Wenn mich jemand bitten würde, alle Menschen aufzuzählen, die ich von Herzen liebe, dann käme ich auf eine überschaubare Menge von wertvollen Individuen, denen ich nur Gutes wünsche, ohne die ich mir mein Leben nicht vorstellen kann und über deren Existenz ich verdammt froh bin. Niemals wäre mir allerdings einfallen, in dieser Aufzählung auch mich selbst zu nennen. Das Konzept „Selbstliebe“ war mir lange eher unbehaglich. Das klang realitätsfern und irgendwie peinlich. Wer liebt sich schon selber?!
Vor kurzem sah ich dann in Warschau eine riesige Neonreklame: Love Yourself. Ein alter Hut eigentlich (dafür direkt 5 Zloty ins Phrasenschwein), inhaltlich keine sonderlich bahnbrechende Neuentdeckung. Und doch trafen mich diese simplen Worte unvorbereitet heftig und dieser Zustand hielt für mehrere Tage an. Daran konnten auch der kommerzielle Rahmen und die plakative Oberflächlichkeit nichts ändern. Manchmal trifft simpel und straight eben genau den Punkt. Aus der Aufforderung „Love Yourself“ ergab sich für mich die Frage: Aber wie liebt man sich selbst eigentlich richtig?
Für mich war „Selbstliebe“ immer ein komisches Wort, ein Synonym für „Narzissmus“ quasi. Ich habe mir schließlich die Nähe zu mir selber nicht ausgesucht, ich hatte kein Mitspracherecht und verstand nicht, wie ich nur aus der Tatsache heraus, dass ich untrennbar von mir selber bin und mir den Rest meines Lebens auf der Pelle hocke, Liebe generieren sollte.
Und dann habe ich lernen dürfen (oder: müssen), dass wahrhaft narzisstisch veranlagte Menschen tatsächlich nicht nur andere, sondern in Wahrheit auch sich selbst nicht lieben. Meine Annahme war also gänzlich falsch gewesen. Sicherlich nicht allumfassend zutreffend, aber als Faustregel durchaus hilfreich: Menschen, die auf eine unangenehme und negative Art und Weise Aufmerksamkeit und ewiges im-Mittelpunkt-Stehen einfordern, sind in Wirklichkeit wahrscheinlich ziemlich alleine, oft traurig und alles andere als im Reinen mit sich. Oder anders gesagt: Je lauter und öfter ein Mensch von sich selber spricht, sich in den Fokus rückt und anderen seine Meinung aufzwingt, desto weniger liebt er sich selbst. Und ich vermute sehr stark, dass das auch für andere und eher auto-aggressive Verhaltensweisen gilt, zum Beispiel Devotion, selbstzerstörerisches Verhalten jedweder Art, sich alles gefallen oder sich ständig unterbuttern zu lassen.
Kombiniere: Echte Selbstliebe zu lernen, könnte mich vor dem einen wie dem anderen Extrem und den daran gekoppelten Gefühlszuständen bewahren. Und das wünsche ich mir. Ich verstehe sie inzwischen als eine Basis für alles Positive in unseren Leben – Beziehungen aller Art, Erfolg im Job, Erziehung von Nachwuchs und das Überstehen von Tiefschlägen. Selbstliebe, so meine Grundidee, übertrifft Zufriedenheit und schlägt Unsicherheit. Und ganz nebenher kann sie die manchmal unvermeidliche Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit von außen neutralisieren.
Und deswegen habe ich mich nach ihr auf die Suche gemacht. Ein paar erste Annäherungsversuche möchte ich gerne demnächst mit euch hier am Slow Sunday teilen – das Thema wird uns also wahrscheinlich noch etwas länger begleiten, wenn ihr denn so mögt. Ich freue mich natürlich wie immer über eure Rückmeldung und eure Meinungen und Ideen zum Thema <3