Wenn man beim Anblick der Milan Fashion Week das Gefühlt hat, man hätte gerade aus Versehen RTL II eingeschaltet, dann ist das entweder der Anfang vom Ende oder genial. Nach zwei Stunden der intensiven Studie sämtlicher gezeigter Schauen, bin ich mir noch immer nicht sicher, eher verunsichert. Egal ob nun Ports, mein geliebtes Marni oder auch die Ergüsse von Miuccia Prada – sie wollen sich mir nicht erschließen, kein einziger Funke springt über, höchstes kleine, wohlwollende Fünkchen der Hoffnung. Am härtesten traf es mich bei Dolce & Gabbana. Das Duo ersäuft konstant in Kitsch, das ist seit Jahren so. Bloß kitzelten die beiden Italiener mit ihren prachtvollen Entwürfen bisweilen stets die größten Mädchenträume in uns hervor, sie ermutigten uns auf eine märchenhafte Alessandro Michele-Art und Weise dazu, endlich etwas zu wagen, sie zeigten uns, dass Spaß und Mode zusammen gehören dürfen, ohne wenn und aber. Man könnte jetzt natürlich behaupten, das allein sei schon die Antwort auf die heutige Frage: Spinnen die jetzt – oder wir?
Aber ganz so einfach ist es nicht. Als ich plötzlich aufwändig platzierte Teddybären von einem sackförmigen Kleid herab blicken sah, ging ich kurz davon aus, ich hätte den Einzug Jeremy Scotts als dritter Mann im D&G-Haus verpasst. Dem ist selbstredend nicht so. Aber wie oder was ist es dann? Von den unschuldigen Katzen-Prints, wie sie unlängst durch Stella McCartney zu großem Ruhm kamen, ganz zu schweigen. Und „Dreaming of my prince“ – wirklich?
Die Branche steht gerade Kopf, das wissen wir spätestens seit etliche Jobs aus freien Stücken gekündigt, der Begriff „Mode“ für tot erklärt und das gesamte kaputte System über den Haufen geworfen wurde. Vor allem Letzteres läutet derzeit allem Anschein nach einen dringend benötigten Neuanfang ein – ein positiver Nebeneffekt des allgemein herrschenden Wahnsinns, zumindest vorläufig, denn wie realistisch die angepeilten Neuerungen in der Praxis wirklich sind, bleibt weiter fraglich. Und trotzdem habe ich Angst, dass dem ein oder anderen Designer schon jetzt die Puste aus geht. Das wäre die schlechtere der beiden möglichen Gründe für das oben genannte Desaster, das natürlich auch Geschmacksache, aber unweigerlich behämmert ist.
Immerhin interessant wäre These Nummer zwei: Domenico und Stefano schlagen der großen Ernsthaftigkeit ein Schnippchen und tun es ihren Kollegen von Vetements gleich, die ein Vermögen damit verdienen, die wichtigsten Influencer und It-Girls dieser Welt an der Nase herum zu führen. „Wir machen doch gar keine Mode, wir machen einfach nur Kleidung“, betont Demna Gvasalia immer wieder und zitiert sich damit mitten ins Herz von Li Edelkoort, einer der wichtigsten Trendforscherinnen des Globus, die findet: Das Kollektiv hat alles begriffen. Und es stimmt, das Label transportiert keine Mode im klassischen Sinne, stattdessen aber ein allumfassendes Lebensgefühl – das ist im Jahr 2016 oftmals von ebenso großer, wenn nicht sogar größerer Bedeutung wie die dazugehörigen Produkte. Bloß kosten genau jene im Fall des Pariser Hype-Brands sehr viel Geld. Es ist demnach nicht preiswert, wirklich cool zu sein. Wieder so ein schräger Ansatz.
Die meisten der Vetements-Jünglinge wissen um diese beabsichtigte Ironie hinter 800€-Hoodies. Sie können es sich leisten, mit dem offensichtlichen Paradoxon zu spielen und genießen obendrein ein sonderbares Gefühl der Erhabenheit. Was aber wird das Dolce & Gabbana Publikum mit den Teddies und Katzen anfangen? Wird sie sie ebenso ironisch oder gar keck tragen, der neuen Anti-Ästhetik als Kennzeichen der nächsten Mode-Ära huldigen, oder sich selbst trotz süßer Ohren und Stupsnäschen bierernst nehmen? Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe, dass ich morgen aufwache und endlich kapiert habe, was hier vor sich geht. Erschreckender Weise finde ich dieses Exemplar hier nämlich beinahe schon zum Maunzen schön: