalls nicht nur bei mir groß zu sein – das hat zumindest meine nicht representative aber umso interessantere Instagram-Umfrage ergeben. Zum Masturbieren hat offenbar fast jede*r etwas zu sagen. Und noch ein bisschen mehr sogar, wenn das Ganze anonym passiert und man sich Gedanken und Gefühlen so richtig hingeben kann. Ein ziemlich wichtiger Prozess ist das, wenn man bedenkt, dass Masturbation noch immer Stück für Stück von Dogmen und Tabus befreit werden muss. Am Besten geht das, indem wir gemeinsam die Geschichten der Lust an uns selbst normalisieren. Durch das Teilen von Erfahrungen, von Erinnerungen, Fragen und Bedenken. Denn: Selbstbefriedigung ist wunderbar! Und normal. So wie du und ich. Hier sind sie also, „eure“ Gedanken rund um den Solosex. Brühwarm aus der Aonymität und Realität des Internets serviert:
Mariam, 23
Mir ist aufgefallen, dass ich erst vor zwei Jahren angefangen habe, mit Freundinnen darüber zu sprechen, weil ich „es“ für nicht normal oder schambehaftet gehalten habe. Warum nicht darüber reden, wenn wir auch über Sex generell sprechen, inklusive Tinder, Dating und Co? Als ich da offener wurde, hat es mir auch wieder richtig Spaß gemacht. Es gab auch immer diese Debatten darüber, wer was dabei anschaut. Wir haben im Freundinnenkreis dann über unserer Vorlieben gesprochen aber auch über Portale und Websites, die wir für Pornos nutzen. Dieser ganze Prozess hat dazu geführt, dass ich auch beim Sex mit Männern hemmungsloser über meine Vorlieben sprechen konnte. Irgendwann habe ich es dann mal mit Toys versucht, weil alle es mir empfohlen haben – von wegen „Toys haben mein Leben verändert“. Aber für mich war das nichts. Mich hat am Ende vor allem das ganze Brimborium drum herum genervt, à la „Sextoys als Befreiungsschlag der Frauen“, wie eine Art sexuelle Revolution. Um so richtig geil zu werden, brauche ich aber bis heute noch immer einen Typen, um ehrlich zu sein.
Nika:
Ich liebe Masturbation und mache es mir fast täglich, schon seit der Pubertät. Keiner kann das so gut wie ich selbst – mich zum Orgasmus bringen, meine ich. Mit der Hand, ganz ohne Hilfsmittel. Es hilft gegen schlechte Laune, Prüfungsangst und Menstruationsbeschwerden. Wenn ich Krämpfe bekomme, schafft ein Orgasmus für eine Zeit lang Abhilfe. Trotzdem frage ich mich, ob ich mir durch die ganze Selbstbefriedigung ein bisschen das Sexleben mit anderen verdorben habe. Ich kann einfach nur so kommen, wie ich es selbst mache, mit der linken Hand, in diesem Winkel, über der Unterhose reibend. Direkt auf der Haut zu rubbeln, das bringt bei mir nichts. Ich habe jetzt einen Kompromiss gefunden: Beim Sex mache ich es mir in manchen Stellungen einfach noch zusätzlich selbst. Zum Beispiel wenn meine Affäre und ich es von hinten machen und dabei auf der Seite liegen. Dann nehme ich die dünne Decke als Unterhosen-Ersatz.
Leo:
Ich frage mich jedes Mal, was eigentlich mit meinen Freundinnen los ist, wenn wir über Solo-Sex reden. „Ich mache das nicht“, „Das bringt mir nichts“, „Pornos – igitt“. Keine Ahnung, ob ich dieses Desinteresse und die Empörung zwischendurch wirklich ernst nehmen soll, oder ob es sich hier einfach um ein anerzogenes Schamgefühl handelt. Das wäre so schade. Ich selbst habe erst mit Mitte 20 begriffen, wie wichtig es ist, sich selbst kennenzulernen und bedauere es, all die Jahre zuvor etliche Erfahrungen verpasst zu haben. Klar, es gibt sicher auch Frauen, die viel besser oder genau so gut mit einem Partner oder einer Partnerin zum Höhepunkt kommen, aber auf der anderen Seite kenne ich auch so viele Frauen, die kaum oder gar keine Orgasmen haben. Denen wünsche ich, dass sie niemals aufgeben mögen, es selbst zu probieren. Mit der Hand oder mit Hilfsmitteln. Zu kommen ist magisch und tut der Seele so gut.
