Während meines zehnmonatigen Mutterdaseins hat sich eine Frage ganz besonders häufig wiederholt: Sag, schläft er schon durch? Manchmal tut mir der Kopf von den darauffolgenden Diskussionen weh, einerseits, weil ich wirklich und wahrhaftig aufrichtig mitleide, jedes Mal, wenn ich Geschichten von Zweijährigen höre, die noch immer nicht so recht einsehen wollen, dass Mama und Papa eine lange Mütze Schlaf ab und an ziemlich gut gebrauchen könnten. Kinder haben unterschiedliche Bedürfnisse, wollen uns ganz sicher nicht ärgern und haben ganz oft ihren ganz eigenen Kopf. Ich wäre vermutlich trotzdem nur noch ein Häufchen Elend und ziehe meinen Hut vor all den superstarken Raketeneltern da draußen, die tagsüber trotzdem noch Lieder trällern und Spucktücher sortieren können.
Mindestens so häufig stoße ich aber auch auf Härtefälle: „Das Familienbett hat sich nunmal ganz automatisch etabliert, der Kleine ist ja auch erst vier.“ Ich verstehe das, wirklich. Ich mag sogar die Vorstellung. Bloß möchte ich in diesem ganz besonderen Beispielen dann manchmal nicht hören, dass niemand begreift, wiesoweshalbwarum nicht irgendwann einfach mal Ruhe im Karton ist. Auch nicht, dass die Situation tierisch nerve. Dass bei allen anderen immer alles viel reibungsloser laufe oder das Kind einfach „sau anstrengend“ sei. Lieber wären mir glänzende Augen, vor Glück, wegen all der Kuscheleinheiten und Dreisamkeit, gern auch mit einer ehrlichen Portion Gemeckere garniert, sich Luft machen ist wichtig, aber tendenziell erkenne ich im Angesicht solcher Anekdoten in meinem Gegenüber (auf dem Spielplatz, an der Supermarktkasse oder sonstwo) nicht selten unterschwellige Anfeindungen, die in meine Richtung zielen.
Ganz und gar nicht charmant sind etwa durch die Blume abgefeuerte Giftpfeile, bloß weil es bei mir anders läuft, weil ich es anders gemacht habe und immer noch mache. Anders, jawohl. Nicht etwa falsch oder grausam (aber du MUSST doch stillen, aber die Minis BRAUCHEN nachts Nähe, da kann man doch mal ZURÜCKSTECKEN). Es ist nur so: Ich liebe mein Kind über alle Maße, aber auch mein eigenes Bett und den Platz und die Ruhe bei Nacht. Das nur am Rande.
Unglücklicherweise werden Kinder nicht mit Beipackzettel geboren und noch dazu funktioniert jedes einzelne auf seine ganz eigene, herzzerreißend wahnsinnige Art und Weise. Die jetzt folgenden Worte gelten also erst einmal nur für mich und Lio, obwohl ich mir heimlich wünsche, der oder dem ein oder anderen hier ein bisschen Hoffnung einflößen zu können. Die Sache mit dem Durchschlafen ist ein wahrhaft heikles Thema, jede Familie findet ihren ganz eigenen Rhythmus und Weg, weil ich aber immer wieder darauf angesprochen werde, hier ein paar ehrliche Zeilen darüber, wie es bei uns gefruchtet hat, ganz ohne Gewähr und erhobenen Zeigenfinger:
1. Schnelle Umgewöhnung
Mein Sohn war ein Frühchen, weshalb er während der ersten drei Wochen zwischen Mama und Papa geschlafen und gekuschelt hat. Weil es mich aber ziemlich schnell nach mehr Freiraum gelüstete, fragte ich mich irgendwann, ob Lio es überhaupt merken würde, läge er in seinem eigenen Bettchen direkt neben und nicht eingemummelt in mein Stillkissen zwischen uns. Er hat es nicht gemerkt, wirklich nicht. Dabei war das Bettchen nicht einmal ein Bettchen, sondern sein Kinderwagen. Jule hatte mir damals dazu geraten, weil ich sowieso für die relativ schnelle Benutzung des Kinderzimmers plädierte. „Ist ja nur ein kurzer Übergang, da braucht man sich nicht noch ein Möbelstück ins Haus holen.“ Was mir erst reichlich komisch vorkam, stellte sich am Ende als ziemlich logisch heraus.
