Rückblickend betrachtet dürfen die Jahre 2013 und 2014 wohl als Hoch-Zeiten der entblößten, nicht selten gigantesquen Hinterteile bezeichnet werden (danke, Kim Kardashian), aber auch der Nippel gewann an Popularität und zwar aus viel ernster zu nehmenden Gründen als zunächst vermutet. Hinter dem Hashtag „#FreeTheNipple“ verbirgt sich nämlich ein bisschen mehr als Miley Cyrus Drang nach Nacktheit, vielmehr haben wir es hier mit einer ziemlich gewaltigen Online-Kampagne zu tun, mit einer weltweiten Frauenbewegung, die sich gegen die archaische Zensur des weiblichen Körpers ausspricht. “I’ve always questioned the fact that women are not equal to men and that really bothered me. It’s not about going topless, it’s about equality,” erklärt Mitbegründerin Lina Esco, die unter anderem für den Film „Girlrillaz“, der selbiges Thema beleuchtet, verantwortlich zeichnet.
Man kann jetzt natürlich darüber streiten, ob Frau im Allgemeinen überhaupt barbusig durch die Straßen dieser Welt schlendern möchte, Fakt ist jedoch, dass sie es in den meisten Ländern und Staaten nicht dürfte, selbst wenn sie denn wirklich wollen würde. Stattdessen winken in extremen Fällen sogar absurde Gefängnis-Strafen von bis zu drei Jahren. Dass es #FreeTheNipple-Aktivistinnen tatsächlich nur vordergründig um entblößte Brustwarzen geht, im Kern aber um Gleichberechtigung, wird Lina Esco nicht müde zu erklären: „…but if I would have made a movie called Equality, and no one was going topless, nobody would be talking about it.” Ob die freizügigen Laufsteg-Looks von Hedi Slimane für Saint Laurent oder Monsieur Jacquemus wohl eine ähnliche Botschaft in die Welt hinaus tragen sollen?
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Möglich wäre es, vielleicht haben wir es hier sogar mit öffentlichen Sympathie-Bekundungen gegenüber der medienwirksamen Nippel-Verfechterinnen zu tun. Auf der anderen Seite ist uns natürlich klar, dass Laufsteg-Stylings wenig mit dem realen Leben am Hut haben, man kann sich also gut und gern die ein oder andere Bluse dazu denken, bloß wollen Designer manchmal eben nicht allzu sehr vom eigentlichen Augenmerk, beispielsweise der Hosenform, ablenken. Oder auch: Nacktheit als ästhetisches Mittel sozusagen. Was wiederum ein ganz anderer Witz ist, schließlich macht so ein wohlgeformter Busen manchmal mehr her als ein Stück Stoff. Wie dem auch sei, ab und an frage ich mich, wo wir wohl in dreißig, vierzig Jahren stehen werden. Oder besser: Wie wir stehen werden. Im Sommer dann ausnahmslos oben ohne? Und niemanden juckt’s?
Unwahrscheinlich. Aber immerhin nicht unmöglich.
Lina im Interview mit der HUFFPOST: