Am Wochenende wollte ich nach einem kurzen Anfall von Kleiderschrankfrust gepaart mit bitterer Sehnsucht nach dem Frühling einen kleinen Einkaufsbummel zustande bringen, inklusive Beute, die das Herz langfristig erwärmt. Das Problem: Draußen war es kalt, arschkalt.
Schmachtend und auch ein bisschen sabbernd vor Glück fand ich mich jedenfalls irgendwann vor Button-Up-Röcken im Stil der Swinging 60’s stehend wieder, ich grabschte nach hippiesken Kleidern, nach Siebenachtelhosen und Culottes, die gerade einmal bis zum Knöchel reichten und immer noch reichen. Kurz vor der Kasse, ich war schon ganz wibbelig, entgleiste mir mein debiles Kaufrauschginsen allerdings zu einer Grimasse gefüllt mit lauter großer Fragezeichen. Moment mal, das ist jetzt eigentlich großer Quatsch, dachte ich just in der Sekunde als mich eine geballte Ladung Winterfrust übermannte. Keines, aber wirklich kein einziges dieser schnieken Teile aka Frühlingsboten, die heutzutage ja aber aus unerfindlichen Gründen ganz a-periodisch an den Stangen hängen, hätte ich während der kommenden Wochen, geschweige denn Tage überhaupt ausführen können. Und weshalb? Weil das, was wir auf dem Laufsteg sehen, nur selten in die echte wahre Welt hinein passt, zumindest wenn man die Komplett-Looks quasi wörtlich nimmt. An Strumpfhosen denkt nämlich so gut wie kein Designer und auch keine Designerin dieses Erdballs, höchstens an dicke Socken, die, natürlich, am besten zu nackten Beinen aussehen.
„The Ultimate Power Move: No Tights at Fashion Week„, ein Artikel des Guardian, ließ mich gestern aus unerfindlichen Gründen trotzdem schadenfroh auflachen. Der Tenor: Die haben ja nicht mehr alle Murmeln im Kopf, all die hübschen Hüpfer auf der New York Fashion Week, die bei -18 Grad ganz unverhüllt an den Streetstyle-Fotografen vorbei ihre Bahnen laufen. Deppen.
Aber Obacht, wie sooft im Leben musste ich schon einige Minuten nach meinem höhnischen Ausfall innehalten. Mein böses Unverständnis mauserte sich langsam zu aufrichtigem Mitleid. Ja meine Güte, was soll man auch machen, wenn man das Outfit, das sich im Kopf doch so lockenflockig zusammen gesetzt hatte, und zwar ohne Strümpfe, nicht komplett versauen will? Erlaubt mir an dieser Stelle ein paar Übertreibungen – ihr wisst, was ich sagen will. Denn natürlich könnte man einfach umsatteln, aber ab und an muss ein Fuchs eben tun, was ein Fuchs tun muss. Womöglich ist die fesche Fashion Crowd also weniger an den Pranger zu stellen als all jene, die das Form follows funcion Prinzip seit Jahren außer Acht lassen und auch die gesamte Industrie, die sich vor lauter Schnelligkeit beinahe überschlägt und sich irgendwie mit den Saisons vertun zu scheint.
Wäre ich jedenfalls eine waschechte Modeschöpferin, ich würde mir eventuell Gedanken um meine Kunden machen, schon allein aus Sorge um etliche chronische Blasenentzündungen. Herr Slimane, Butter bei die Fische: Wie stellen Sie sich ihren Rock’nRoll denn nun im Januar vor?
Instagram „Pinsykes“
Es gibt natürlich auch Ausnahmen. The Row zum Beispiel setzt auf Seidenstrümpfe. Tommy Hilfiger liebäugelt mit bordeauxfarbenen Beinschmeichlern. Aber dann grätscht Altuzarra auch schon wieder dazwischen und zeigt erneut nackte Beine zum Puschelmantel.
Ich weiß schon. In Situationen wie diesen ist unsere Phantasie gefragt, man sollte im besten Falle ja zu eigenen Kombinationen und Kniffen in der Lage sein. Ist aber gar nicht so einfach, wenn man uns zur Schneezeit schon ein illustres Frühlingsleben mit Schmetterlingen im Haar vorgaukelt.
Foto oben: Instagram „A Love is Blind“ ♥
Hier dennoch ein paar Strumpfhosen-Beispiele, die nichts, aber auch rein gar nichts zerstören – zur Aufmunterung. Es geht eben doch anders:
Instagram „LookdePernille“
Instagram „ManRepeller“
Instagram „Alwaysjudging“