Elena:
Ich in die einzige von meinen Freundinnen, die eigentlich gar nicht masturbiert. Ich finde es irgendwie langweilig und habe es im letzten Jahr vielleicht drei Mal gemacht. Trotzdem bin ich ein sehr sexueller Mensch, schlafe sehr oft und gerne mit anderen Menschen, die quasi abrufbereit sind und mit denen es ein total angenehmes und respektvolles Miteinander gibt. Ich find es cool, mir gefällt die Bewegung und das Prinzip von Spaß mit sich selbst haben. Wenn jemand anderes dabei ist, ist es für mich aber einfach noch einmal einen Tick besser. Ich bin total froh, diese „Selbstliebe“-Bewegung zu beobachten und zu sehen wie sich viele emanzipieren, finde es aber immer ziemlich witzig, wie Menschenhand tatsächlich auf das Thema Masturbation reagieren. Viele schauen mich verdutzt an, wenn ich sage, dass ich alleine nur sehr selten masturbiere – und nehmen automatisch an, dass ich es aus Scham verschweige.
Mara:
Ich habe recht früh angefangen mit Selbstbefriedigung und wusste lange nicht, was ich da tue. Ich hatte wahnsinnige Schuldgefühle, Angst, etwas Verbotenes zu tun. Als ich mich meiner Mutter anvertraut hatte, hat sie mir dann gesagt, dass das ganz normal ist und dass Sex Spaß machen soll. Ich habe es aber trotzdem Jahre lang niemandem erzählt, auch nicht, als alle angefangen haben, darüber zu reden. Dadurch habe ich mir ein „verklemmtes“ Image zugeschrieben, wodurch ich dann erst recht nicht darüber reden konnte. Erst vor ein paar Jahren habe ich wirklich angefangen, mit Freund*innen darüber zu reden – erst mit der Zeit gehe ich offener mit dem Thema um.
Triggerwarnung: Sexuelle Gewalt & Depression:
Julia:
Masturbation ist eine tolle Sache. Bei Fantasien sollte man absolut keine Hemmungen haben, die Gedanken sind ja frei. Nicht immer zu Pornos fappen ist auch super und gut ist, wenn man öfter mal wechselt, wie man sich zum Kommen bringt. Auch in Beziehungen ist das einfach super und gibt einfach viel Freiheit. Ist auch super Selfcare wenn man nicht einschlafen kann. Nach einer Erfahrung mit sexueller Gewalt konnte ich meinen Körper eine Zeit lang gar nicht anfassen. Manchmal, wenn ich das Gefühl hatte, dass mein Körper nicht mir gehört, hat Masturbation dann wieder super dabei geholfen, ein Gefühl für mich selbst zu entwickeln. Tatsächlich fange ich in depressiven Episoden nach dem Orgasmus manchmal an zu weinen. Manchmal fühle ich mich danach sehr allein.
Jane:
Ich selber masturbiere seit ich 15 bin und habe seitdem eine starke Entwicklung der Art und Weise wie ich es mache und der Häufigkeit hinter mir. Das erste Mal problematisch wurde es dann in meiner ersten Beziehung. Mein Freund hatte anfangs Schwierigkeiten, mich zum Kommen zu bringen, weil wir einfach lange gebraucht haben, um uns einzuspielen und selber noch nicht alle Aspekte unserer eigenen Erregung kannten. Er hatte dann eine Phase, in der er mir vorwarf, dass ich ihn mit dem Masturbieren quasi „sabotieren“ würde. Wir sind immer noch zusammen und der Sex wird auch jetzt mit der Zeit noch immer besser. Für mich war Masturbation ein wichtiger Teil meiner Entwicklung, um meine Vorlieben kennenlernen und dann auch kommunizieren zu können. Später haben wir unsere ersten Sextoys gekauft, eins für ihn und eins für mich. Es war längst kein negatives Thema mehr in unserer Beziehung, aber ich habe festgestellt, dass Masturbation von Frauen, insbesondere mit Sextoys, für viele Männer immer noch ein No Go ist. Eine Freundin hat mir letztens erst erzählt, dass sie zurzeit mit einem Typen schreibt, der sie gefragt hat, wie sie zu Toys steht und sie hat ihm gesagt, sie hätte es zu zweit noch nicht probiert, aber sie hätte einen Vibrator. Daraufhin hat er abgeblockt und meinte, wenn sie zusammenkommen würden, wäre das aber ein Problem, wenn sie den weiter benutzen würde, und so genau wolle er das alles auch gar nicht wissen. Auch ihr letzter Freund hatte ein Problem mit Masturbation und war dagegen, dass sie eine Vibrator besitzen wollte. Dazu ist sie auch erst vor Kurzen gekommen, vorher hat sie, wie viele meiner Freundinnen, gar nicht masturbiert (zumindest nach eigenen Angaben). Viele fühlen sich unwohl dabei, schämen sich oder wollen sich mit dem Fingern dort nicht so berühren. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen, weil das für mich ein wichtiger und schöner Teil meines Sexlebens und meiner Beziehung zu mir selbst ist. Aber ich war überrascht, für wie viele Leute das doch noch mehr Tabu-Thema als Bereicherung zu sein scheint.
