Findet ihr nicht auch, dass Konsumieren immer verrückter wird? Setzt man sich zunehmend mit den vielen schädlichen Stoffen und Materialien auseinander, die nach Lust und Laune via Lebensmittel- und Kosmetikindustrie in unsere Körper oder unsere Umwelt gespült werden, weiß man im Grunde genommen nie, ob man morgen noch genauso einkaufen kann (oder besser: will) wie heute. Denn jederzeit kann es passieren, dass ein neuer Skandal an die Oberfläche gespült wird – wegen unhaltbarer Produktionsbedingungen oder schwieriger Inhaltsstoffe beispielsweise.
Als Ergebnis (und je nach Durchschlagskraft der Meldung) geistern dann einige Tage Begriffe wie „giftig“, „bedenklich“, „nachweislich schädlich“, „erbgutschädigend“, „krebserregend“, „gesundheitsschädlich“ oder „umweltschädigend“ in den Medien umher… Bis dann nach kurzer Zeit die Frequenz der Meldungen nachlässt und kurz danach das Vergessen einsetzt. Zurück bleiben wir, die nervengekitzelte, überforderte und völlig entnervte Konsumgesellschaft, die regelmäßig einige ihrer aufgeschlossenen Mitglieder an die völlige Resignation verliert, unter Aufgabe jeglicher Prinzipien. Und auch diesmal ist es leider kein Stück besser. Darf ich präsentieren: Der nicht völlig neue, aber brandaktuell erneut in einer Studie untersuchte Inhaltsstoff namens Mikroplastik. Für die Geschmeidigkeit von Cremes, für das beste Peelingerlebnis und für die Extraportion Gift in unserem Alltag. Meine Herangehensweise lautet da Augen auf und durch:
Aktueller Stand
Codecheck und BUND haben gemeinsam sowohl 2014 als auch 2016 über 100 000 Kosmetikprodukte auf dem deutschen Markt untersucht. Im Vordergrund standen die Beurteilung der Entwicklung von Mikroplastik als Inhaltsstoff, sowie die Umsetzung des angekündigten freiwilligen Verzichts auf Kunstoff in Pflegeprodukten diverser Hersteller. Das Ergebnis war nicht nur bezüglich der selbst gesteckten Ziele der Unternehmen, sondern auch was die produzierte Menge an Mikroplastik und die betroffene Art der Kosmetikprodukten betrifft ernüchternd.
Aber was ist Mikroplastik überhaupt?
- Die Wissenschaft versteht unter Mikroplastik alle synthetischen Polymere, die kleiner als 5 Millimeter sind. Etwas einfacher gesagt: Mikroplastik ist in der Industrie vor allem deshalb beliebt, weil es günstig und universal einsetzbar ist, zum Beispiel in folgenden Bereichen: Viskosität, Bindemittel, elektrische Aufladung (bei Haarprodukten), Emulsionsbeständigkeit und -haltbarkeit.
- Man unterscheidet zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik. Primäres Mikroplastik ist das Grundmaterial für die allgemeine Plastikproduktion und seit einigen Jahren eben auch Inhaltsstoff in vielen Kosmetikprodukten. Sekundäres Mikroplastik hingegen entsteht, wenn größere Plastikteile in Gewässer gelangen und durch Wellenbewegung und Sonneneinstrahlung verwittern.
- Günstige Alternativen zu Mikroplastik, die sich bereits die Biobranche zu Nutze macht, sind Sand, Salze, Mais, geschrotete Kerne, gemahlene Kokosschalen, Tonerde, Kreide und Cellulose
Warum ist Mikroplastik schädlich?
