Wir leben in einer Ära der Haarlosigkeit. Das sei an dieser Stelle jetzt einfach mal so dahingestellt. Rasieren, Epilieren, Wachsen. Beinenthaarung, kahle Achseln, Brazilian Wachsing: Methoden, um die Haare loszuwerden gibt es viele. Stellen, an denen es gilt, den Härchen den Kampf anzusagen, mindestens noch mehr. Vorbei die Zeiten, in denen Künstlerinnen wie Nena stolz auf der Bühne stehen und den dichten Flaum unter den Armen präsentieren oder der ungetrimmte Busch rechts und links aus dem Höschen quillt. Zugegeben, mit dem wilden Wuchs habe auch ich so meine Probleme, schließlich bin ich ein Kind meiner Generation und dementsprechend durch geltende Schönheitsideale geprägt. Mindestens in den Sommermonaten kommt mein Epilierer regelmäßig zum Einsatz, der klassische Rasierer sowieso.
Trotzdem möchte ich mir manchmal einfach nur an den Kopf greifen, wenn Frauen sich einreden lassen, sie müssten jedes noch so kleine Haar von ihrem Körper verbannen, auch die nachgewachsenen Stoppeln, die praktisch noch nicht einmal wieder vorhanden sind. Wer will, kann mich vom Gegenteil überzeugen, aber ich stelle mir bei Weitem angenehmeres vor, als meine feinfühligen Stellen Körperpartien mit heißem Wachs und radialem Ausreißen traktieren zu lassen. – Gleiches gilt im Übrigen auch für Männer, auch wenn Trends wie der „Lumber Sexual“-Look einen ziemlich schmucken Weg bieten, die eigene Haarlosigkeit zu umgehen.
Vor allem das Schamhaar ist zum großen Tabu in unserer Kultur geworden. Allein der Gedanke daran löst bei vielen Ekel aus. Instagram sperrte sogar den Account der kanadischen Künstlerin Petra Collins, nur weil sie ein Foto postete, das ihren Intimbereich bedeckt mit Höschen aber leicht herausquillendem Schamhaar zeigte. Die Nutzer fanden das anstößig.
Ähnlich wild verlief die Debatte, um ihr sogenanntes „Period Tee“ für American Apparel. Auch wenn hier der eigentliche Stein des Anstoßes eine menstruierenden Vagina war, wartet die Illustration doch auch mit dem ein oder anderen Härchen auf, was bestimmt sein Übriges geleistet haben dürfte. Doch warum haben wir eigentlich so ein Problem mit dem eigenen Körperhaar und vor allem der zwischen unseren Beinen? Schließlich hat das Zeug doch irgendwann in der Evolution eine nicht ganz unpraktische Funktion gehabt. Ist da etwa wirklich nur dieses ganz bestimmte Bild von Schönheit schuld, dass sich nun einmal hartnäckig in unseren Köpfen festgesetzt hat? Zum Vergleich: Nacktaufnahmen aus den 80ern und früheren Jahrzehnten zelebrieren den, nennen wir ihn mal ganz salopp „Busch“, zwischen den Beinen nämlich geradezu.
Es ging also auch einmal anders. Genau nach diesem Vorbild hat Künstlerin Marylin Minter nun die Frau oder sagen wir besser, ihre intimste Stelle in Szene gesetzt. Ursprünglich als Strecke für den Playboy geplant, fotografierte sie Schamhaar aus allen erdenklichen Perspektiven. Dem Herrenblatt waren die Aufnahmen am Ende dann doch zu prekär, sodass aus dem Ganzen inzwischen ein Bildband geworden ist, der in den USA die Debatte um weibliche Körperbehaarung ziemlich angeheizt hat.
„Plush“ will das Schamhaar endlich wieder enttabuisieren und das ästhetisches Auge ein wenig näher an die Natürlichkeit des eigenen Körpers heranführen. Es gibt schließlich vielen Facetten von Weiblichkeit. Denn, auch wenn uns die Werbung gerne das Gegenteil glauben lassen will, sind wir am Ende eben doch keine maßangefertigten Körper von der Stange. Das gilt auch für unser Haar, egal, wo es nun sprießt. Minter selbst hat laut eigener Aussage absolut kein Problem mit dem Trend zur Enthaarung, doch stört es sie, dass die junge Generation nicht einmal mehr ahnt, dass es auch einmal andere Schönheitsideale gab.
Gut, ich will ehrlich sein, auch mich hat es beim ersten Blick auf diese doch sehr detailverliebten Close-ups erst einmal kurz geschüttelt. Doch Irritation verleitet ja bekanntlich zum wiederholten Hinsehen. Und siehe da, schon fängt der Kopf an zu rattern. Woher der kurze Anflug von Ekel? Es sind einfach Haare, nur eben nicht die auf dem Kopf. Spannend und schön inszeniert sind die Bilder allemal. Der Rest ist wohl einzig und allein eine Frage der Gewöhnung. Wir alle tun aber bestimmt ganz gut daran, unserem eigenen Körper samt seiner Behaarung grundsätzlich etwas entspannter gegenüberzutreten – ganz im Sinne der grandiosen Gaby Hofmann, die in GIRLS flux blank zog und und das wuchernde Krausehaar mit selbstverständlicher Nonchalance entblößte.
von Laura Sodano
Laura Sodano ist 28 Jahre alt und lebt im verschlafenen Bankenstädtchen Frankfurt. Gerade steckt sie mit ihrer Freundin Lola mitten in der Planung für ihr eigenes Onlinemagazin HABITS. Davor hat sie für Supreme Mag geschrieben. Um ihrem Kopfchaos rund um Kultur und Mode sonst noch Ausdruck zu verleihen schreibt sie seit 2007 ihr Blog Nanatique, arbeitet als freie Journalistin und werkelt außerdem noch an einer feministischen Doktorarbeit über den weiblichen Körper in der Popkultur.