Valentina:
Ich störe mich irgendwie an dem Wort. „Masturbieren“ klingt irgendwie nicht nach etwas Schönem. Nach harter Arbeit irgendwie. Ich tue es und ich tue es öfter und auch schon lange. Ich hatte meinen ersten Orgasmus schon superfrüh, 10 oder 11 war ich da. Da habe ich schlichtweg gemerkt, was da Tolles durch bestimmte Berührungen ausgelöst werden kann. Ich mache es mir oft vorm Schlafen. Wenn ich lese zum Beispiel oder wenn ich sehr entspannt bin. Auch wenn es keine Regelmäßigkeit gibt – mal mache ich es 2-3 Mal die Woche, manchmal drei Wochen lang gar nicht. Zum 18. Geburtstag habe ich von einem Freund ein Sextoy bekommen, super billig. Seit in meinem Freundinnenkreis super viele den Satisfyer lieben, habe ich ihn wieder rausgeholt – aber festgestellt, dass es für mich mit der Hand viel besser funktioniert.
Johanna:
Tatsächlich war es eine Beziehung mit Anfang 20, die mich wieder auf die Spur brachte, es doch noch mal zu versuchen. Dank meines damaligen Partners hatte ich meinen ersten Orgasmus und ich dachte mir „Wait! What? Davon will ich mehr!“. Ich startete also nach Jahren der Abstinenz wieder mit der Selbstbefriedigung, nahm es mir bewusst abends vor, aber versuchte auch, mir gleichzeitig keinen Stress zu machen (ja okay, das klappte nicht immer…). Kurz bevor ich aufgeben wollte, führte es schließlich eines Tages tatsächlich zum Erfolg! Einiges an Zeit und häufig schmerzende Handgelenke waren dafür von Nöten gewesen aber wow! Was für ein fantastisches Gefühl! Die Vorstellung, der Knoten sei nun geplatzt und ab sofort würde es dann einfach immer klappen, stellte sich jedoch schnell als Trugschluss heraus. Nach wie vor kann ich an einer Hand abzählen, wie viele befriedigende Erlebnisse ich durch Selbstbefriedigung mit eben jener Hand in meinem 30-jährigen Leben hatte.
Stephanie:
Ein Geschenk meiner Schwester brachte schließlich Hilfe und Erleichterung: Mein erster Vibrator. Mittlerweile besitze ich zwei und bin absolut froh und glücklich, dadurch endlich die Möglichkeit gefunden zu haben, mir selber Lust zu bereiten. Ich selber definiere mich als sexpositiven und sexuell offenen und neugierigen Menschen, weshalb es für mich lange Zeit doppelt frustrierend war, dass ich selber nie bis kaum in der Lage war, mir ohne Hilfsmittel (etwa durch erwähnte Vibratoren) Genuss zu bereiten. Oft war es auch mit einer gewissen Scham verbunden und dem Gefühl, einen defizitären (teilweise auch unweiblichen, unerotischen) Körper zu haben, wenn andere von fantastischer Masturbation sprachen und ich nur schweigend in der Ecke saß. Ich kam mir vor wie eine Trickserin, die eigentlich gescheitert ist und jetzt durch Umwege wie Sextoys versucht, sich ins Ziel zu schummeln. Aber auch wenn ich mir selber keinen Orgasmus durch bloße Stimulation mit der Hand bereiten kann, heißt das nicht, dass ich meinen Körper nicht kenne, so ist es etwa kein Problem, meinem Partner zu sagen, wie er mich berühren muss, damit es mir gefällt. Den Zustand, wie er jetzt ist, zu akzeptieren und meinen Frieden mit meinem Körper zu finden, hat aber gedauert.