2. Mürbe machen
Jetzt kommt der Papa ins Spiel. Sein Lieblings-Rat: „Mürbe machen!“. Was nichts anderes bedeutet, als abends, immer zur gleichen Zeit, eine Runde durch die Wohnung zu düsen, mit Baby auf dem Arm, um den Büchern gute Nacht zu sagen, den Stühlen, Blumen und was sich sonst noch so finden lässt. Zum Beispiel. Bis beide so richtig müde sind. Wahrscheinlich ist das großer Quatsch, aber ich hatte manchmal das Gefühl, Lio war irgendwann auch froh, seine Ruhe vor uns zu haben. Wir näherten uns also einer halben Nacht Schlaf für alle.
3. Abendfläschchen
Nach drei Monaten brauchte und wollte ich aus gesundheitlichen Gründen noch ein bisschen mehr Erholung. Meine Mama flüsterte mir schließlich, dass meine Schwestern und ich allesamt dank des Abend-Fläschchens durchschliefen wie die Weltmeister, ich besorgte also Pre-Milchpulver und ließ das Stillen vor dem Zubettgehen sein. Auch hier wieder kein großes Problem in Sicht, ich meine jedenfalls, Lio hätte auch hier den Unterschied nicht gemerkt, auch der Kinderarzt hatte keine Einwände. Bloß die Möpse, die nachts gelegentlich zu platzen drohten. Fies, aber hilfreich: Die gute alte Milchpumpe.
4. Null Ablenkung
Kurz darauf dann der Umzug ins eigene Zimmer. Ich hatte irgendwann einmal gelesen, wenn man sowieso darüber nachdenkt, dann sei dieser Zeitpunkt ein guter, wegen der Gewöhnung. Also: Fläschchen geben (jetzt auch das zweite Mal in der Nacht), Mürbe machen, eine Geschichte lesen (auf dem Sofa), ab ins Bettchen, Spieluhr an, Licht aus, nicht mehr reden (auch nichts lieb Gemeintes, das kommt wohl einem ausgemachten Entertainment gleich), kein Klimbim über das Bettchen hängen, hoffen.
5. Das Bett als Paradies
Mein persönlicher Trick: Das Bett muss dem Paradies gleichen. Sobald Lio angefangen hat zu weinen, habe ich ihn sofort wieder hoch genommen, drei Tage lang. Ich dachte, was bei mir nicht funktioniert, kann auch bei meinem eigenen Kind nicht klappen: Alles, was mit Zwang zu tun hat. Ich habe Lio dann überflüssiger Weise noch ein bisschen erklärt, wie neidisch ich auf das muckelige Fell bin und all den Schlaf bin, wie gut er es hat und dass man die Augen zumachen sollte, wann immer es geht, entspannen eben. Alles zusammen hat uns dann relativ schnell zu sechs, sieben Stunden Schlaf am Stück verholfen. Dann acht. Dann neun. Heute sind es zehn, manchmal elf.
6. Jedes Kind ist anders, bloß kein Druck
Ich weiß, dass ich hiermit all mein vierblättriges Kleeblatt-Glück verbraucht habe und dass es in den meisten Fällen ganz anders läuft. Viele Eltern brauchen das Durchschlafen ihrer Sprösslinge im eigenen Bett noch nicht einmal, was ich tatsächlich nachvollziehen kann, wegen der Nähe. Wem es aber so geht wie mir, dem sei gesagt: Glückliche Eltern haben glückliche Kinder. Lasst euch nicht von der Egoismus-Keule erschlagen, solange das Baby quietschfidel ist. Lasst euch aber genau so wenig unter Druck setzen, Ruhe überträgt sich nämlich auch auf die Kleinen. Ich meine nur: Manchmal ist der Schlüssel zum Glück gar nicht so grausam und kompliziert wie vermutet. Ob ein Baby im eigenen Bett durchschlummert, hat erst einmal nur etwas mit dem neuen Menschen zu tun, ein bisschen kann man ihm aber womöglich dabei helfen. Indem man ab und an loslässt, um an anderen Stellen voll da sein zu können.
Über mehr Tipps & Tricks in den Kommentaren freuen wir uns sehr!