Selten habe ich eine Branche so sehr munkeln, diskutieren und schimpfen hören. Ob hinter vor gehaltener Hand, in kleinem Kreise oder ganz öffentlich, seit Samstag macht sich vor allem eines breit: Ratlosigkeit. Dicht gefolgt von vielen fetten Fragezeichen. Auslöser für das Kopfzerbrechen ist die jüngst gezeigte Menswear Show von Dolce & Gabbana, die vor Jugendlichkeit und Social Media Power nur so strotzte. Statt hochkarätiger Models ließen die beiden Designer ausschließlich „influencer“ über den Catwalk laufen. Neben den beiden Deutschen Stefanie Giesinger (Germany’s Next Topmodel) und Caro Daur (860.000 Instagram-Follower), fanden sich vor allem „Schwestern von“ oder „Söhne von“ zusammen, um das Thema der Kollektion, nämlich „Royalty“, zu zelebrieren – später auch auf der After-Show-Party, samt funkelnder Diademen für alle.
Eine Show als logische Fortsetzung der #DGMillennials Kampagne, die nicht weiter verwundern sollte. Schon 2010 zeigte sich das italienische Luxushaus überraschend aufgeschlossen gegenüber neuen Internet Stars und deren Einfluss. „Blogger demokratisieren das Business“ bemerkte Stefano Gabbana damals gegenüber der FAZ. Zum aktuellen Spektakel erklärt er: „These are the new generation, we liked the idea of adding ordinary people who have become famous thanks to the web.“ Auf der Suche nach einer eigenen Meinung war ebenjener Satz wohl der erste, der mich stutzig machte. Ist mit „ordinary“ etwa „ordinär“ gemeint, oder zählen die Signores Dolce und Gabbana die Brut von Jude Law, Pamela Anderson oder Cindy Crawford tatsächlich zur „gewöhnlichen“ Masse?
Zunächst einmal schieben wir den leichten Anflug von Sarkasmus allerdings beiseite, denn eines muss vorab gesagt sein: Statt uns in Missgunst zu üben, sollten wir vor allem in Bezug auf Caro Daurs mitunter stark belächelten Auftritt anerkennen, dass Instagram Stars aus Deutschland mittlerweile bierernst genommen werden. Das ist gut und wichtig und ein Umstand, der uns zum Beglückwünschen veranlassen sollte, die 21-Jährige hat es nämlich ganz allein nach Mailand geschafft. Ein erstes Pro auf der Liste also, genau wie die Tatsache, dass eine junge Generation hier für voll genommen wird, etwas, das die Politik zum Beispiel noch lernen muss. Fahren wir fort: Die Diversität der Körper! Da ist sie, zumindest in Ansätzen, etwa dank „The Atomics“ Sängerin Queen Starlie.
Ganz abgesehen von dem gewaltigen Medien Buzz, der in den kommenden Tagen wie eine Lawine durch die Internetlandschaft rollen wird. Ein smarter Schachzug, wo die Mode ohnehin zweitrangig geworden zu sein scheint und stattdessen wachsende Followerzahlen und das Pflegen einer gerade heranwachsenden neuen Käuferschaft im Fokus stehen. Wir sollten uns ohnehin davor hüten, Spektakel wie diese in der gedanklichen Trash-Schublade zu verstauen, denn ihr wisst schon: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Und es ist kein Geheimnis, dass die Branche derzeit schlichtweg nach neuen Ansätzen suchen muss, um nicht gänzlich vor die Hunde zu gehen. Was dabei allerdings auf der Strecke bleiben könnte, ist der gute Stil. Der mitunter elitäre Anspruch der Mode, das Kunsthandwerk. Das Zusammenspiel von Konsum- und Kulturgut. Außer, man ist aufrichtig gewillt, das digitale Dasein der Digital Natives als waschechtes kulturelles Phänomen zu begreifen. Möglich ist das sehr wohl, aber gewiss nicht immer leicht für jene, die seit Jahrzehnten über die Magie von Handwerk und Design, über ihre Leidenschaft schreiben – Ein Déjà-vue übrigens, das uns bereits seit Jahren in Form des ewigen Clinchs zwischen frühen Blogger*innen und alt eingesessenen Printlern begegnet.
Earlier today right before the show with the @dolcegabbana family 👑👸🏼👑👑👑 Now getting ready for tonight’s #dolcegabbana afterparty 🍸💄 #DGfamily #DGprinces Ein von Caroline Daur (@carodaur) gepostetes Foto am
Wer genau sich denn jetzt eigentlich noch mit dieser Marke identifizieren soll, fragt man sich dieser Tage etwa. – Die Jungen, die Reichen, die Schönen, lautet die Antwort. Und all jene, die nach ebendiesen Zielen streben, die sich nach einem kurzweiligen „Crisp of Youth“ sehnen. Was wir als Betrachtende wirklich verstehen müssen: Brands, die sich in einem Preissegment wie diesem bewegen, leben nunmal ei Stück weit auch von Exklusion. Davon, dass nicht jeder dazu gehören kann, weil Unerreichbares Begehrlichkeit weckt. Hier stößt selbst besagte Demokratisierung der Mode an ihre Grenzen. Mit einer einzigen Ausnahme, der Haupteinnahmequelle sämtlicher Luxusunternehmen: Taschen und Parfums: Mit solchen Kinkerlitzchen können sich selbst (Beinahe-)Normlaos ein ansehnliches Stück vom royalen Kuchen leisten. Womöglich zielt der #DGMillennial Vormarsch demnach auf exakt jene Zielgruppe ab und ein wenig auch auf Sprösslinge, die durch die Geldbörsen ihre Eltern über eine enorme Kaufkraft verfügen. Womit das Wiesoweshalbwarum vorerst geklärt wäre.
Nichtsdestotrotz fällt es mir schwer, mich endgültig auf eine Seite zu schlagen, auf die der Kritiker etwa oder die der Befürworter. Was hier gerade passiert, ist traurig, logisch, fortschrittlich, zerstörerisch, wirtschaftlich und notwendig zugleich und ich fürchte vor allem: Im Sinne der Designer selbst. Wohin es ihre Marke tragen wird, liegt nicht in unserem Ermessen. Darüber zu urteilen kommt mir deshalb ebenso falsch vor. Einen kleinen Wunsch habe ich dennoch in petto, für andere Brands, die gerade womöglich darüber nachdenken, nachzuziehen: Das Arbeiten mit Influencern kann durchaus Substanz haben. Es gibt sie zweifelsohne, die jungen Millennials, die eine Stimme haben. Die für etwas stehen. Und zwar nicht nur für den Vorteil einer prominenten Sippschaft.