Mein persönlicher Hashtag des Grauens: #AFTERBABYBODY. Bis wann hat man überhaupt so einen Nach-Dem-Baby-Körper? Zwei Monate lang, sechs, so lange man stillt, erst dann, wenn man abgestillt hat oder sogar für immer? Weiß der Teufel, wer diesen absurden Begriff überhaupt erst etabliert hat. Und was kam zu erst, das Ei oder das Huhn, Instagram oder all diese Mutti-Definitionen, die im Grunde nur eins können: Uns fertig machen. Da wird verglichen, geschimpft und reduziert: Auf Bäuche und Brüste.
Vergangene Woche veröffentlichte ich das obige Bild. Eigentlich ging es um das Bikinioberteil, in Wahrheit aber offensichtlich um meine Figur. Erst ein Kommentar, dann 40, sieben davon habe ich gelöscht. Man munkelte darüber, wie ich acht Monate nach Lios Geburt schon wieder so ein steiler, schlanker Zahn sein könne. „Kann doch gar nicht sein.“ -„Stillen, ist doch klar!“ – „Also in meinem Rückbildingskurs sieht niemand so aus“. Bis hierher alles harmlos, abgesehen davon, dass ich mich fragte, was man mir da eigentlich durch die Blume sagen wolle, nach Tipps hat jedenfalls nur eine findige Leserin gefragt. #plasticsurgery hätte ich am liebsten gepöbelt, damit wäre das Thema vielleicht vom Tisch gewesen. Weil Lügen aber kurze Beine haben, beschloss ich, zu schweigen. Und zu zensieren. Auf die Blacklist haben es Kommentare wie „#morgenskaffeemittagskotzen“ oder „#dünnumjedenpreis – vielleicht besser mal mit dem Kind spielen, statt Diät zu machen“ geschafft. Nichts im Vergleich zu einer Email, die ich in der Nacht darauf erhielt: (…) ich finde dein Verhalten unverantwortlich. Du suggerierst Müttern und Schwangeren, dass es völlig normal ist, sofort wieder seine alte Figur zu haben, aber das ist nicht die Realität. Deine Zurschaustellung kranker Schönheistideale ist nicht nur für dich gefährlich, sondern auch für deine Leser. “ Das ist natürlich erst einmal eine ziemlich kernige Aussage, die übrigens weder höflich, noch fair ist. Zu Herzen genommen habe ich sie mir trotzdem, wer weiß, wer da draußen noch im stillen Kämmerlein vor Wut überschäumt. Eines darf dennoch nicht unerwähnt bleiben: Das Label „afterbabybody“ habe ich weder meinem Foto noch meinem Körper selbst verpasst, was darin begründet liegt, dass ich mich keineswegs als Post-Gebärende, sondern als Frau definiere.
Und, jeder weiß es, wir Frauen sind nunmal seit jeher ganz unterschiedlich ausgestattet, im positivsten aller Sinne, Weiblichkeit strotz ergo nur so vor Diversität und Facettenreichtum. Wer der „Norm“ nicht entspricht, muss allerdings damit rechnen, Schelte zu kassieren. Das gilt für Dicke wie für Dünne, für jene, die trotz Kind wieder in ihre alte Jeans passen ebenso wie für Kilo-Kämpferinnen. Warum das so ist? Weil Frauen gelernt haben, unzufrieden zu sein – da tut es gut, sich stets ein noch Schwächeres Mitglied in der Kette zu suchen, zum Besserfühlen, oder auch eines, das trotz weniger optischer Makel aber ganz bestimmt an anderer Stelle leckt. Nichts da Girlpower. Eher Girl-Shaming. Mich macht das wütend, sogar sehr. Und traurig, weil wir noch immer nicht gelernt haben, uns zu lieben, egal wie wir sind. Weil wir noch immer viel zu häufig der Meinung sind, anderswo wachse stets grüneres Gras als auf dem eigenen Acker. Aber ich sage euch jetzt mal was: Meistens ist das gar nicht so, Unkraut gibt’s überall. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass dem doch nicht so ist: Drauf geschissen. Es gibt größere Gründe für Glück als Orangen-lose Oberflächen. Das Kind, was da aus euch raus gekommen ist zum Beispiel. Babyküsse. Patschehände. Und an euch selbst: Glänzendes Haar. Gesunde Füße. Wache Augen. Um nur ein paar Volltreffer zu nennen, für die man weder Diäten noch Sport braucht.
Aber zurück zu meinem flachen Bauch, der dieser Tage für erhitzte Gemüter sorgte. Entwarnung. Ich ernähre mich ausreichend (wenn auch nicht immer gesund) und ansonsten ist auch alles paletti. Das hat mehrere Gründe. Gute Gene etwa (ja, ich weiß, ein ewig leidiges Thema, aber so ist das, wenn ich mir meine Maman und ihren Raketen-Körper so anschaue, wohl wirklich), eine Frühgeburt (den richtig prallen Bauch hatte ich also nie, was ich nicht feiere, sondern beweine), keinen Mutterschutz, keine Elternzeit, wenig Schlaf, viel Tamtam, Yoga und c’est ça. Es gibt sicher viele, das beneiden. Aber nur sehr wenige, die gern tauschen würden, glaubt es mir. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Sein und Schein. Ihr seht zwar einen „Bikinibody“, aber keine leer genuckelten Möpse, die mal richtig frisch und pralle waren. Ganz zu schweigen vom verlorenen gegangenen Hinterteil, das, wenn man es freundlich ausdrücken will, eher einem Rücken mit Ritze gleicht, statt einem Äpfelchen. Ich sage das jetzt nicht, um Vorangegangenes zu relativieren, sonder um zum eine Trillionste Mal an unsere auf der Strecke gebliebene Selbstliebe zu appelieren. Mops weg? Egal. Baby da. Rettungsring an Land gezogen? Sei’s drum, dafür Wurzeln geschlagen.
Wir schleppen alle unsere Sozialisierungs-bedingten Päckchen mit uns herum, aber ich kann mich nicht daran erinnern, ein fremdes jemals mit Abneigung betrachtet zu haben. Vielleicht würde es helfen, uns ab und an mal durch die Augen unserer Freunde zu betrachten. Die filtern nämlich ganz automatisch kleine Makel aus, oder, noch besser, sind ganz vernarrt in selbige. Das ist zwar leichter gesagt als getan, aber einen Versuch wäre es durchaus wert. Vielleicht entdecken wir beim nächsten #Afterbabybody Bild dann auch den Bikini, der nicht grundlos in verschiedenden Größen verfügbar ist.