Um die Frage vorweg zu nehmen: Nein, es ist nicht bewiesen, dass Mikroplastik im menschlichen Körper Schaden anrichtet. Was aber bereits untersucht wurde, sind die Auswirkungen der Minipartikelchen in Tieren – unter anderem Geschwüre und Unfruchtbarkeit. Ist Mikroplastik nun tatsächlich schädlich für den Körper? Ich weiß es nicht genau. Aber mal eine Gegenfrage: Wollen wir nicht möglichst alle Risiken für unter Umständen verheerende gesundheitliche Probleme minimieren? I thought so. Was unumstösslich feststeht ist, dass Mikroplastik ein ernstzunehmendes Problem für unsere Tier- und Umwelt darstellt. Durch unseren Konsum von Peelings, Cremes, Make-Up und Co. gelangen pro Produkt gerne mal 2,8 Millionen Kunststoffteilchen in unsere Dusche und damit ins Abwasser. Die Filtersysteme der Kläranlage können nicht alle Teilchen komplett herausfiltern, so dass alles, was sich durchschummeln kann, in unsere Flüsse und Meere gelangt. Im Wasser hat Mikroplastik dann die ungünstige Eigenschaft, Giftstoffe wie ein Magnet anzuziehen. Wenn also Lebewesen im Wasser die Partikelchen mit Nahrung verwechseln, gelangen die Giftstoffe in den Verdauungstrakt der Tiere und richten dort physiologische Schäden an. Auch Unfruchtbarkeit ist eine mögliche Folge. Hinzu kommt, dass sich Plastik – und sei es noch so klein – extrem langsam abbaut (siehe Grafik am Ende des Artikels). So birgt Mikroplastik nicht nur durch die Anwendung der Produkte auf der Haut sondern auch durch den Verzehr von Meerestieren ein Risiko für den Menschen. Aber was ich vom Verzehr von Meerestieren halte, dürfte ja inzwischen auch klar sein, steht aber auf einem anderen Blatt.
Mikroplastik gelangt aber nicht nur durch Kosmetikprodukte, sondern wie oben bereits erwähnt auch durch Verwitterung, also in Form von sekundärem Mikroplastik in unsere Meere. Im Grunde genommen betrifft das Problem in den Ozeanen also unseren generellen Umgang mit Plastik, der sich aber eben zum Teil auch in unseren Badezimmerprodukten widerspiegelt.
Synonyme für Mikroplastik
Ähnlich wie bei Palmöl oder tierischen Inhaltsstoffen gibt es auch für Mikroplastik eine Reihe von Synonymen, die es einem sehr schwer machen mit einem Blick auf die Inhaltsangabe schlechte von unbedenklichen Stoffen zu unterscheiden. Wer also gleich mal Lust hat sein Badezimmer auf den Kopf zu stellen und nach Mikroplastik Ausschau zu halten, findet eine Liste der gängigsten Bezeichnungen hier:
- Polyethylen (PE)
- Polypropylen (PP)
- Polyethylenterephtalat (PET)
- Nylon-12
- Nylon-6
- Polyurethan (PUR)
- Acrylates Copolymer (AC)
- Acrylate Crosspolymer (ACS)
- Polymethyl methacrylate (PMMA)
- Polyacrylate (PA)
- Polystyrene (PS)
- Polyquaternium (P)
Wie kann ich Mikroplastik vermeiden?
Es gibt zum einen zwei tolle kostenlose Apps, die einem nur durch das Scannen des Barcodes verraten, ob unter den Inhaltsstoffen Plastik ist:
- Codecheck App (analysiert Barcodes von Lebensmitteln und Kosmetik, bietet Informationen über Mikroplastik, tierische Inhaltsstoffe, Palmöl und giftige Inhaltsstoffe)
- Beat the Microbead (analysiert Barcodes von Kosmetikprodukten und bietet Informationen über Mikroplastik)
Zum anderen hat Greenpeace Österreich vor einiger Zeit eine Liste mit Marken- und Firmennamen veröffentlicht, die mit Mikroplastik als Inhaltsstoff arbeiten. Die komplette Liste findet ihr hier. Und ansonsten bleibt nur der Blick in die Inhaltsangabe und der Vergleich mit den oben aufgelisteten Synonymen für Mikroplastik.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Suchen und Scannen. Ein anderes wichtiges Thema bei Kosmetikprodukten ist übrigens Palmöl, über das ihr euch hier genauer informieren könnt. Auch wenn es manchmal erstmal nervig erscheinen mag und auch nicht bei jedem Einkauf immer superkonsequent anwendbar, darf man nicht vergessen: Einmal was machen ist besser als keinmal. Wie immer Stück für Stück und in den für euch passenden Minischritten, dann läuft die Sache wie von alleine <3
In diesem Artikel beziehe ich mich auf drei Quellen, nämlich auf den BUND, Greenpeace Österreich und allen voran die diese Woche veröffentlichte Studie über Mikroplastik in Kosmetika des BUND in Kooperation mit der App Codecheck.
Fotocredits Collage und letzte Grafik im Text: Pinterest, Seth Doyle, kinarino.jp, kooye.com, kleiderkreisel.de